Deutschland zwischen Freudentaumel und Trauerspiel: Die Fußball-WM sowie die Klinsmann-Elf fesseln die Nation an Fernsehbildschirme, Großleinwände und Stadionsitze, in den Folgewochen kehrt mit den lautstark zelebrierten Querelen der Großen Koalition der Alltag ein. Ein Alltag, zu dem auch die Seriensiege des deutschen Vorzeigesportlers Michael Schumacher gehörten - bis sich dieser nach einem hartem WM-Gefecht mit Fernando Alonso unter den Tränen seiner von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen millionenfach vorhandenen Fans endgültig aus der Formel 1 zurückzieht. Dass trotz aller Begleiterscheinungen auch genügend Blicke auf die Deutsche Tourenwagen Masters fielen, überrascht angesichts des Saisonverlaufs nicht...

Januar: Frentzen & Sponsor in aller Munde

Der Vectra verlässt die DTM - sein M'gladbacher Fahrer denkt (noch) nicht daran, Foto: Sutton
Der Vectra verlässt die DTM - sein M'gladbacher Fahrer denkt (noch) nicht daran, Foto: Sutton

Das DTM-Jahr beginnt traditionsgemäß unspektakulär. Während bei OPC Ruhe eingekehrt ist und sich die nicht für den Privateinsatz freigegebenen Opel Vectra GTS des Vorjahres ebenso wie ihre biederen Serienpendants in den Opel-Verkaufsräumen die Räder in die Karosserie stehen, herrscht bei Audi und Mercedes geschäftiges Treiben - allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. So hätte der nach langen organisatorischen Querelen endlich fertig gestellte Rennkalender, der aus der angekündigten Europäisierung eine "Europäisierung light" werden lässt, fast schon zur mäßig interessanten Schlagzeile des Monats getaugt - wären da nicht die Ambitionen eines gewissen Ex-Vectra-Fahrers gewesen:

Nachdem sein Ex-Formel-1-Kollege Allan McNish nach einer wenig euphorisierenden DTM-Debüt- und Abschiedssaison 2005 im Audi-Langstreckenrenner das Weite sucht, nimmt Heinz-Harald Frentzen das verwaiste Neuwagencockpit ins Visier. Frentzen wird bei den Ingolstädtern mit verschränkten Armen empfangen: Zunächst muss ein Sponsor her. Dass nach langen Verhandlungen am Ende die Brauerei Veltins einspringt, stellt sich letztlich als Ironie des Schicksals heraus - konnte so mancher Frentzen-Fan das unwürdige DTM-Ende seines Idols doch vermutlich nur schwer nüchtern ertragen... Das erste Jahr des Herstellerduos aus Audi und Mercedes erlebt einen stillen wie holprigen Anfang.

Februar: Das Kräfteorakel

In Vallelunga widerlegen Ickx & Stoddart die Vorurteile über Auto fahrende Damen, Foto: DTM
In Vallelunga widerlegen Ickx & Stoddart die Vorurteile über Auto fahrende Damen, Foto: DTM

Frentzen unterschreibt bei Audi, Dr. Colin Kolles erlöst die Audi-Gebrauchtwagen des Jahrgangs 2004 von ihrer langen Standzeit und formiert sein Team Futurecom TME, das Starterfeld nimmt Formen an. Als Neulinge präsentieren Audi und Mercedes neben Mathias Lauda und Daniel La Rosa mit Vanina Ickx und Susie Stoddart zwei Damen, die auch im Rahmen der Ende Februar beginnenden ITR-Testfahrten im italienischen Vallelunga unerwartet souverän bei ihren Teams Futurecom TME und Mücke Motorsport einparken.

Was wir im Rahmen unserer Analyse noch vorsichtig als "Orakel von Vallelunga" bezeichnen, erweist sich später als tendenzielle Marschrichtung der gesamten Saison: Die neue Mercedes C-Klasse dominiert die vier Testtage, die Neuauflage des Audi A4 scheint an die Performance ihres Konkurrenten noch nicht ganz heranzureichen. Bei Audi zeigt man sich dennoch optimistisch - und findet im März bei weiteren Testfahrten in Brands Hatch Bestätigung...

