Die DTM-Flutlicht-Premiere in Misano war auf und neben der Rennstrecke ein großes Spektakel - auf der Mattscheibe sah es dagegen eher düster aus. Wegen der späten Startzeiten der beiden Rennen am Samstag und Sonntag um jeweils 22:30 Uhr sowie der TV-Verlegung von Sat.1 zu kabel eins, hielt sich das Interesse der Fans am Fernseher in Grenzen.

Wie Motorsport-Magazin.com bereits berichtete, schalteten am Samstagabend bei kabel eins lediglich 460.000 Zuschauer ein, am Sonntag waren es sogar nur 410.000. Das sind 185.000 TV-Zuseher weniger als beim bisherigen Saisondurchschnitt (620.000) von Sat.1 bei den ersten zwölf DTM-Rennen 2018. Zum Vergleich: Bei der ARD schauten im letzten Jahr durchschnittlich noch 890.000 DTM-Fans zu.

Ein Umstand, der natürlich auch DTM-Boss Gerhard Berger nicht verborgen blieb. In seiner Misano-Analyse sprach er von gemischten Gefühlen und kündigte an, die Startzeiten für mögliche künftige Flutlichtrennen überdenken zu wollen. Vor allem das Sonntagrennen zur späten Uhrzeit steht zur Diskussion.

Berger: Sonntag ist problematisch

"Sonntag um 22.30 Uhr scheint problematisch. Die Leute müssen danach wieder heim, sie müssen am nächsten Tag zur Arbeit und auch wenn sie vorm Fernseher sitzen, wollen sie irgendwann mal schlafen gehen", wird Berger in österreichischen Medien zitiert. "Sicher kann man über die Möglichkeit nachdenken, dass etwa am Samstagabend gefahren wird, am Sonntag aber wie sonst üblich tagsüber. Andererseits: Nachtrennen sind schon spektakulär."

Der Vertrag der DTM-Dachorganisation ITR mit dem Rennstreckenbetreiber in Misano galt zunächst nur für diese Saison. Weitere Events auf der Rennstrecke nahe des bekannten Badeortes Rimini könnten aber folgen. Schon beim Saisonauftakt in Hockenheim hatte der DTM-Chef angekündigt, erst einmal die Resonanz auf die Flutlichtrennen in Italien abwarten zu wollen.

DTM-Nachtrennen: Modell mit Zukunft?, Foto: DTM
DTM-Nachtrennen: Modell mit Zukunft?, Foto: DTM

Nachtrennen-Problematik: TV-Übertragung

Berger im Zwiespalt: "Die Rennen waren super, die Zuschauer begeistert. Mit den Nachtrennen schaffst du es aber trotz der spektakulären TV-Bilder nicht unbedingt in das Hauptprogramm von Sat.1 - und das ist ein Minus. Andererseits hat die TV-Quote auf kabel eins am Samstagabend alle positiv überrascht."

Offenbar vor allem Audi-Motorsportchef Dieter Gass, der diesbezüglich kurz und knapp anmerkte: "Ich hatte weniger erwartet!" Wie man aus wenig mehr macht, hat die ARD am 16.8.2003 bewiesen, als der öffentlich-rechtliche TV-Sender das DTM-Qualifying unter Flutlicht am Samstagabend im Rahmen einer Boxübertragung live zeigte. 2,27 Millionen TV-Zuseher verfolgten damals die "Super-Pole" im Ersten - das ist die fünfhöchste TV-Quote, die die ARD mit einer DTM-Übertragung in 18 Jahren Zusammenarbeit erzielte.

Für Berger war auch das zu dieser Jahreszeit unüblich wechselhafte Wetter ein Grund. "Das war schlecht für die Zuschauer vor Ort, zugleich aber gut für die großartige Action auf der Strecke." Jetzt müsse man alle Fakten zusammentragen: Beispielsweise, was kann man aus diesem Event machen? Sollte zumindest eines der beiden Rennen tagsüber stattfinden? Ist das dann noch der richtige Kurs?

Alternativen in Italien wären die ehemaligen DTM-Strecken in Adria und Mugello sowie Imola, Monza und Vallelunga, wo zuletzt die zweitägigen Testfahrten der Gaststarter Sebastien Ogier und Alessandro Zanardi über die Bühne gingen.

Vom Konzept, die anstehende Internationalisierung auch im Rennkalender der DTM zu festigen, ist der Österreicher weiter überzeugt. In dieser Saison gibt es fünf DTM-Events in Deutschland und fünf im nahe gelegenen Ausland. Nach Budapest, Zandvoort, Brands Hatch und Misano stehen noch die beiden Rennen im österreichischen Spielberg (21.-23. September) auf dem Programm.

