Die Saison 2004 bot für die Motorsportveteranen in der DTM kaum Anlass zur Freude: Während mit Mattias Ekström, Gary Paffett und Christijan Albers drei der jungen Wilden ihre Dienstwagen in einen packenden Meisterschaftsdreikampf manövrierten und acht der zehn zu vergebenden Siege einfuhren, sahen die Routiniers oftmals kein Land gegen die jugendliche Übermacht. Was dem Ehrgeiz der alten Garde für die neue Saison nur zu Gute kam...

"Ich habe so viel trainiert wie nie zuvor; ich habe wirklich alles getan, um optimal vorbereitet zu sein", verkündete noch vor der Saison Bernd Schneider (40), einer der Verlierer der vergangenen Saison, voller Zuversicht. Dennoch droht die aktuelle Meisterschaftssaison den Routiniers erneut aus dem Ruder zu laufen - wieder scheinen Mattias Ekström (26) und Gary Paffett (24) die Meisterschaft unter sich auszumachen. Erst auf Platz drei folgt mit acht Punkten Rückstand auf den Zweitplatzierten Paffett der erste Vertreter der reiferen Rennfahrergeneration, Tom Kristensen (37).
Wir beleuchten die teaminternen Generationskonflikte der Neuwagenfahrer bei H.W.A., Abt und OPC.

Mercedes-Benz - Paffett bleibt Steuermann

Nachdem Christijan Albers von Bord ging und sich bei Minardi ins Fahrwasser der Königsklasse wagte, blieb Gary Paffett als einziger Vertreter der jungen Wilden bei H.W.A. zurück. Dass der junge Niederländer angesichts der überzeugenden Vorstellungen der Youngsters ausgerechnet einen im Alter weitaus fortgeschrittenen Nachfolger erhielt, vermochte zunächst zu überraschen. Mit Mika Häkkinen (36) erhielten die in der vergangenen Saison beinahe in die Matrosenrolle gedrängten Altstars prominente Verstärkung.

Den in Anbetracht der letzten Saison aufgekommenen Erwartungen scheint Gary Paffett auch in dieser Saison zu entsprechen. Insbesondere auf dem Eurospeedway sowie in Oschersleben bewies Paffett seine aktuelle Vormachtstellung - und muss sich entgegen seinem Spitznamen "Mr. Perfect" dennoch eine teilweise nicht immer gegebene Perfektion vorhalten lassen: Sowohl in Spa als auch in Brünn unterliefen dem jungen Briten jeweils mit einer Durchfahrtsstrafe geahndete Missgeschicke, die ihn daran hinderten, die insbesondere zu Beginn der Saison aufblitzende Überlegenheit seiner C-Klasse in das Aufrechterhalten seiner Meisterschaftsführung umzusetzen. Vermeidet Paffett jedoch weitere Missgeschicke dieser Art, ist es ihm zuzutrauen, den Vorsprung auf seine reiferen Teamkollegen weiter auszubauen.

Jean Alesi entfernt sich zusehends von seinem Saisonziel, Foto: Sutton
Jean Alesi entfernt sich zusehends von seinem Saisonziel, Foto: Sutton

Nach einer durchwachsenen Saison 2004 gelobte Jean Alesi (41) für diese Saison Besserung und peilte gar den Titel an. Ein durchaus viel versprechender Grundstein gelang ihm sogleich beim ersten Rennen in Hockenheim in Form einer tadellosen Leistung, die ihm den vierten DTM-Sieg einbrachte. Doch abermals kam der Franzose vom Kurs ab. Neben einer stetigen Portion Pech hinderte Alesi wiederum eine oftmals fehlende Konstanz daran, das in Hockenheim unter Beweis gestellte Potenzial auszuschöpfen.

