Während die Ostdeutschen 15 Jahre nach der Wiedervereinigung zum fünften Mal zur gesamtdeutschen Bundestagswahl aufgerufen waren, waren die viel zitierten "blühenden Landschaften" in der ländlich geprägten Lausitz zwar nur bedingt aufzufinden. Dennoch kam es am Sonntag im brandenburgischen Klettwitz zu einem neunten DTM-Saisonlauf der Einheit.

Strategie der Einheit bei Opel

Gleich in doppelter Hinsicht verfolgte man bei Opel eine Boxenstoppstrategie der Einheit: Während man an der Taktik des langen ersten Stints, die man bereits in Zandvoort zum Einsatz kommen ließ, festhielt, wandte man diese unabhängig von der jeweiligen Ausgangsposition bei allen drei nach der ersten Runde im Rennen verbliebenen Piloten an und setzte so alles auf eine Taktik-Karte. Beim von Startplatz neun ins Rennen gegangenen Laurent Aiello zeigte die Strategie Wirkung. Konsequent arbeitete sich der Franzose während des ersten Stints an die Spitzengruppe heran, stattete in Runde 15 seiner Boxencrew einen Besuch ab und fand sich, nachdem das gesamte Feld den ersten Boxenstopp absolviert hatte, auf Rang vier wieder - vor Heinz-Harald Frentzen und Manuel Reuter, die unmittelbar nach dem Start die Rennführung übernommen hatten, jedoch erst in den Runden 18 bzw. 19 ihren Stopp vollzogen.

Nur Aiello profitierte von der Rüsselsheimer Einheitstaktik, Foto: Sutton
Nur Aiello profitierte von der Rüsselsheimer Einheitstaktik, Foto: Sutton

Ebenso wie in Zandvoort, als jene Taktik dem bis dahin Zweitplatzierten Frentzen einige Führungsrunden bescherten, ihn im Folgenden jedoch endgültig aus dem Kampf um den Sieg warfen, erwies sich jene strategische Entscheidung als die falsche: Wieder handelte man sich mit rundenlangem Verharren auf der Strecke mit abgenutzten Reifen einen Nachteil ein, der den erhofften Vorteil, anders als bei frühen Stopps nicht in den Überrundungsverkehr zu gelangen, bei weitem übertraf. So vermochte Opel die erneut überraschend gute Performance des Vectra GTS nicht in zweifelsohne mögliche Podestplätze umzuwandeln.

Schwedisch-britische Einheit

Nahezu unzertrennlich präsentierten sich auf dem EuroSpeedway die beiden Titelkontrahenten Mattias Ekström und Gary Paffett: War es bereits in der Startaufstellung lediglich Tom Kristensen, die den fünftplatzierten Ekström vom siebtplatzierten Paffett trennte, so konnte den blauen Audi sowie den silbernen Mercedes ab Runde fünf nichts mehr trennen: Nachdem Paffett Markenkollegen Jamie Green, der seinerseits seine Pole Position nicht umzusetzen vermochte, überholt hatte, schloss der Brite rasch zu seinem schwedischen Kontrahenten auf und startete bereits in Runde sechs am Ende der Start-/Ziel-Geraden den ersten Überholversuch. Es sollte nicht der letzte erfolglose Versuch bleiben - zu sehr hatten sich die Topspeedwerte von A4 und C-Klasse abstimmungsbedingt angeglichen.

Mattias Ekström und Gary Paffett waren unzertrennlich, Foto: Sutton
Mattias Ekström und Gary Paffett waren unzertrennlich, Foto: Sutton

Auch die Boxenstopps vermochten die schwedisch-britische Einheit nicht zu durchbrechen, so dass der Zuschauer beinahe während des gesamten Rennens in den Genuss eines hochklassigen Duells der beiden Kontrahenten kam. Mattias Ekström beschreibt: "Das war heute wie 50 Runden Qualifying." Indes schildert Gary Paffett aus seiner Sicht: "Eigentlich gab es nur zwei Möglichkeiten, an Mattias vorbei zu kommen. Entweder er macht einen Fehler oder ich räume ihn von der Strecke." So präsentierte sich der Titelverteidiger als nervenstarker und abgekläter DTM-Routinier, während sein Herausforderer keine Zweifel an seiner Fairness aufkommen ließ. Gary Paffett brachte es auf den Punkt: "Mattias und ich haben heute gezeigt, weshalb wir die Führenden in der Meisterschaft sind."

