Nebelschwaden verhindern nach wie vor einen halbwegs ungetrübten Blick auf die DTM-Bühne des Jahres 2007, nur in homöopathischen Dosen dringen bislang Details zur kommenden Saison durch. Beste Bedingungen, der Fantasie freien Lauf zu lassen und, wie bei uns bereits vor jedem Rennsonntag gewohnt, zwei mögliche - unüberlesbar nicht ganz ernst gemeinte - Szenarien durchzuspielen. Das zweite fände bei Audi mehr Anhänger als bei Mercedes...

Das zweite Szenario

Mit selbstbewusstem Scheinwerferblick steht sie in den HWA-Boxen, im Profil wirkt sie durchtrainiert und muskulös: Die neue C-Klasse macht etwas her - und lässt den altehrwürdigen Audi A4 DTM beinahe zierlich wirken. Hält der neue Mercedes-Bolide, was er verspricht? Zunächst scheint es so. Beim Saisonauftakt in Hockenheim sichert sich Jamie Green die Pole Position, die Startaufstellung verspricht Spannung: Auf den Plätzen 3, 5 und 7 haben sich die weiteren HWA-Vertreter Mika Häkkinen, Bernd Schneider und Bruno Spengler eingefunden; parallel warten auf den Rängen 2, 4, 6 und 8 Tom Kristensen, Mattias Ekström, Martin Tomczyk und Timo Scheider in ihren Abt-Neuwagen auf ihre Chance.

Taugt dieses Fahrzeug auf seine alten Tage zur Mercedes-Speerspitze?, Foto: Sutton
Taugt dieses Fahrzeug auf seine alten Tage zur Mercedes-Speerspitze?, Foto: Sutton

Nach einer mäßig erfolgreichen Saison 2006 sieht sich Green vor der Wende: Stolz berichtet er den Medienvertretern von seinen unzähligen Startübungen, die er daheim sowohl an der Playstation als auch mit dem Privatfahrzeug in der Garageneinfahrt durchgeführt habe, wo er immerhin seinen Neffen im Tretauto souverän hinter sich ließ. Die Mühen des Briten bleiben unbelohnt: Beim Start zum ersten Saisonlauf würgt er den Motor ab - doch damit nicht genug: Nachdem ihm die irritierten HWA-Kollegen allesamt auffahren, steht einem Doppelsieg für Kristensen und Ekström nichts mehr im Wege. Gary Paffett, der im Persson-Jahreswagen sein Comeback gibt, sorgt mit Rang drei für Furore.

Die Schmach des Misserfolgs auf der schwäbischen Hausstrecke wollen die Stuttgarter in Oschersleben hinter sich lassen, hat man doch zuvor bei weiteren Testfahrten nochmals am Basis-Setup gefeilt und - als Reaktion auf erneute Sturmwarnungen - das Dach des Motorhomes verstärkt. Tatsächlich hält die Teambehausung den gewohnten Unwettern stand, zudem führt Bernd Schneider das Rennen lange souverän an - bis die C-Klasse des Saarländers durch eine Windböe ihres Dachs entledigt wird. Vorsorglich zieht der Mercedes-Kommandostand auch die restlichen drei 2007er-Fahrzeuge aus dem Rennen zurück, Tom Kristensen führt einen Audi-Vierfachsieg an. Paffett wird mit Rang fünf bester Mercedes-Pilot.

Fährt dieser Mann den ersten DTM-Sieg eines Dreirads ein?, Foto: DTM
Fährt dieser Mann den ersten DTM-Sieg eines Dreirads ein?, Foto: DTM

Im Wissen, dass das Blechdach der DTM-C-Klasse genauso auch in der Serienversion verbaut wird, laufen die einst stolzen Fahrer des brandneuen Mittelklasse-Benz bei ihren Vertragswerkstätten Sturm. In der Stuttgarter Konzernzentrale sieht man sich zu einer peinlichen Rückrufaktion gezwungen, die Ersatzteilengpässe aufkommen lässt. Die empörten Privatkunden werden bevorzugt behandelt, die hauseigene DTM-Flotte muss warten. Beim dritten Saisonlauf auf dem EuroSpeedway Lausitz tritt HWA nach erfolgter Sondergenehmigung mit vier C-Klasse-Cabrios an - die damit verbundenen aerodynamischen Nachteile lassen sich indes nicht ausgleichen: Tom Kristensen triumphiert.