Ähnlich wie sein französischer Kollege strebte auch Bernd Schneider (40), vor nicht allzu langer Zeit noch unangefochtener Kapitän der Mercedes-Besatzung, eine signifikante Besserung an, die die Schmach des Vorjahres vergessen machen sollte. Ebenso wie Alesi ließ Schneider die DTM-Welt aufhorchen, als er, zurückgeworfen durch einen Frühstart sowie seine Ahndung in Form einer Durchfahrtsstrafe, nach einer überzeugenden Aufholjagd das Podium eroberte. Im Folgenden gelang es dem heutigen Wahlmonegassen jedoch nicht, seine in der vergangenen Saison aufgekommene Schwäche in der Super Pole vollends abzustellen. Nach mehreren, wenn auch meist unverschuldeten Ausfällen in Folge scheint sich der vierfache DTM-Meister erneut aus dem Meisterschaftskampf verabschiedet zu haben.

Mika Häkkinen beweist indes, dass ein fortgeschrittenes Rennfahreralter der Lernfähigkeit nicht im Wege stehen muss: Nach dem Debütwochenende in Hockenheim, während dessen sich die Unerfahrenheit des Finnen noch bemerkbar machte, steigerte sich der zweifache Formel-1-Weltmeister über einen Podestplatz in der Lausitz bis hin zur Pole und zum ersten Sieg in Spa, bevor ihn bei den folgenden Rennen die nötige Portion Glück verließ. Weder das Qualifying noch das DTM-spezifische Zweikampfverhalten scheinen dem prominenten Neuling Probleme zu bereiten. Und so ist es durchaus nicht abwegig, Mika Häkkinen bereits jetzt als zweite Kraft der Mercedes-Armada und als Speerspitze der Benz-Veteranen zu bezeichnen.

Audi - der Wikinger führt die Flotte an

Nachdem Mattias Ekström im vergangenen Jahr den Audi A4 in Form des Meistertitels zum Flaggschiff der DTM gemacht hatte, Martin Tomczyk (23) und Tom Kristensen (38) regelmäßig mit überzeugenden Leistungen und Podiumsplätzen aufhorchen ließen, Christian Abts (38) Resultate jedoch bei weitem nicht das Niveau der Teamkollegen erreichten, wurde letzterer mit Allan McNish (35) durch einen anderen Vertreter der erfahreneren Rennfahrergeneration ersetzt.

Trotz der schottischen Verstärkung führt allerdings auch in dieser Saison der junge Schwede die A4-Flotte an. Erneut fällt dabei die äußerst geringe Fehlerquote des in wenigen Tagen 27-Jährigen auf, die lediglich durch einen Rempler an Jamie Green in der Lausitz geringfügig erhöht wurde. Während sich der Rückstand des A4 auf die C-Klasse stetig verkleinerte, sprach auch Ekström immer häufiger ein gewichtiges Wort um den Sieg mit und bescherte Audi in Brünn den bislang einzigen Saisonsieg.

Tom Kristensen bleibt Mattias Ekström dicht auf den Fersen, Foto: Sutton
Tom Kristensen bleibt Mattias Ekström dicht auf den Fersen, Foto: Sutton

Martin Tomczyk, mit seinen 23 Jahren einer jüngsten, jedoch keinesfalls unerfahrensten DTM-Piloten, galt angesichts seiner stark ansteigenden und zum positiven Bild von den Youngsters analogen Formkurve von 2004 durchaus als ein Geheimfavorit für diese Saison. Dass sich diese Erwartungen in den Ergebnissen noch nicht bestätigt finden, resultiert zwar einerseits wie schon 2003 aus unverschuldeten Ausfällen insbesondere zu Beginn der Saison, andererseits jedoch auch aus der Performance des jungen Rosenheimers: So spielte Tomczyk seine sonstige Stärke im Qualifying in dieser Saison nicht immer aus und manövrierte seinen A4 seltener als gewohnt in die vorderen Startreihen.

Der allgemeinen Strömung hin zum Generationswechsel stellt sich Tom Kristensen entgegen. Ohne jegliche Anzeichen von Schlagseite steuerte er sich im A4 während seiner zweiten DTM-Saison immer häufiger an die Spitze und kommt seinem jungen schwedischen Teamkollegen dabei gefährlich nahe. Lediglich in Oschersleben blieb der Däne auf Pole stehend in Anbetracht eines abgewürgten Motors hinter seinem sonstigen Niveau zurück.

