Das Ergebnis des neunten Saisonlaufs auf dem Circuit Bugatti ist hinreichend bekannt: Bruno Spengler und Mika Häkkinen sorgen für einen Mercedes-Doppelsieg; Bernd Schneider erringt seinen fünften DTM-Titel. Doch der totale Mercedes-Triumph stellte nur scheinbar das Ergebnis eines reibungslosen Rennens dar, wurde doch zuvor in Le Mans so manche Jagd ausgetragen...

Aufholjagd der deutschen Veteranen

So konträr ihre Markenzugehörigkeiten, so unterschiedlich präsentierte sich in Le Mans der Erfolg ihrer Aufholjagden: Während Heinz-Harald Frentzen infolge eines Sammelsuriums an technischen Unannehmlichkeiten am Qualifyingsamstag von Platz 14 startete, um am Ende auf Platz zehn liegend die Zielflagge zu sehen, gelang Bernd Schneider von Platz neun gestartet und auf Position fünf einlaufend zwar auf den ersten Blick nur der gleiche Positionsgewinn. Doch anders als dem Mönchengladbacher, dessen schwaches Abschneiden nicht allein mit den leichten Blessuren seines Fahrzeugs nach der Berührung mit Jamie Green zu erklären sein konnte, wurden dem Saarländer noch weitaus größere Steine in den Weg gelegt:

Die unverschuldete Verwicklung ins Startchaos sowie den Positionsverlust bis auf Rang 18 merzte Schneider im Rahmen seiner Aufholjagd so gekonnt aus, dass er seinem späteren Titelgewinn durchaus zusätzlichen Glanz zu verleihen vermochte: Mit einer gelungenen Taktik des HWA-Kommandostands, mit Vorsicht insbesondere im Kampf gegen die Ingolstädter Konkurrenz, im richtigen Moment jedoch stets mit der nötigen Portion Kampfgeist pflügte sich Schneider zunächst bis auf die rettende siebte Position durchs Feld, um mit Überholmanövern gegen Alexandros Margaritis und Jamie Green noch zwei Bonuspunkte einzufahren. Erst nach dem Aufschließen auf den viertplatzierten Tomczyk packte Schneider der Sicherheitsgedanke: "Am Schluss hat Bernd ein wenig gespielt, aber mir war klar, dass er keinen ernsthaften Versuch starten wird..."

Nur Jamie Green wurde zu einem dritten Boxenbesuch beodert, Foto: Sutton
Nur Jamie Green wurde zu einem dritten Boxenbesuch beodert, Foto: Sutton

Eingeschränkte Jagd auf Crash-Sünder

Wohltuende Ruhe war in Le Mans mit Blick auf angebliches oder tatsächliches Fehlverhalten der Konkurrenz eingekehrt: So beschuldigte nach dem Qualifying diesmal ausnahmsweise weder Audi noch Mercedes die Gegenseite, den gegnerischen Titelkandidaten aufgehalten zu haben - der große Meisterschaftsvorsprung Bernd Schneiders schien auch verbal die Wogen geglättet zu haben... Lediglich Jamie Green ereiferte sich in Folge des Zeitfahren über eine angebliche Blockade Martin Tomczyks. Im Rennen ging es ähnlich ruhig zu: Eine Untersuchung gegen Mattias Ekström und Frank Stippler, die Hauptbeteiligten am Startcrash bei der Zufahrt zur ersten Haarnadelkurve, wurde eingestellt.

"In Kurve 4 ist Thed Björk sehr weite Linie gefahren, vielleicht hat er sich verbremst. Ich habe probiert, innen hineinzustechen, doch er kam von außen wieder ins Kurveninnere gefahren. Dann haben wir uns berührt", beschreibt Stefan Mücke eine Kollision mit dem schwedischen DTM-Debütanten, die angesichts der beschädigten Fronthaube Mückes allerdings auch aus Sicht der Rennleitung dramatischer aussah als sie tatsächlich war. Lediglich eine aus Sicht der Rennleitung von Seiten Jamie Greens herbeigeführte Kollision, der vom stürmischen, jedoch erfolgreichen Überholmanöver Tom Kristensens noch reichlich irritiert schien, blieb nicht ohne Folgen in Form einer Durchfahrtsstrafe:

Pierre Kaffer büßte ebenso wie sein Teamkollege Plätze ein, Foto: Sutton
Pierre Kaffer büßte ebenso wie sein Teamkollege Plätze ein, Foto: Sutton

"Frentzen war vor der fünften Kurve neben mir; er versuchte einzulenken und wir haben uns vor der Kurve - nur ganz leicht - berührt. Dann hat er die Kurve nicht erwischt und ich bekam eine Durchfahrtsstrafe...", legte der junge Brite seine Sicht der Dinge dar, die Unfallgegner Heinz-Harald Frentzen eher amüsiert kommentierte: "Der Zwischenfall hat mir den Wagen beschädigt. Danach konnte ich noch einigermaßen schnell fahren, aber nicht mehr so schnell wie zuvor." Nach den jüngsten Diskussionen um eine allzu "spendable" Vergabe von Drive-through-Strafen scheint die Rennleitung auf dem Circuit Bugatti ein gutes Maß gefunden zu haben, mit dem sich - von Green abgesehen - alle Beteiligten anfreunden konnten.