Nachdem sich die C-Klasse in Brands Hatch auch in klassischer Limousinenversion außer Form zeigt und Kristensen nach gebrochener Vorderradaufhängung selbst mit der innovativen Dreiradversion des Audi A4 triumphiert, folgt für die Stuttgarter auf dem Norisring ein Lichtblick: Hospitality- und Fahrzeugdächer halten den Luftverwirbelungen durch flatternde Enten auf dem Dutzendteich stand, Christian Abts Jahreswagen wird aus Sicherheitsgründen ferngesteuert, Jamie Green gewinnt das Audi-Heimspiel - dicht gefolgt von Gary Paffett. Auch Mika Häkkinen zeigt sich nach Platz drei für das kommende Gastspiel im Mugello zuversichtlich und führt das sechste Rennen in Italien tatsächlich an. Was folgt, sind ein Schaltfehler, blockierende Hinterräder und der damit verbundene Rutsch ins Kiesbett. Der Finne erleidet im Gebüsch einen Heulkrampf und lässt sich für vier Wochen in einer Nervenklinik behandeln.

Ist dieser Kurs käuflich?, Foto: adrivo Sportpresse
Ist dieser Kurs käuflich?, Foto: adrivo Sportpresse

Häkkinens Vertretung in Zandvoort heißt Heinz-Harald Frentzen. Für sein unverhofftes DTM-Comeback hat sich der Mönchengladbacher viel vorgenommen, doch sein Dienstwagen bereitet ihm keine Freude. In der letzten Session des Qualifyings schlägt Frentzen in die Leitplanken ein, entkommt dem Wrack unverletzt und bereitet seinen HWA-Mechanikern einige Überstunden. Tags darauf stellt der Ex-Audi-Pilot seine C-Klasse wenige Runden vor Schluss ab, bezeichnet sie vor laufenden Kameras als "unfahrbar" und hebt kontrastreich die Vorzüge seines früheren Dienstwagens, dem Audi A4 des Jahrgangs 2006 hervor. Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich ist von der Werbewirkung Frentzens so angetan, dass er ihm frühere Fernsehauftritte verzeiht und für den Rest der Saison den 2005er-A4 Vanina Ickx' anvertraut. Zur guten Laune des Österreichers tragen auch die Erfolge Kristensens in Zandvoort sowie auf dem Nürburgring bei.

Ein Sieg Martin Tomczyks in Barcelona wird durch den vorzeitigen Titelgewinn des Dänen, zu dem ein achter Platz reicht, abgerundet, wenngleich dieser zunächst zittern muss: Nach einem missglückten Qualifying hat sich Kristensen zuvor durch das Mittelfeld kämpfen müssen und dabei Titelverteidiger Bernd Schneider berührt. Norbert Haug ist außer sich vor Wut - und fordert die Disqualifikation des Abt-Piloten, um die Titelchancen von Persson-Pilot und Mercedes-Speerspitze Gary Paffett aufrechtzuerhalten. Ohne Erfolg.

Um zumindest in Frankreich ein gutes Bild zu hinterlassen, rüstet Mercedes Frankokanadier Bruno Spengler für den zehnten Saisonlauf in Magny-Cours mit einer 2006er-C-Klasse aus. Nachdem sich die von der feucht-fröhlichen Titelfeier noch sichtlich geschafften Abt-Piloten auf dem unbekannten Kurs in der französischen Provinz verfahren und schließlich auf einer Kuhwiese stranden, landen Spengler und Paffett in ihren Jahreswagen tatsächlich einen Doppelsieg. So endet die Saison 2007 wider Erwarten mit einem Mercedes-Sieg - haben die Stuttgarter doch den finanzschwachen Hockenheimring mit einem Millionendeal dazu gebracht, auf die Austragung des Finallaufs zu verzichten und bis zum Jahresende als Teststrecke für die neue C-Klasse zur Verfügung zu stehen...