DTM 1990: Audis Werksdebüt mit Stuck und V8 quattro (06:20 Min.)

"Den ersten Auftritt mit Audi in Zolder würde ich in die fünf tollsten Erlebnisse meiner Rennfahrer-Karriere einordnen." Hans-Joachim Stuck bekommt noch heute eine Gänsehaut, wenn er auf das geschichtsträchtige Rennwochenende in Belgien vor ziemlich exakt 30 Jahren zurückblickt.

Am 01. April 1990 war es soweit, Audi engagierte sich erstmals werksseitig in der DTM. Beim 'Bergischen Löwen' rollte das wohl ungewöhnlichste Auto des gesamten Starterfeldes aus der Box von Konrad Schmidt Motorsport: der Audi V8 quattro DTM. Ein flügelloses Ungetüm im Vergleich zu den windschnittigen und zahlreich vorhandenen BMW M3 Evo und Mercedes 190 E Evo der deutschen Konkurrenz.

Mit seinen 1.220 Kilogramm war der V8 ein wahres Dickschiff im Vergleich zu den rund 180 Kilo leichteren Limousinen aus den Häusern von BMW und Mercedes. Der 4,874 Meter lange und 1,814 Meter breite Audi mit seiner Serienkarosserie auf Gruppe-A-Basis wirkte im Getümmel der 26 Autos auf dem belgischen Kurs wie ein Schlachtschiff. Befeuert wurde er von einem V8-Motor samt 3,6 Litern Hubraum - 420 PS standen zu Buche, auch, wenn über die Leistungsangaben bis heute wild diskutiert wird.

Mit einem V8 quattro startete Audi damals das Abenteuer Werkssport in der DTM, am Steuer der hochdekorierte Stuck, der Porsche von 1986 bis 1988 zu je zwei Gesamtsiegen bei den Langstrecken-Klassikern in Le Mans und Sebring geführt hatte. Erst später in der DTM-Saison erhielt er Unterstützung von Motorsport-Ikone Walter Röhrl sowie Frank Jelinski.

Der dicke Audi V8 war eine Ausnahmeerscheinung im DTM-Starterfeld, Foto: Audi Communications Motorsport
Der dicke Audi V8 war eine Ausnahmeerscheinung im DTM-Starterfeld, Foto: Audi Communications Motorsport

In Zolder brannte Stuck vor der eindrucksvollen Kulisse von knapp 100.000 Zuschauern ein wahres Feuerwerk ab. Dabei hatte das erste Rennen denkbar schlecht begonnen: Der Bayer wurde gleich nach dem Start in eine Rangelei mit 'König' Klaus Ludwig im Mercedes und Steve Sopers BMW verwickelt, wobei die Spurstange und eine Felge beschädigt wurden.

"Kruzifix, das gibt's doch nicht, noch vor der ersten Kurve", kommentiert Stuck die Situation heute. Glück im Unglück: Da die Spurstange nur verbogen und nicht gebrochen war, konnte er nach einem frühen Boxengassenbesuch das Rennen wieder aufnehmen. Mit schief stehendem Lenkrad gelang Stuck eine Aufholjagd auf den 14. Platz, bei der er zudem die schnellste Rennrunde verbuchte. Das Rennen gewann Kurt Thiim im Mercedes 190E Evo.

Für Standing Ovations und unvergessene Jubel-Szenen halb aus dem Fenster seines Audi lehnend sorgte Stuck im zweiten Rennen des Tages, das auf 24 Runden angesetzt war. Von Startplatz 14 kämpfte er sich konsequent nach vorne und belegte hinter den beiden Mercedes des Dänen Thiim sowie Ludwig den dritten Platz - und das beim Werksdebüt der Ingolstädter in der DTM.

Großen Anklang beim Publikum fand Stucks spektakuläre Fahrweise im V8 quattro. Quer durch die Kurven driftend, halb übers Gras fahrend lieferte er eine perfekte Automobil-Show ab. "Das habe ich von meinem Vater gelernt. War vielleicht nicht immer schneller, aber immer spektakulär", sagt Stuck heute mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.

Hans-Joachim Stuck beschert Audi Titel beim Werksdebüt in der DTM, Foto: Audi Communications Motorsport
Hans-Joachim Stuck beschert Audi Titel beim Werksdebüt in der DTM, Foto: Audi Communications Motorsport

Der Audi V8 mitsamt im Rallyesport erprobten Sechsgang-Getriebe und vor allem dem quattro-Allradantrieb erwies sich beim ersten Rennwochenende als überlegen in einigen Bereichen. Zolder mit seinen vielen langsamen und mittelschnellen Kurven lag dem Boliden, an den Kurvenausgängen konnte Stuck früher aufs Gaspedal gehen und den Schwung besser als die Hecktriebler-Konkurrenz für die anschließenden Geraden mitnehmen.

"Für uns war das ein perfekter Einstieg", sagt Stuck. "Und ich vergesse nie, wie ich halb aus dem Fenster heraushängend in die Boxeneinfahrt rein bin und gejubelt habe. Besser hätte es wirklich nicht laufen können." Und es kam sogar noch besser: Stuck schnappte sich später beim Saisonfinale auf dem Hockenheimring den Titel im Werksdebütjahr der Audianer.