Fehlende Drive-through-Einheit?

Nachdem so mancher die Rennleitung während der vergangenen Rennen bei der Vergabe von Durchfahrtsstrafen als zu spendabel empfunden hatte, die konsequente Linie in jenen Entscheidungen jedoch kaum abzustreiten war, mochte sich die Rennleitung eine Inflation der boxenstopplosen Boxenbesuche diesmal offenbar nicht vorwerfen lassen. Zwar bedachte man einen Rempler Jean Alesis gegen Heinz-Harald Frentzen wenige Runden vor Schluss mit einer Drive-through-Penalty; was die Bestrafung von oftmals eher zur Kategorie "Formfehler" zählenden Missgeschicken beim Befahren der Boxenausfahrt anging, warf man die bislang so klare Linie nun scheinbar über Bord:

Paffett schien erneut der Klassiker der Missgeschicke zu unterlaufen, Foto: Sutton
Paffett schien erneut der Klassiker der Missgeschicke zu unterlaufen, Foto: Sutton

Wieder einmal schien Gary Paffett an kleinen Unaufmerksamkeiten zu scheiterten, als er nach dem Absolvieren des zweiten Boxenstopps - wie bereits auf dem Nürburgring - an der Boxenausfahrt die weiße Linie deutlich übertrat. Die erwartete Drive-through-Strafe blieb allerdings aus, wobei der angebliche Hinweis von Audi an die Rennleitung daran nichts änderte. Was auch seine Richtigkeit hatte: Denn wie am Dienstag bekannt wurde, überfuhr Paffett nicht die weiße Linie, sondern einen mit schwarzer Farbe übermalten Teil der Linie, der unter den diversen Lichtverhältnissen auf den TV-Bildern hell schimmerte.

Einheit abseits der Strecke

Zwar blieben wirklich Aufsehen erregende Unfälle und allzu große Trümmerhaufen glücklicherweise aus - zu einer breiten Einheit abseits der Strecke kam es allerdings dennoch: War es in den ersten Kurven noch Marcel Fässler, der zunächst mit Audi-Jahreswagenpilot Rinaldo Capello sowie Stefan Mücke kollidierte, so blieben die Joest-Fahrer auch im Folgenden nicht vom Crash- und Kiesbettteufel verschont: Während Christian Abt mit Mika Häkkinen und Frank Stippler mit Jean Alesi aneinander gerieten, führte bei Pierre Kaffer ein Bremsdefekt zum ausgiebigen Besuch der Kiesbetten.

Entenmarsch im Klettwitzer Kiesbett, Foto: Sutton
Entenmarsch im Klettwitzer Kiesbett, Foto: Sutton

So gelang es nur insgesamt acht der 20 Fahrer, sich von Crash und Kies fernzuhalten; das Repertoire reichte von einem beherzten, aber recht harmlosen Drift durch das Kiesbett bei Laurent Aiello bis hin zum Crash nach dem Crash bei Mika Häkkinen und Christian Abt. Derweil vermochten die Aufräumarbeiten nicht ganz zu überzeugen: Nachdem bereits Manuel Reuter mehrfach über Fahrzeugreste in Übergröße gefahren war, beschädigte sich Bernd Schneider beim Überfahren von Trümmerteilen Reifen und Fahrzeug so stark, dass das Rennen des Saarländers beendet war.