März: Englische Achterbahn & Düsseldorfer Kö

Auf der Düsseldorder Kö gibt die DTM ihren Saisoneinstand, Foto: DTM
Auf der Düsseldorder Kö gibt die DTM ihren Saisoneinstand, Foto: DTM

Zwar leistet Mercedes, allen voran Mika Häkkinen, einige Gegenwehr - am Ende dürfen die Ingolstädter dennoch erleichtert aus Brands Hatch abreisen: Die Neuwagen präsentieren sich auf der Kurzversion des britischen Traditionskurses, die die Piloten mit einem eher gespaltenen Urteil bewerten, als konkurrenzfähig, die Bestzeit geht schließlich an den späteren Titelkandidaten Tom Kristensen. Auch optisch nimmt die DTM-Flotte Formen an: Der Frentzen-Audi enthüllt sein promilleträchtiges Outfit, der Playboy-Bunny hoppelt von Rüsselsheim nach Ingolstadt, das Nachrichtenmagazin Stern lässt sich fortan standesgemäß von der Marke mit dem selbigen Himmelskörper bewerben.

In Düsseldorf darf sich die DTM feiern: Nachdem sich Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich am Vorabend im Rahmen der DTM-Gala die Stimme heiser gesungen hat, lauschen in der noblen Landeshauptstadt 138.000 Fans seinen Mikro-verstärkten Statements. ARD-Moderator Claus Lufen unterstellt PR-Flagschiff Häkkinen das Schreiben von 1.697 Interviews, Oberbürgermeister Joachim Erwin zeigt sich nach einem Vergleich seiner Reisegeschwindigkeit auf Autobahnen mit dem Speed der präsentierten Rennboliden so begeistert von der DTM, dass er ausgereichnet bei der Kölner Sporthochschule die Machbarkeit eines DTM-Rennens in Düsseldorf untersuchen lässt. Die DTM mit nur zwei Herstellern erlebt einen gelungenen Auftakt. Übrigens: Mittlerweile war mit Olivier Tielemans auch die Besetzung für das letzte Cockpit ausfindig gemacht - zumindest vorübergehend...

April: Siegeszug des Altmeisters

In Klettwitz setzt Bernd Schneider seinen Siegeszug fort, Foto: DTM
In Klettwitz setzt Bernd Schneider seinen Siegeszug fort, Foto: DTM

Frentzen gegen Häkkinen, Mönchengladbach gegen Vantaa, Ex-Leichenwagenfahrer gegen Ex-Einradfahrer, Formel-1-Vizeweltmeister gegen F1-Doppelweltmeister: So hätte manch ITR-Verantwortlicher das Meisterschaftsduell der Saison 2006 gerne gesehen. Dass es anders kam, deutet sich bereits im April an: Zwar fahren Frentzen und Häkkinen bei den erstem beiden Saisonläufen in Hockenheim und Klettwitz jeweils einen Podestplatz ein - die wahren Lorbeeren ernten jedoch ihre Teamkollegen:

Augerechnet Bernd Schneider, der in den beiden Vorjahren den Abgesang auf seine DTM-Karriere mit mangelnder Konstanz und verhaltenen Qualifying-Erfolgen geradezu zu provozieren schein, gewinnt beide Rennen souverän. Im Audi-Lager fährt Tom Kristensen nicht nur deswegen jeweils dem zweiten Platz entgegen, weil bei Ex-Champion Mattias Ekström das Material der Vorderradaufhängung sowie der Durst des Audi-V8 nur allzu sparsam berechnet worden waren. Der siebenfache Le-Mans-Champion avanciert zur Audi-Speerspitze - und beschert der DTM von Mai bis August spannende Monate...