Der Kontrast könnte kaum größer sein: Drei Wochen nach dem Rennen auf dem hochmodernen EuroSpeedway Lausitz begibt sich die DTM auf ein Motorsportareal, das beinahe musealen Charakter hat. 81 Jahre nach den ersten - damals noch auf einer Grasbahn ausgetragenen - Rennen in Brands Hatch wagen Audi und Mercedes ihr zweites Gastspiel auf jenem traditionsreichen Kurs, der trotz der Nähe zu London provinziell wirkt wie keine andere Strecke im Rennkalender. Stand in der Lausitz theoretisch ein ganzes Dutzend an Streckenvarianten zur Verfügung, so stehen in England derer nur zwei zur Wahl. Wie schon 2006 befährt die DTM die Kurzversion des Kurses, der aus einer Runde einen außergewöhnlich kurzen Prozess macht...

Kurze Reise durch Berg und Tal

Der britische Traditionskurs ist gerade in seiner Kurzform ein Unikat, Foto: Sutton
Der britische Traditionskurs ist gerade in seiner Kurzform ein Unikat, Foto: Sutton

Dass auch sie mittlerweile 48 Jahre auf dem Buckel hat, kann die nur 1,929 lange Indy-Variante kaum verbergen: Grotesk einfach wirkt der Kurs bei Ansicht einer Streckenskizze - um sich für die Piloten im DTM-Boliden umso tückenreicher zu präsentieren. Die beträchtlichen Höhenunterschiede bedeuten ein stetiges Auf und Ab, das bei der Wahl der Bremspunkte berücksichtigt werden will. Während der ersten ITR-Tests 2006 unterliefen trotz gemächlichen Kilometersammels so viele Fahrfehler, dass aus Sicht der Piloten drei Monate später ein Chaosrennen programmiert schien...

Es kam anders - doch die eher altertümlichen Sicherheitsstandards blieben auch nach weiteren Verbesserungen im vergangenen Jahr im Fokus der Piloten. So regten sie weitere Detailänderungen an, die im Fall der Fälle das Schlimmste verhindern sollen. "Ausgangs der Zielkurve haben wir das Kiesbett ein bisschen erhöht, damit wir mehr Auslaufzone haben", berichtet Christian Abt. Auch der mittlere Streckenteil rund um die schnelle Doppellinks sei durch ein weiteres Kiesbett sicherer geworden.

Neben der Kürze des Kurses trägt auch die schnelle Streckencharakteristik dazu bei, dass - wie Tom Kristensen 2006 bewies - im Qualifying-Trimm 42 Sekunden für eine Umrundung reichen. Lediglich in der Druids-Kehre unterschreiten die Piloten die 100 km/h-Marke und müssen anschließend aus dem zweiten Gang herausbeschleunigen. Dass die wenigen Geraden ihren Namen kaum verdienen, macht die Rundenzahl im Rennen aus Sicht Bernd Schneiders ermüdend: "82 Runden auf so einer kurzen Strecke erfordern eine Stunde lang höchste Konzentration und sind auch physisch sehr anstrengend."

Kurzer Prozess mit Abt-Audi?

2006 begeisterte Audi seine Fans mit einer überlegenen Performance, Foto: Sutton
2006 begeisterte Audi seine Fans mit einer überlegenen Performance, Foto: Sutton

Die trotz anders lautender Durchhalteparolen zunächst irritierende Punktearmut der neuen Mercedes C-Klasse ist spätestens seit dem Qualifying auf dem EuroSpeedway vergessen, bei den Stuttgartern kehrt nach dem ersten Sieg des 2007er-Modells das alte Selbstvertrauen zurück. Der Ärger darüber, dass von der Halbierung der Lausitz-Punkte gleich sieben Mercedes-Piloten betroffen waren, dürfte in Brands Hatch mit Blick auf die Gewichtstabelle verfliegen: Nachdem auch Gewichtszu- und -abnahmen um die Hälfte reduziert wurden, beträgt der Gewichtsvorteil der Stuttgarter nach wie vor beträchtliche 21 Kilogramm.

Und wenngleich sich Audi 2006 mit einem gelungenen Setup in Brands Hatch eindeutig stärker präsentiert hatte als Mercedes, schwingen wie schon in der Lausitz Zweifel an der Siegfähigkeit der Audi-Neuwagen mit. "Unsere 07er-Autos haben noch immer wesentlich mehr Zusatzgewicht als die neuen Mercedes. Ich hoffe, dass wir trotzdem auch mit dem neuen A4 podiumsfähig sein werden", lässt Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich durchklingen, dass man insgeheim auf Schadensbegrenzung durch die im generationsinternen Vergleich 31,5 Kilogramm leichteren Jahreswagen setzt.

Der Berg- und -Tal-Charakter des Kurses lässt die Zusatzgewichte naturgemäß einen umso größeren Klotz am Unterboden sein, das flüssige Layout des Kurses egalisiert den Traktionsvorteil übergewichtiger DTM-Boliden fast vollständig. Dass man bei Audi gerade im Qualifying wesentlich glücklicher agiert als noch in der Lausitz, ist gerade im engen und überholfeindlichen Brands Hatch für die Audi-Neuwagen umso wichtiger - will die Abt-Audi-Truppe nicht zum dritten Mal in Folge ohne Podestplatz abreisen...

Lange Lokalhelden-Liste

Fahrer aus allen Teilen Großbritanniens besetzen ein Viertel der DTM-Cockpits, Foto: DTM
Fahrer aus allen Teilen Großbritanniens besetzen ein Viertel der DTM-Cockpits, Foto: DTM

Dass die letztjährige Zahl von 21.000 Zuschauern trotz begrenzter Kapazitäten des kurzen Kurses noch überboten werden kann, steht angesichts von fünf Lokalmatadoren außer Frage. Während sich Jamie Green im HWA-Mercedes nach - von einem fatalen Verbremser abgesehen - überzeugenden Leistungen im vergangenen Jahr der Unterstützung der Fans sicher sein kann, buhlen insbesondere im Jahres- und Gebrauchtwagenlager britische Sieg- und Punkteanwärter um die Gunst der Einheimischen.

"Schon jetzt ist die DTM im britischen Fernsehen präsenter als zuvor", berichtet Adam Carroll als einziger Brite aus dem Audi-Lager, während Gary Paffett ein seit Peter Dumbreck & Co. stetig steigendes Interesse der motorsportbegeisterten Briten sieht: "Die DTM genießt auch in England Aufmerksamkeit, denn seit Beginn fahren Briten in der neuen DTM. Die Briten haben mit der Zeit immer mehr über die DTM gelernt." Mit der wohl bislang ungewöhnlichsten DTM-Saison seit 2000 könnten allerdings selbst die im Motorsportbereich tatsächlich nicht ungebildeten Briten intellektuelle Probleme bekommen:

Sollte der Meisterschaftszweite Mattias Ekström ihn nicht gleich um vier Punkte übertrumpfen, bleibt mit Paul Di Resta ein schottischer Debütant im Mercedes-Oldtimer Führender der Meisterschaft. Einen Umstand, den der 21-Jährige mit durchaus nicht schlechten Chancen aufrecht erhalten will: "Ich werde alles geben, um meine Führung vor meinen Landsleuten zu verteidigen." Der Beliebtheit der DTM in Großbritannien wäre so gewiss nicht geschadet - und die Gedankenspiele Adam Carrolls wären gar nicht so abwegig: "Wir haben nur ein Rennen im Vereinigten Königreich - angesichts der großen Zahl britischer Piloten finde ich das kurios..."