Schon seit drei Wochen war klar, dass das Saisonfinale in Hockenheim für die gesamte DTM nicht zum Spaziergang wurde. Nach den Erfahrungen von Barcelona durfte über alles spekuliert werden - von einer verkrampften Prozessionsfahrt bis hin zum erneuten Eklat. Für die DTM-Welt ebenso wie für Mattias Ekström wurde das Ergebnis des Hockenheimrennens zur schweren Geburt - mit gutem Ausgang.

Keine Frühgeburten

Zum Saisonende gelang Jamie Green, was kaum noch jemand von ihm erwartet hätte, Foto: Sutton
Zum Saisonende gelang Jamie Green, was kaum noch jemand von ihm erwartet hätte, Foto: Sutton

Vor wenigen Wochen waren sie in der Punktetabelle noch abgeschlagen hinter ihren drei Abt- und HWA-Teamkollegen platziert. Nun gaben Jamie Green und Timo Scheider teamintern die Pace vor - und wurden belohnt. "Jetzt die richtigen Worte zu finden, ist schwierig. Geil - das trifft es vielleicht. Ein Riesendank an Audi und die Äbte. Sie haben eine unglaublich gute Strategie erarbeitet. Das Auto war vom Anfang bis zum Ende perfekt", kommentierte Scheider auf Rang zwei seinen lang ersehnten ersten Podestplatz, auf den er fast 80 DTM-Rennen hatte warten müssen. Dass Scheider während seiner Flucht nach vorne stets in Alarmbereitschaft war, Ekström bei Bedarf unter die Arme zu greifen, unterstrich die fahrerische Souveränität des Lahnsteiners, mit dem 2008 von Beginn an zu rechnen sein wird.

War Greens erster Sieg im 30. Rennen vor drei Wochen noch vom allgemeinen Chaos in Barcelona überschattet gewesen, so ließ der Brite diesmal keinen Zweifel daran, dass er auch unter normalen Umständen zu siegen imstande ist. "Ich war glücklich mit meiner Performance, das Auto hat perfekt funktioniert. Ich bin überglücklich; ich habe alle meine Gegner auf der Strecke überholt", berichtete der HWA-Pilot zu Recht mit Stolz. Ganz nebenbei gelang Green die schnellste Runde des Rennens - womit er unter Beweis stellte, dass sich die aktuelle C-Klasse trotz des Gewichtsnachteils von zehn Kilogramm von ihrem Performance-Tief der beiden Vortage erholt hatte. Auch mit einem perfekt ausbalancierten A4 DTM hätte es Mattias Ekström wohl schwer gehabt, den endlich zur Hochform aufgelaufenen Briten hinter sich zu halten.

Schwere Titelgeburt

Martin Tomczyk musste sich Mattias Ekström geschlagen geben, Foto: Audi
Martin Tomczyk musste sich Mattias Ekström geschlagen geben, Foto: Audi

Schon nach kaum mehr als zwei Kilometern war der Dreikampf um den Titel zum Duell zwischen Mattias Ekström und Bruno Spengler geworden. Mit einem guten Start setzte sich Martin Tomczyk zunächst auf Rang vier vor Jamie Green, bevor in der Spitzkehre sein Schicksal als Meisterschaftsdritter bereits besiegelt war. "Zuerst bin ich in die Zwickmühle zwischen Timo und Jamie geraten. Dann war der Reifen kaputt und ich bin vor der Mercedes-Arena geradeaus geschossen", schildert Tomczyk eine folgenreiche Berührung, die ihn zum unfreiwilligen Boxenstopp zwang. Timo Scheider konnte sich Kritik am späteren Rennsieger nicht verkneifen: "Hätte ihm Jamie innen Platz gelassen, wäre es für Martin einfacher gewesen. Martin hat mir keine Schuld gegeben. Ich kam zurück auf die Strecke und konnte im toten Winkel nicht sehen, wer sich wo befindet." Am Ende wurde Tomczyk nach einer überzeugenden Aufholjagd noch Neunter - und zeigte so, wozu er unter normalen Umständen fähig gewesen wäre.

Ohnehin hatte sich Audi den Titelgewinn weitaus einfacher vorgestellt. "Audi Sport gewinnt vorzeitig die DTM 2007." So behauptete es bis heute Morgen ein virtueller Audi-Flyer, der von der Homepage "schnellerfahren.com" verlinkt wurde - eine Persiflage auf die Mercedes-Kampagne "selberfahren.com", die zu einer Probefahrt in der neuen C-Klasse anregen soll. Am Ende entschied Mattias Ekström den Titel nicht vorzeitig, sondern nach einer langen Zitterpartie für sich. Mühelos schien Ekström in Führung liegend dem Feld davonzuziehen, bis ihn starke Balance-Probleme ereilten: "In den ersten fünf Runden habe ich alles gegeben, dann hatten wir zu viel Übersteuern. Nach sieben Runden wurde es extrem anstrengend, denn das Handling des Autos hat extrem viel Konzentration erfordert", berichtete der Schwede, dessen Titel bis zuletzt in Gefahr war: "Bruno kam im Rückspiegel immer näher - es wurde knapp."

