Die Aussagekraft des gestrigen Testfreitags hielt sich in noch engeren Grenzen als gewohnt: Anscheinend auch bedingt durch die fehlenden Erwartungswerte auf dem Circuit Bugatti wurden die Kräfteverhältnisse bei den Piloten der Neuwagen ebenso wie bei denen der Jahreswagen heute noch einmal unerwartet kräftig durcheinander gewirbelt - gewissermaßen in letzter Sekunde...

In letzter Sekunde: Das richtige Setup

So wussten auffallend viele Vertreter jener Piloten, die im Qualifying einen Erfolg zu verzeichnen hatten, von einem mäßig erfolgreichen Testfreitag zu berichten. Ob Christian Abt, Pierre Kaffer, Alexandros Margaritis oder Martin Tomczyk - all jenen gelang es, in den letzten 60 Testminuten, wie sie das freie Training am Samstag gewohnheitsgemäß bereithält, aus dem Abstimmungslabyrinth zurück auf den richtigen Pfad zu gelangen.

So verbesserte sich Tomczyk nach dürftigen Positionen tags zuvor am Samstagvormittag auf Rang sieben - nachdem er im Setup-Dschungel zum letzten Mittel gegriffen hatte: "Ich habe das Setup von Tom und Mattias übernommen, nachdem der gestrige Tag nicht so toll für mich war, und bin mit Setup auch recht gut zurechtgekommen", berichtete uns der Bayer von einem guten Griff, "heute morgen hatte ich noch Zeit, das Setup auf mich auszurichten." Auch bei Phoenix deuteten sich angesichts des dritten Platzes Christian Abts große Sprünge an, nachdem am Vortag Timo Scheider das Audi-Jahreswagenquartett dominiert hatte.

Martin Tomczyk trat mit einem Setup skandinavischer Urheber an, Foto: Sutton
Martin Tomczyk trat mit einem Setup skandinavischer Urheber an, Foto: Sutton

Doch wäre der Le-Mans-Samstag nicht der "Tag der letzten Sekunde" gewesen, wären bereits alle Tendenzen in den Ergebnislisten des Vormittags erkennbar gewesen: So präsentierte man sich bei Mücke weiterhin schneller als bei Persson, Alexandros Margaritis errang den wenig ruhmvollen 19. Platz - und Audi zeigte eine gelungene Mannschaftsleistung...

In letzter Sekunde: Die Pole Position

Mit einer solchen konnte man bei Audi bekanntlich im Qualifying nicht aufwarten. Während Martin Tomczyk mit Rang acht angesichts der vorherigen Probleme noch eine solide Leistung erbrachte, vermochte der Urheber seines Setups nicht zu überzeugen. "Als der Grip kam, konnte ich mich nicht steigern. Es war schon eine Enttäuschung; aber wenn es so eng ist, muss das Auto eben perfekt sein", kommentierte Mattias Ekström seinen zehnten Startplatz. Ein perfektes Auto war auch Heinz-Harald Frentzen nicht vergönnt: Durch gleich mehrere Defektherde wurde für den Mönchengladbacher eine bessere Platzierung als Rang 14 verhindert.

Dagegen schien das Qualifying bei Mercedes zunächst umso perfekter vonstatten zu gehen: Mit Platz eins in der ersten Qualifyingsession unterstrich Bernd Schneider seine Ambitionen, vorzeitig seinen fünften Titel zu erringen. Doch das Schicksal, das Lokalmatador Jean Alesi bereits zum Ende der ersten Session überraschend ereilte, stand in der ablaufenden zweiten Session auch Bernd Schneider bevor: In letzter Minute wurde der Saarländer von den Jahreswagenpiloten Abt und Margaritis auf Platz neun geschoben - das Aus für den Meisterschaftsführenden.

"In der zweiten Session habe ich bei jedem Versuch einen Fehler gemacht - deshalb bin ich nicht weitergekommen", lautete die nüchterne Bilanz Schneiders, der allerdings dennoch die für den vorzeitigen Meisterschaftsgewinn nötigen drei Punkte mit Zuversicht ins Visir nimmt. Zuversichtlich darf sich auch Bruno Spengler zeigen: Der Kanadier schnappte Le-Mans-Ass Kristensen wie bereits auf dem Nürburgring die Pole Position in letzter Sekunde vor der Nase weg. Grund für Mercedes-Sportchef Norbert Haug, die HWA-Mannschaft eines "erstklassigen Timings" zu rühmen.

Mika Häkkinen reagierte auf die Entscheidung seines Teams leicht säuerlich..., Foto: Sutton
Mika Häkkinen reagierte auf die Entscheidung seines Teams leicht säuerlich..., Foto: Sutton

Jamie Green und Mika Häkkinen suchten dies vergeblich: Während Green in seiner letzten gezeiteten Runde auf Martin Tomczyks Audi auflief und so seine Chancen, den vierten Rang zu verbessern, einbüßte, blieb beim HWA-Team Häkkinens und Spenglers keine Zeit, bei beiden Piloten ein letztes Mal die Reifen zu wechseln - man gab Spengler den Vorzug. Häkkinen zeigte sich somit über seinen dritten Startplatz "erfreut und enttäuscht zugleich" und bemerkte mit dem ihm eigenen leisem Humor: "Aber ich verstehe - Bruno hat noch Chancen, die Meisterschaft zu gewinnen..."

Im letzten Jahrtausend: Die Poller

Als so reizvoll die Piloten auch den 4,18 Kilometer langen Traditionskurs in Frankreich empfinden - auf dem Circuit Bugatti hat sich für die Fahrer ein Dauerärgernis herausgebildet. Der regelrecht zum Abkürzen einladende Kurs wird in Schikanen von Pollern begrenzt - die gerade in den Testsessions selbst bei kleinen Fehlern für Beschädigungen am Fahrzeug sowie für zahlreiche Gelbphasen sorgten:

"Dieses ganze Poller-Gedöns gehört sich meiner Meinung nach in einer professionellen Rennserie wie der DTM nicht - dazu stehe ich auch", spricht Phoenix-Pilot Pierre Kaffer deutliche Worte bezüglich jener im neuen Jahrtausend meist vermiedenen streckenarchitektonischen Errungenschaft, während sein Alex Margaritis die Umsetzung seines sechsten Startplatzes in Gefahr sieht: "Die Poller sind problematisch - wenn man einen Poller ganz leicht touchiert, ist gleich das ganze Rennen kaputt. Dort ist Vorsicht angesagt..."