Die DTM-Saison 2019 ist erst fünf Rennen alt und schon schlagen die Wogen hoch. Der überraschende Sieg von Marco Wittmann im Samstags-Rennen von Misano blieb nicht ohne Folgen. "Umstrittener Safety-Car-Einsatz verhindert möglichen Audi-Doppelsieg", hieß es anschließend in der offiziellen Pressemitteilung von Audi Sport zum ersten von zwei Rennen an diesem Wochenende.
Dass Wittmann, der das Rennen vom letzten Platz aufgenommen hatte, ohne die frühe Safety-Car-Phase höchstwahrscheinlich nicht gewonnen hätte, ist klar. Ebenso, dass Audi nach dem zuvor starken Qualifying-Ergebnis mit vier RS 5 DTM auf den vorderen Plätzen beste Chancen auf einen Doppelsieg gehabt hätte.
Dass der Einsatz des Safety Car nach dem frühen Ausfall von BMW-Fahrer und Vorjahressieger Joel Eriksson aus Sicht von Audi "umstritten" war, sorgt hingegen für reichlich Gesprächsstoff. Schließlich kann diese durch Audi-Motorsportchef Dieter Gass verstärkte Aussage als direkter Angriff auf die Rennleitung verstanden werden.
Im Sinne des Spektakels
Der Deutsche Motorsport Bund bezieht auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com deutlich Stellung. "Das Safety Car ist in der DTM das Standardprozedere, wenn ein Fahrzeug liegen bleibt und Sportwarte vor der Leitplanke aktiv werden müssen", sagt ein DMSB-Sprecher. "Deswegen wurde auch in diesem Fall entschieden, das Safety Car loszuschicken."
Und weiter: "Das ist alles andere als neu. Schon im vergangenen Jahr wurde im Sinne eines spektakuläreren Racings gewünscht, das Safety Car einzusetzen und das ist natürlich mit ITR und allen Herstellern abgestimmt."
Safety Car statt Slow Zone
Heißt im Klartext: Der verstärkte Einsatz von Safety Cars und ganz besonders den spektakulären Indy-Restarts wird von allen Beteiligten gern gesehen. Ein Beleg dafür: In vier der ersten fünf Rennen 2019 kam das Safety Car zum Einsatz. Nur das stark regnerische Auftaktrennen in Hockenheim mit Sieger Marco Wittmann kam ohne eine Neutralisationsphase aus.
Zuletzt machte auch DTM-Boss Gerhard Berger klar, dass er kein Anhänger der Slow Zones ist - einer der Alternativen zu einem Safety Car, jedoch weitaus unspektakulärer. Damit dürfte sich künftig auch die bereits mehrfach gestellte Frage erübrigt haben, ob bei einem Zwischenfall 'nicht auch eine Slow Zone gereicht hätte'. Möglicherweise hätte sie es im einen oder anderen Fall - nur ist deren Einsatz schlichtweg nicht gewünscht!
Ist das fair?
Somit dürfte es auch in den folgenden Rennen zu weiteren Safety-Car-Phasen und anschließendem Restart-Spektakel kommen - und zu weiteren Diskussionen. Und das, obwohl diese Regelung von allen Beteiligten offenbar schon in der vergangenen Saison abgesegnet worden war.
"Ich denke, die vielen Safety Cars fangen jetzt an, zu großen Einfluss auf das Rennergebnis zu haben. Wir müssen schauen, ob das fair ist", hinterfragte trotzdem Audi-Motorsportchef Gass nach dem verlorenen Audi-Sieg in Misano.
Hankook: Das hätte niemand gedacht
Dass es Wittmann tatsächlich gelingen würde, das gesamte Rennen, also 38 Runden, mit nur einem Reifensatz zu bestreiten, hatte nicht einmal er selbst geglaubt. BMW wählte angesichts der schlechten Ausgangslage nach dem Qualifying wegen eines technischen Problems eine extremst gewagte Strategie.
"Niemand hätte gedacht, dass man bei diesen hohen Streckentemperaturen mit einem Satz Hankook Rennreifen praktisch ein ganzes Rennen bestreiten kann", räumte selbst Manfred Sandbichler, Hankook Motorsport Direktor Europa, ein. Und weiter: "Natürlich hat ihm der Safety-Car-Einsatz geholfen, das ändert aber nichts an der fantastischen fahrerischen Leistung."
Dass es sich um eine Ausnahme-Leistung handelte, belegte auch Ferdinand Habsburg. Als einziger Fahrer neben Wittmann hatte der DTM-Rookie in Erwartung einer möglicher Safety-Car-Phase ebenfalls nach der ersten Runde seinen Pflichtboxenstopp absolviert. Während Wittmann im Anschluss jedoch die Führung übernahm und halten konnte, fiel Habsburg - zwischenzeitlich auf Position zwei liegend - mit seinem Aston Martin Vantage im letzten Rennabschnitt bis auf den 14. Platz zurück.
Rast: Das ist die DTM
Verfolger und Pole-Setter Rast - hatte nach der 15. Runde gestoppt - fehlten beim Zieleinlauf mehr als acht Sekunden auf Sieger Wittmann. "Dass das Rennen durch das Safety Car entschieden wurde - das ist die DTM", stellte der Audi-Pilot anschließend bei Sat.1 nüchtern fest. "Davon habe ich ja auch in Hockenheim profitiert."
Beim Sonntagsrennen während des Auftaktwochenendes nutzte Rast eine gleichermaßen kluge wie glückliche Zwei-Stopp-Strategie in Folge einer durch Markenkollege Loic Duval ausgelösten Safety-Car-Phase zum Sieg - vom 16. Startplatz.
Beschwerden auf beiden Seiten
Beim darauffolgenden Lauf in Zolder kostete Pole-Setter Wittmann ein Safety Car den sicher geglaubten Sieg. Auch er beschwerte sich anschließend öffentlich. "Wenn man hinten steht, kann man so ein Risiko eingehen", sagte der zweifache DTM-Champion. "Wenn man vorne ist, macht man das nicht. Vielleicht sollte man die Regeln überdenken und einen (Pflicht-)Stopp während eines Safety Car erlauben." Jetzt in Misano profitierte Wittmann hingegen kapital von der Safety-Car-Phase.
Durch den in dieser Saison mit den neuen Turbo-Autos häufig erlebten - und seitens der ITR und Hersteller ausdrücklich gewünschten - plötzlich und akut einsetzenden Reifenverschleiß der Hankook-Reifen erfahren Safety-Car-Phasen eine besondere Bedeutung. Bei bislang jedem Eintreten gab es große Gewinner auf der einen, und ebenso große Verlierer auf der anderen Seite.
Meist war Glück beziehungsweise Zufall involviert. Derartige Fälle - samt folgender Diskussionen - werden die DTM unter Garantie bis zum Ende der Saison an so ziemlich jedem Rennwochenende begleiten.
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