Nachdem Allan McNish während seiner ersten drei DTM-Wochenenden im Fahrwasser der noch ungewohnten Serie ins Trudeln gekommen war, offenbart der Schotte zusehends Fortschritte: Waren die ersten drei Rennen noch von einer Qualifying-Schwäche, die ihn den Verführungen der siebten Startreihe stets erlegen machte, geprägt, gelangte der 16-fache Grand-Prix-Teilnehmer im Folgenden stets in die Super Pole und setzte die zufrieden stellenden Startplätze in Punkte um. Zur ernsthaften Gefährdung des Wikingers bei Audi reicht dies jedoch noch nicht.

Opel - wechselnde Kommandoführung

Dass mit dem meist überzeugende Leistungen darbietenden Timo Scheider (26) ausgerechnet der einzige als Youngster zu bezeichnende Pilot der OPC-Besatzung seinen Hut nehmen musste, stellte sich umso mehr gegen den Trend, als mit Manuel Reuter (43) der älteste Fahrer der DTM Profiteur jener Entscheidung war. Während der Abschiedskreuzfahrt des Opel-Dampfers setzt man auf fahrerische Erfahrung - und hat anders als Mercedes und Audi keine eindeutige Speerspitze.

Dennoch legt, mittlerweile kaum noch überraschend, der jüngste Fahrer die größte Konstanz an den Tag: So brachte es Marcel Fässler (29) zumindest am Beginn der Saison regelmäßig in die Super Pole; die Fehlerquote des Schweizers liegt auf niedrigem Niveau. Nach einem enttäuschenden Saisonstart für Opel war er es, der den Vectra zumindest zeitweise erstmals in die Spitzengruppe des Feldes manövrierte.

Dennoch sorgte für das Highlight ein anderer: In Folge wenig überzeugender Ergebnisse bei den ersten drei Saisonrennen platzierte Heinz-Harald Frentzen (38) den Vectra in Brünn in der ersten Startreihe und setzte die hervorragende Ausgangsposition in den ersten Podestplatz für Opel um. Dass Frentzen jedoch bei keinem anderen Rennen in Qualfying oder Rennen die Top Ten erreichte, spricht dafür, dass der Formel-1-Vizeweltmeister von 1997 das Eingewöhnungsstadium in seiner zweiten DTM-Saison noch immer nicht vollkommen verlassen hat.

Motorsportveteran Frentzen sorgte für das Opel-Saisonhighlight, Foto: Sutton
Motorsportveteran Frentzen sorgte für das Opel-Saisonhighlight, Foto: Sutton

Ähnlich wie im Falle Fässlers erscheinen auch die Leistungen Laurent Aiellos (36) bei Opel noch in vergleichsweise positivem Licht. Zwar reichte er nicht an die fahrerische Brillanz seines Meisterjahres 2002 heran, doch war sein schwarzer Vectra im Rennen immerhin recht häufig in vorderen Gefilden anzutreffen.

Dass es ausgerechnet dem 43-jährigenen DTM-Veteranen und ITC-Meister von 1996 an Wind in den Segeln mangelt, steht beinahe symptomatisch für den möglichen Generationenwechsel. Zwar verhinderte nach einem guten sechsten Startplatz in Brünn nur ein unverschuldeter Ausfall die ersten Punkte des treuen Opel-Fahrers, doch vermochte Reuter bei den restlichen Rennen nicht aufzutrumpfen und war meist am Ende der Startaufstellung anzutreffen.

Fazit: Wind in die Segel der Youngsters

Wie bereits in der vergangenen Saison bleibt im Meisterschaftskampf für die Altstars vorerst nur die Statistenrolle. Dennoch liegt der Verdacht nahe, dass die aktuelle Tendenz zum Generationswechsel nicht aus der Schwäche der reiferen Piloten, als vielmehr aus der Stärke der jungen Wilden, insbesondere der Stärke Ekströms und Paffetts, resultiert. Vor Pauschalisierung des Trends warnen auch die Leistungen Tomczyks, Kristensens und Häkkinens. Während der junge Rosenheimer zurzeit an seine letztjährige Form noch nicht anknüpfen kann, befinden sich die skandinavischen Altstars im Aufwind.
Das letzte Wort um die Führung der DTM-Flotte ist somit noch längst nicht gesprochen…