Nach den Erfahrungen des letzten Jahres haben wir in Hockenheim einen eher ruhigen Saisonauftakt erlebt. Es war ein "normales" Rennen ohne Querelen und Unfälle - und damit für die DTM ein gelungener Auftakt. Die Zuschauerzahlen waren am Sonntag sowohl auf den Tribünen als auch vor den TV-Bildschirmen erfreulich. Der Saisonauftakt hat Lust auf mehr gemacht - trotz der in Hockenheim eindeutigen Kräfteverhältnisse:

Audi ist mit dem neuen Auto ein großer Wurf gelungen. Seit Freitag hatten Mattias Ekström und Timo Scheider ihre Abstimmung kaum noch verändern müssen. Sie konnten sich voll auf die verschiedenen Streckenbedingungen und Setup-Details wie den Reifendruck konzentrieren, nachdem die Strecke wegen der Regenfälle zunächst sehr wenig Grip bot. Am gesamten Wochenende ist aufgefallen, dass der neue A4 in den schnellen und mittelschnellen Kurven viel Zeit gutmachen konnte - der aerodynamische Grip und die Balance sind auf einem hohen Niveau. Das Auto ist in kritischen Situation sehr gut kontrollierbar; es gibt ein präzises Feedback.

Der Mercedes hingegen spielt beim Herausbeschleunigen aus den unteren Gängen seine Stärken aus - und ist mit Blick auf den mechanischen Grip und die Traktion nach wie vor überlegen. Eine Chance auf den dritten Platz hinter Mattias Ekström und Timo Scheider hätte jedoch, wenn überhaupt, nur Paul di Resta ohne seinen missglückten Boxenstopp gehabt. Er war mit seiner schnellsten Rennrunde um rund sieben Zehntel schneller als seine Teamkollegen - eine beachtliche Leistung.

Timo stärker denn je

Den stärksten Eindruck in Audi-Reihen hat Timo hinterlassen: Er war in den Trainings, im Qualifying und im Warm-up vorn, und auch im Rennen hätte er vermutlich schneller fahren können, wäre er denn am Start vor Mattias geblieben. Doch auch wenn Timo das Startduell verloren hat, sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden: Er ist in diesem Jahr stärker denn je. Mattias weiß nun, dass er nun nicht nur durch Martin, sondern auch durch Timo teamintern eine starke Konkurrenz bekommen hat.

Tom Kristensen war über die Distanz noch nicht ganz auf einem Level mit seinen Teamkollegen. Er ist sauberes Rennen gefahren und hat einen verdienten Podestplatz eingefahren - der ihm mental mit Sicherheit gut getan hat. Martin Tomczyk hatte schon am Start einige Plätze verloren, ist dann jedoch weit nach vorne gefahren und hat Bruno Spengler stark unter Druck setzen können. Bruno musste sich mit allen Mitteln wehren - und doch haben sich die beiden einen sehenswerten und fairen Zweikampf geliefert.

Oliver Jarvis hinterließ unter den Debütanten den stärksten Eindruck, Foto: DTM
Oliver Jarvis hinterließ unter den Debütanten den stärksten Eindruck, Foto: DTM

Die vier Neulinge haben sich an ihrem ersten Rennwochenende unterschiedlich geschlagen. Katherine Legge ist bei ihrem Debüt sehr unauffällig geblieben. Sie hat sich im Rennen schwer getan und wohl spätestens jetzt erkannt, dass die DTM eine extrem schwierige Aufgabe für sie ist. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich vom letzten Platz lösen kann - denn in Hockenheim hatte sie mit ähnlichen Rückständen zu kämpfen wie ihrerzeit Vanina Ickx. Ihr Markenkollege Oliver Jarvis wusste als stärkster Audi-Jahreswagenpilot mit einem extrem starken Einstand zu überzeugen. Während Oliver mit dem Background seiner Formel-3-Erfolge und mit viel Selbstbewusstsein an seine Aufgabe heranging, muss sich Maro Engel zunächst noch orientieren - und mittelfristig zeigen, wie sein Potenzial einzuschätzen ist.

Viel Potenzial bei Ralf

Olivers Leistung hat im Vergleich mit Ralf Schumacher ein weiteres Mal gezeigt, dass es von Vorteil ist, aus der Formel 3 in die DTM umzusteigen. Der Fahrstil, der in der Formel 3 gefragt ist, ist dem im DTM-Auto sehr ähnlich. Ralf tut sich nach zehn Jahren Formel 1 umso schwerer. Sein Debüt ist ähnlich verlaufen, wie er es selbst prognostiziert hat. Er ist seinen Einstand realistisch und locker angegangen. Wenn er seine aktuelle Einstellung beibehalten kann, wird er noch viel Potenzial zeigen. Im Vergleich zu Gary Paffett war sein Rückstand durchaus überschaubar - und auch für Ralf war das Überholen in Hockenheim nicht einfach.

Die Überholproblematik war beim Saisonauftakt nichts Neues: Die Autos werden aerodynamisch von Jahr zu Jahr ausgefeilter und damit immer empfindlicher für die verwirbelte Luft des Vordermanns. Wie im Vorjahr müssen mindestens 15 bis 20 Meter Abstand gehalten werden, um nicht den Abtrieb zu verlieren und sich mit einem untersteuernden Fahrzeug die Vorderreifen zu ruinieren. Stattdessen mit einer aggressiven Strategie bedeutende Positionssprünge zu machen, ist mit dem neuen Boxenstoppfenster unmöglich geworden. Doch was nützen taktische Freiheiten am Kommandostand, wenn die Rennen für den Zuschauer nicht mehr nachvollziehbar sind? Die Fans auf den Tribünen sehen keine Rundenzeiten. Sie verlieren den Überblick, wenn zwei Piloten mit 40 Sekunden Abstand, von denen einer noch keinen und einer bereits beide Stopps absolviert hat, ein "Rennen auf der Playstation" fahren.

Beste Aussichten für Audi

Für das nächste Rennen in Oschersleben ist es für Mercedes extrem schwierig, den nötigen Sprung in den Zeitenlisten zu machen. Zwar können in dieser Zeit die Achskinematik und die Gewichtsbalance optimiert, der Input aus Hockenheim umgesetzt werden. Konstruktiv muss sich Mercedes beim zweiten Lauf jedoch mit den Stärken und Schwächen der aktuellen C-Klasse abfinden. Oschersleben ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre als Audi-Strecke bekannt - doch auch im letzten Jahr hat in Hockenheim ein Audi und in Oschersleben ein Mercedes gewonnen.

Die starke Traktion könnte in der langsamen Motorsport Arena durchaus für Mercedes sprechen. Dem stehen jedoch die mittelschnellen Passagen gegenüber, die für Audi von Vorteil sind. Die Audi-Jungs können dem nächsten Rennen entspannt entgegensehen. Fest steht aber auch: HWA und allen voran Gerhard Ungar darf man nie unterschätzen - vielleicht finden sie noch den Stein der Weisen...