Wiedervereinigung der drei Kräfte

Die Wiedervereinigung der drei Marken in Bezug auf ihre Kräfteverhältnisse deutete sich zwar bereits vor drei Wochen in Zandvoort an - die eindrucksvolle Bestätigung folgte allerdings erst in der Lausitz: Mit den Plätzen zwei und drei wiederholte Opel das hervorragende Super-Pole-Ergebnis des vorherigen Rennwochenendes; im Rennen präsentierten sich die Rüsselsheimer dagegen noch stärker als in den Niederlanden: Was angesichts eines zehnten Platz sowie massiver Handling- und Reifenprobleme beim ersten Anlauf in der Lausitz im Frühjahr noch unmöglich schien, wurde angesichts zweier in der Anfangsphase des Rennens ungefährdet führender Opel Vectra GTS V8 Wirklichkeit. Längst ist es Opel gelungen, die allzu offensichtlichen Schwierigkeiten insbesondere mit dem Fahrwerk der Rüsselsheimer Mittelklasselimousine auszusortieren und Erfolg versprechende Abstimmungen zu erarbeiten.

Audi, Opel und Mercedes auf nahezu gleicher Augenhöhe, Foto: Sutton
Audi, Opel und Mercedes auf nahezu gleicher Augenhöhe, Foto: Sutton

Auch der Vergleich der früheren und heutigen Kräfteverhältnisse zwischen Audi und Mercedes auf dem EuroSpeedway war überdeutlich: Die Ingolstädter haben eine fulminante Aufholjagd hinter sich, infolge derer sich die einstige Dominanz der C-Klasse auf dem EuroSpeedway in einen leichten Topspeedvorteil auf der Geraden auflöste. Dieser reichte im Fall Paffett zum Passieren Ekströms bei weitem nicht, glichen doch die leichten Vorteile der Audi bei Abtrieb und Traktion jenes Manko fast aus.

Meisterschaft der Einheit

Und so wechselte zum vierten Mal in Folge die Meisterschaftsführung zwischen Mattias Ekström und Gary Paffett; diesmal zu Gunsten des Schweden, der sich allerdings mit nur einem Punkt keines sonderlich großen Vorsprungs erfreuen darf. Die Fahrermeisterschaft präsentiert sich weiterhin im Sinne der Einheit - sowohl der eine als auch der andere Titelduellant vermag den Gegner nur punktuell auszustechen. Durfte nach dem überraschenden Paffett-Sieg auf der "Audi-Strecke" Zandvoort angesichts zweier "Mercedes-Strecken" in Form des EuroSpeedways sowie des Hockenheimrings unter den drei verbleibenden Läufen durchaus über einen Durchmarsch des britischen H.W.A.-Piloten spekuliert werden, so ist der Meisterschaftskampf zwei Rennen vor Saisonende noch immer vollkommen offen. Lediglich Tom Kristensen konnte mit Rang drei seine Außenseiterchancen nicht wahren; ihm bleibt ein sicherer dritter Platz im Gesamtklassement.

Wer am Ende der strahlende Sieger sein wird, ist noch immer völlig offen, Foto: Sutton
Wer am Ende der strahlende Sieger sein wird, ist noch immer völlig offen, Foto: Sutton

Dass die Markenmeisterschaft mit mittlerweile 18 Punkten Vorsprung vor Audi allmählich eine deutliche Tendenz in Richtung Ingolstadt offenbart, ändert nichts daran, dass sich die Zuschauer auf eines der wohl packendsten Saisonfinali in der DTM-Geschichte freuen dürfen, während dessen der Ton möglicherweise auch wieder etwas schärfer werden dürfte als in der Lausitz. So bildeten in Klettwitz selbst die Statements der Sportchefs eine überraschende Einheit: Während Mercedes-Sportchef Norbert von "einem der spannendsten Rennen der Motorsportgeschichte" sowie "Motorsport vom Feinsten" sprach, stimmte auch Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich mit ein: "Hier wurde in sauberer und fairer Weise Motorsport vom Feinsten gezeigt."