Spanische Nachwehen

Bruno Spengler war verärgert über die Rennstrategien der Audi-Jahreswagen, Foto: DTM
Bruno Spengler war verärgert über die Rennstrategien der Audi-Jahreswagen, Foto: DTM

Den Audi-Fans unter den Zuschauern rutschte das Herz in die Hose, als Jamie Green ohne jede Anstrengung am zunächst immer langsamer werdenden Ekström vorbeizog. Zwar stabiliserten sich die Rundenzeiten des Schweden rasch wieder auf einem zumindest durchschnittlichen Niveau. Doch Ekström durfte dankbar sein, dass ihn seine Teamkollegen sowie der Kommandostand mit einer perfekten Rennstrategie auch diesmal nicht im Stich ließen. Nachdem zunächst Scheider den zweifachen DTM-Champion von hinten abschirmte, tat Tom Kristensen sein Möglichstes, Bruno Spengler und Bernd Schneider das Leben schwer zu machen. "Ich wurde zu frühen Boxenstopps gebeten, was natürlich für mich nicht das Beste war, aber es hat geholfen: Wenn die Mercedes mich überholen wollten, mussten sie das auf der Strecke schaffen", verriet Kristensen, dessen Pneus während des langen letzten Stints nachließen. Dass er im Kampf gegen Schneider eine Verwarnung der Rennleitung kassierte, konnte er nicht nachvollziehen: "Ich habe einmal Schneider berührt, einmal Spengler. Auf jeden Fall waren es keine unfairen Aktionen."

In Reihen der Stuttgarter war man von der Fairness der Ingolstädter weniger überzeugt. "Wir wollten ein faires Finale, aber Audi hat das anders gesehen. Wie eigentlich auch schon die gesamte Saison hinweg - Audi hat mehr für das Team gekämpft, wir mehr für den Sport", erregte sich Bruno Spengler, der sich insbesondere über angebliche Blockaden durch die Jahreswagen ärgerte: "Die Fairness war nicht auf beiden Seiten dieselbe. Ich habe viel Zeit hinter Prémat und Rockenfeller verloren, ich bin oft berührt worden und musste große Risiken eingehen, um die Jahreswagen zu überholen." Auch Bernd Schneider und Alexandros Margaritis monierten die Sportlichkeit des Konkurrenz - ein Zwist trat zutage, den die beiden Sportchefs auf der Pressekonferenz noch verhindern konnten.

Wiedergeburt des Sports

Zumindest beim Saisonfinale litt die Transparenz nicht unter den Boxenstopps, Foto: Sutton
Zumindest beim Saisonfinale litt die Transparenz nicht unter den Boxenstopps, Foto: Sutton

Ein wenig Brisanz konnte dennoch nicht schaden, zumal der Finallauf im Allgemeinen äußerst fair über die Bühne ging. In insgesamt zwei Verwarnungen erschöpften sich die Strafen der Rennleitung, obwohl die Sportkommissare im Anschluss an das Barcelona-Rennen eine härtere Richtung als zuvor eingeschlagen hatten. Wurde noch in Spanien so manchem Titelkandidaten bereits der erste Zweikampf im Verhängnis, so war insbesondere Spengler in der Spitzkehre in zahllose beherzte Duelle involviert, die er immer wieder für sich entschied. Der gestern auf höchstem fahrerischen Niveau kämpfende Kanadier kam ohne Schäden an seiner aktuellen C-Klasse durch das Rennen. Derweil steckte Ekström noch der Schock von Barcelona in den Knochen, wie Jamie Green nach seinem erfolgreichen Manöver gegen den Schweden bestand: "Ich bin innen hineingestochen und ging vorbei - wobei er sich in seiner Situation natürlich auch extrem vorsichtig in diesem Zweikampf verhalten hat. Das war mein Vorteil."

Trotz aller Diskussionen um die Rennstrategien der Audi-Jahreswagen musste am Ende auch Norbert Haug gestehen: "Heute haben die beiden Stopps zu einem tollen Rennen beigetragen." Anders als noch beim Saisonauftakt führte die Handhabung der beiden Boxenstopps beim Finale nicht zu mangelnder Transparenz für den Zuschauer. Und doch stehen die beiden traditionellen Pflichtboxenstopps ebenso wie einige andere Elemente des Sportlichen Reglements möglicherweise zur Diskussion. "Wir sollten das Thema über den Winter besprechen - hier müssen wir konstruktiv am Reglement arbeiten, auch was den Strafenkatalog betrifft. Wenn es mit null Stopps besser gehen sollte, machen wir es mit null Stopps", verriet Haug. Von einer sterbenden DTM war in Hockenheim nicht mehr die Rede...