Berger: Italien und England sind gesetzt

"Für uns ist mit der Internationalisierung klar, dass Italien und auch England gesetzt sind. Jetzt gilt es, die richtigen Strecken und Termine dafür zu finden", erklärte Berger. "In Brands Hatch und Misano hat mir vor allem die Atmosphäre gefallen. Die Nachtrennen waren spektakulär, auch weil wir die Tracklimits aufgehoben haben ohne dabei die Sicherheit außer Acht zu lassen." In der Tat war die zum Teil außergewöhnliche Linienwahl einzelner Fahrer abseits der Rennstrecke interessant zu beobachten. Es wurde viel diskutiert und analysiert, wo und wie man sich dabei am besten einen Vorteil verschafft.

Misano hätte gezeigt, dass man über solche Dinge nachdenken muss, meinte Berger, der dabei auch die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) lobte. "Das ist eine Kultur, die wir gemeinsam pflegen. Das betrifft beispielsweise auch das Anlehnen von Fahrzeugen (ohne dass dafür gleich Verwarnungen ausgesprochen werden, d. Red.)."

Der frühere Formel-1-Fahrer merkte zudem an, dass es einige Zeit brauche, um die DTM auf Rennstrecken außerhalb Deutschlands zu etablieren. Drei bis fünf Auftritte benötige es, bis sich die Leute dran gewöhnt hätten und alle Abläufe perfekt sind. Eine durchaus realistische Einschätzung. Denn in der Vergangenheit tat sich die DTM bei ihren Events auf ausländischen Rennstrecken oftmals schwer.

Eine Kontinuität im Rennkalender ließ sich aufgrund unterschiedlicher Interessen nur selten erzielen. Einmalige Auftritte wie in Dijon, Istanbul oder Spa-Francorchamps waren alles andere als Publikumsmagneten. Sie sind zudem ein Dorn im Auge deutscher DTM-Fans, die sich grundsätzlich mehr Rennen auf heimischem Boden wünschen. Tatsache ist, dass es seit 2005 jährlich nicht mehr als maximal sechs deutsche Austragungsorte im DTM-Kalender gab.

War das Sonntagsrennen in Misano zu spät?, Foto: DTM
War das Sonntagsrennen in Misano zu spät?, Foto: DTM

Reuter: Es geht über die Namen

Für Manuel Reuter spielt neben einer Konstanz im Kalender noch ein anderer Faktor eine Rolle, ob die DTM auch im Ausland funktioniert. "Es geht über die Namen", sagt der frühere ITC-Champion zu Motorsport-Magazin.com. "Wir hatten früher Markku Alen, J J Letho und Keke Rosberg als Beispiel für finnische Fahrer bei den Rennen in Helsinki. Wir hatten auch Michele Alboreto, Nicola Larini, Alessandro Nannini und Gabriele Tarquini - das war schon ein anderer Bezug etwa für Fans in Italien."

Das sei die gleiche Geschichte mit Max Verstappen, der in Spa und Hockenheim die niederländischen Formel-1-Fans mobilisiert hätte. "Früher standen die Fahrer viel mehr im Vordergrund. Wir durften viel mehr, wir hatten kein Korsett. Jeder war ein Typ auf seine Art und Weise. Mit den Herstellern kamen dann die Maulkörbe. Es braucht ganz viele unterschiedliche Bausteine, um ein tolles Produkt zu haben."

Idee: DTM trifft Superbike-WM

Etwa den Event-Charakter einer DTM-Veranstaltung, den Berger immer wieder hervorhebt - ob spannende Rahmenrennserien oder Konzerte mit bekannten Künstlern. In Misano besuchten mehrere tausend Zuschauer den Auftritt des italienischen Rockstars Gianna Nannini, der Schwester des früheren Formel-1- und DTM-Piloten Alessandro Nannini, direkt an der Rennstrecke.

Und beim nächsten Event am kommenden Wochenende auf dem Nürburgring (7.-9. September) findet in der Müllenbachschleife eine "DTM After Race Party" im Rahmen einer Kooperation mit dem parallel stattfindenden Musikfestival "Olé Party" statt. Bei der größten Oper-Air-Party Deutschlands sind viele Größen der Schlagerszene dabei: Mickie Krause, Michelle, Mia Julia, Michael Wendler und erstmalig auch Maite Kelly und Oli P.

Ursprünglich war nach Informationen von Motorsport-Magazin.com sogar angedacht gewesen, in Misano ein gemeinsames Event mit DTM und Superbike-Weltmeisterschaft zu veranstalten. Aus organisatorischen Gründen konnte dieser Plan nicht realisiert werden. Eine mögliche Umsetzung dieser sehr guten Idee dürfte damit aber noch längst nicht vom Tisch sein. Sie wäre wohl der gewünschte Erfolgsschlüssel!