Der Zuschauer will Spektakel sehen. Er will Fahrer sehen, die sich gegenseitig beharken. Wenn dies wie in Hockenheim in Formvollendung geschieht, macht das jedem Freude: Beim Saisonfinale wurde den Zuschauern ein Rennen geboten, das mit Blick auf die Saison 2008 Lust auf mehr weckt. Die Zahl der Zuschauer vor Ort und an den TV-Geräten hat dabei gezeigt, dass der befürchtete Schaden für die DTM durch das Rennen in Barcelona ausgeblieben ist. So durfte ein Rekordpublikum mitverfolgen, wie Mattias Ekström verdient seinen zweiten DTM-Titel einfuhr. Mattias ist unter schwierigen Bedingungen ein Rennen zu Ende gefahren, das ihn auch mental an seine Grenzen geführt hat.

Für Jamie Green ist der Knoten geplatzt - ob er doch noch ein HWA-Cockpit für 2008 erhält?, Foto: DTM
Für Jamie Green ist der Knoten geplatzt - ob er doch noch ein HWA-Cockpit für 2008 erhält?, Foto: DTM

Am Start verpasste Jamie Green die Chance, sich von Beginn an vor Mattias zu setzen. Er arbeitete sich erst in der Spitzkehre nach vorne, wo es zu Turbulenzen kam, die Martin Tomczyk - eingeklemmt zwischen Jamie und Timo Scheider - zum Verhängnis wurden. Timo ist über die Randsteine ausgewichen, bevor er von außen zurück auf die Strecke kam. Er konnte Martin nicht sehen und hat ihn getroffen - das ist leider dumm für Martin gelaufen. Ohne diesen Vorfall hätte er sehr gute Chancen gehabt, denn Timo stellte mit seiner Performance unter Beweis, was im aktuellen Audi auch für Martin möglich gewesen wäre. Nach wenigen Runden hatte Mattias mit Handling-Problemen zu kämpfen, die im internen Titelkampf vielleicht die Entscheidung zu Gunsten Martins bedeutet hätten.

Ekström mit Kampfgeist

So bekam Mattias ein extremes Übersteuern, das er während der ersten Runden auf neuen Reifen noch hatte kompensieren können. Als seine Hinterreifen immer mehr abbauten, merkte er, dass er die Pace der Konkurrenz nicht mehr mitgehen konnte. Es kam zum Einbruch der Rundenzeiten - bevor Mattias seinen Kampfgeist zurückgewann und die Performance wieder etwas besser wurde. Während der Boxenstopps konnte durch einen veränderten Reifendruck möglicherweise noch gegengesteuert werden, doch mit dem Basis-Setup musste sich Mattias abfinden. Offenbar hatte der starke Temperaturanstieg bis zum Rennen dafür gesorgt, dass die im Warm-Up erarbeitete Abstimmung am Nachmittag nicht mehr passte. Hierbei hat sich erneut gezeigt, wie sensibel die DTM-Boliden auf die verschiedenen Parameter reagieren.

Im Rennverlauf gab es zahlreiche harte, aber faire Duelle, zu denen insbesondere Bruno Spengler beigetragen hat: Bruno ist kompromisslos in die Zweikämpfe gegangen - und ist das bisher beste Rennen seiner DTM-Karriere gefahren. Das von ihm kritisierte Verhalten der Audi-Jahreswagen ist eigentlich nicht mehr der Rede wert, denn die Problematik der Pflichtboxenstopps und der Rennstrategien der älteren Fahrzeuge ist bekannt. Über das Jahr hinweg gesehen hat jeder Neuwagenpilot schon die Erfahrung gemacht, rundenlang hinter den Jahreswagen der gegnerischen Marke festzustecken. Ob es zwischen Audi und Mercedes Absprachen gab, wonach Blockaden durch die 2006er-Fahrzeuge diesmal auf beiden Seiten vermieden werden sollten, ist nicht nachvollziehbar. Doch zu beobachten war: Als Bruno auf das Duo aus Paul Di Resta und Mike Rockenfeller auflief, steuerte Paul die Boxen an. Mike hingegen fuhr, bis ihm der Sprit ausging. Dazu kann sich jeder seinen Teil denken.

Neben Mattias durfte auch Jamie Green jubeln, nachdem er gezeigt hatte, dass sein Sieg von Barcelona keine Eintagsfliege war. Jamie hat eine bemerkenswerte Steigerung und ein tolles Rennen hingelegt, das er nach seinem Überholmanöver gegen Mattias souverän kontrollieren konnte. Mit dieser Leistung hat sich Jamie möglicherweise in letzter Sekunde noch zum Kandidaten für ein HWA-Cockpit in der kommenden Saison gemausert. Mika Häkkinen hingegen befand sich im absoluten Formtief: Die Sportstrafe von Barcelona setzte ihm mental noch mehr zu, als er es selbst für möglich gehalten hätte. Mika wirkte lustlos, seine Performance litt sichtlich - und er zeigte unfreiwillig: Wer in der DTM nicht 100 Prozent gibt, fährt selbst im Neuwagen am Ende des Feldes.

Saison mit vielen Lehren

Mit Mattias Ekström sah die DTM einen verdienten Meister, Foto: Sutton
Mit Mattias Ekström sah die DTM einen verdienten Meister, Foto: Sutton

Insgesamt haben wir eine hart umkämpfte Saison mit Höhen und Tiefen gesehen. Das Jahr hat für Schlagzeilen gesorgt, die durchaus nicht nur schädlich waren. Nun ist es wichtig, sowohl bei der ITR als auch beim DMSB aus den Fehlern der Saison 2007 zu lernen - zu denen insbesondere so manche Unklarheit für den Zuschauer gehörte: Wer an der Boxenausfahrt eine rote Ampel überfährt, gehört bestraft. Werden in einem Streckensektor, in dem gelbe Flaggen geschwenkt werden, persönliche Bestzeiten gefahren, gehören alle Betroffenen bestraft - ob es drei oder 13 an der Zahl sind. Für 2008 muss eine klare Linie eingeschlagen werden, die nicht nur für Fahrer und Teams, sondern vor allem auch für die Fans verständlich ist.

Auch auf die Entwicklung, die Jahreswagen vermehrt als strategisches Mittel einzusetzen, muss reagiert werden - möglicherweise mit der Abschaffung der Pflichtboxenstopps, wie sie Norbert Haug ins Gespräch brachte. Was in der Formel 1 funktioniert, muss in der DTM nicht zwingend von Nutzen sein. Die DTM muss hier ihren eigenen Weg gehen, um auch den Jahreswagenteams und -fahrern die Chance zu geben, ihr volles Potenzial zu zeigen. Die Teams sollten ohne die Zwänge des Herstellers eigenständiger entscheiden dürfen - ob in technischer oder rennstrategischer Hinsicht. So kämen auch die jüngeren Fahrer in ihren Jahres- und Gebrauchtwagen besser zum Zuge. Ob Paul Di Resta, Mike Rockenfeller, Daniel La Rosa, Alexandros Margaritis oder auch Lucas Luhr, der sein Können leider noch nicht zeigen konnte: Sie alle sind viel versprechende Talente und haben es verdient, künftig über die gesamte Saison hinweg ihre eigenen Rennen zu fahren.