Das Phoenix-Freiwild

Ein unfreiwillig gelungenes Beispiel für die Lehrbücher der Rennsportwelt präsentierte das Team Phoenix, was die eklatanten Unterschiede zwischen Qualifying- und Rennabstimmung angeht. Hatte Phoenix beim Zeitfahren in Form der Startplätz fünf und sieben noch eine für Jahreswagenverhältnisse selten gelungene Teamleistung an den Tag gelegt, präsentierten sich die beiden Audi-Boliden für die Konkurrenz im Rennen als regelrechtes Freiwild. "Ich glaube, wir haben uns mit dem Reifen-Setup ein wenig vertan. Wir haben nicht die optimale Balance gefunden. Es hat bei allen drei Reifensätzen nicht funktioniert; deshalb konnte ich einfach nicht die Pace der Vorderen mitgehen", beschrieb der am Ende neuntplatzierte Christian Abt die Auswirkungen einer wenig gelungenen Abstimmungsarbeit des Teams.

Im Formationsflug eroberten Spengler und Häkkinen einen Doppelsieg, Foto: Sutton
Im Formationsflug eroberten Spengler und Häkkinen einen Doppelsieg, Foto: Sutton

So waren es in 2005er-Reihen an Stelle Abts und Kaffers, der auf Platz zwölf einlief, die üblichen Verdächtigen, die die Punkte für sich verbuchten. Während Persson-Pilot Alexandros Margaritis seinen guten sechsten Startplatz in Form von Platz sieben im Rennen umzusetzen wusste, war es Timo Scheider, der einmal mehr die Ehre der Audi-Jahreswagen rettete. Einem Bremsproblem sowie einem wenig geglückten zweiten Boxenstopp zum Trotz gelang es dem Ex-Opel-Piloten erneut souverän, einen Meisterschaftspunkt zu erobern. Gegen die Kombination aus dem Team Rosberg sowie Scheider scheint für die Phoenix allzu oft kein Kraut gewachsen zu sein.

Jagd auf die Vizemeisterschaft

Und wieder feierte Bruno Spengler einen Sieg, dem der Kanadier so unauffällig und reibungslos entgegengefahren war, dass er im Meisterschaftsjubel der Stuttgarter beinahe unterging. Ebenso wie auf dem Nürburgring bildete Spengler eine Klasse für sich, in die diesmal jedoch Mika Häkkinen vorstoßen konnte. Mit einem gelungenen Start hatte sich der Finne von Beginn an hinter Spengler gesetzt, um ihn während des gesamten Rennens kontinuierlich unter Druck zu setzen. Vergeblich: Während das Team angesichts fast deckungsgleicher Rennstrategien für das HWA-Duo taktisch nicht in den Kampf eingriff, gab sich Spengler auf der Strecke keine Blöße.

Mit der Gratulation an Schneider war Kristensens Niederlage besiegelt, Foto: AUDI
Mit der Gratulation an Schneider war Kristensens Niederlage besiegelt, Foto: AUDI

Zwar mag Mika Häkkinen anmerken, dass an Stelle Spenglers er auf Pole Position hätte stehen können, hätte sein Team in der begrenzten Zeit der letzten Qualifyingminuten ihm statt Spengler einen neuen Reifensatz zugestanden. An Spenglers Bilanz würde dies jedoch kaum etwas ändern: Auch ein zweiter Rang hätte dem Kanadier gereicht, um dem nur drittplatzierten Tom Kristensen Meisterschaftsrang zwei streitig zu machen - und sich in Hockenheim auf einer guten Punktebasis ein letztes Mal auf die Jagd nach dem Vizetitel zu begeben...

Ende der Titeljagd

Diese steht auch Tom Kristensen bevor: Nach dem jähen Ende seiner Titeljagd, das sich schon vor drei Wochen in Barcelona abgezeichnet hatte, bleibt dem Dänen nur die Chance auf die Silbermedaille. Zu sehr hatten Kristensen der Radaufhängungsdefekt von Brands Hatch, jedoch auch die eigenen Fehler in Barcelona zurückgeworfen. Dass sich der siebenfache Le-Mans-Sieger mit seinem dritten Platz am Ende zufrieden zeigte, spricht Bände über die Performance der Ingolstädter Neuwagen am Wochenende des französischen DTM-Debüts:

Hatte man das schlechte Abschneiden des Abt-Quartetts im Qualifying durchaus noch auf die misslungene Setup-Arbeit Martin Tomczyks, die technischen Probleme Heinz-Harald Frentzen sowie die in dieser Saison eher dürftige Qualifying-Form Mattias Ekströms zurückführen können, so ließ das Rennen auch in den Augen von Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich nur einen Schluss zu: "Es hat uns ganz einfach auch ein wenig der Speed gefehlt. Das müssen wir akzeptieren und uns nun auf das Finale konzentrieren." Wo Audi Jagd auf den ersten Hockenheim-Sieg seit April 2002 machen wird...