Der angekündigte Ausstieg von Mercedes aus der DTM zum Ende der Saison 2018 hat nicht nur Folgen für die Serie, sondern auch für die Fahrer. Die sechs Piloten aus dem Kader der Stuttgarter müssen sich in gut einem Jahr eine neue Beschäftigung suchen. Eine schmackhafte Alternative dürfte die junge Formel E sein, in der sich Mercedes ab der Saison 2019/20 mit einem Werksteam engagieren wird.

Dafür braucht der Hersteller im besten Fall Fahrer, die Erfahrung in der neuen Elektro-Welt aufweisen. Nicht umsonst tauchten bei den derzeitigen Testfahrten der Formel E in Valencia einige überraschende Namen auf. Der amtierende DTM-Vizemeister Edoardo Mortara sowie Mercedes-Ersatzpilot Daniel Juncadella drehten in Spanien ihre Runden in einem Formel-E-Auto.

Nicht Mortaras erster Formel-E-Einsatz

Wie Motorsport-Magazin.com weiß, war es nicht Mortaras erste Ausfahrt in der Formel E. Schon während seiner Zeit bei Audi-Team Abt testete der 30-Jährige einen der Elektro-Rennwagen. In Valencia saß er an allen drei Testtagen im Boliden des monegassischen Rennstalls Venturi, für den Maro Engel in der abgelaufenen Saison an den Start gegangen war.

Zumindest nicht auszuschließen, dass Mortara parallel zur DTM schon bald sein Renndebüt in der Formel E geben könnte. Die neue Saison startet Anfang Dezember 2017 in Hongkong, China. Ein ähnliches Doppelprogramm hatte zuletzt auch Mercedes-Kollege Engel durchlaufen. Er verpasste die ersten beiden Testtage wegen seiner kirchlichen Hochzeit und griff erst am Donnerstag ins Geschehen ein.

Vorstufe des Werks-Einstiegs von Mercedes

Dass Engel für Venturi fuhr und Mortara für das vergleichsweise kleine Team aus Monaco testete, ist jedenfalls kein Zufall. Mit der ZF-Gruppe haben Venturi und das langjährige Mercedes-Einsatzteam HWA einen gemeinsamen Partner. ZF hat den Antriebsstrang für Venturi entwickelt. Gerüchte halten sich hartnäckig, dass Mercedes eine Option auf einen weiteren Teamplatz schon für die Saison 2018/19 ziehen könnte und mit einem HWA-Privatteam auf ZF-Technik setzt. Das angesammelte Wissen könnte den Werkseinstieg zur Saison 2019/20 erleichtern.

Mortara wäre wohl ein geeigneter Kandidat für die Formel E, die Rahmenbedingungen passen. Im Formelsport feierte er zahlreiche Erfolge, 2012 testete er sogar für das Formel-1-Team von Lotus-Renault in Abu Dhabi. Und dass der 30-Jährige die in der Formel E üblichen Stadtkurse mag, ist kein Geheimnis. Kein anderer Fahrer feierte mehr Erfolge beim Straßenrennen in Macau, sowohl im Formel- als auch im GT-Auto. 2009 und 2010 gewann er das Prestigerennen im Formel-3-Auto, später auch im GT-Boliden.

Edo Mortara bei den Formel-E-Tests in der Venturi-Box, Foto: LAT Images
Edo Mortara bei den Formel-E-Tests in der Venturi-Box, Foto: LAT Images

E-Debüt für Juncadella

Neben Mortara fuhr auch Mercedes-Ersatzmann Juncadella bei den Tests in Valencia. Der Spanier war am Donnerstag am Start und vertrat beim indischen Rennstall Mahindra Stammpilot Nick Heidfeld. Der frühere Formel-1-Fahrer reiste vorzeitig für das US-Rennen in Petit Le Mans ab. Heidfeld wurde bereits von Mahindra für die neue Saison bestätigt - an der Seite von Felix Rosenqvist, der in seiner ersten Formel-E-Saison beeindruckte und zuvor bei einigen DTM-Rennen für Mercedes startete.

"Ein tolles Gefühl, ganz anders als alles andere", sagte Juncadella nach seiner ersten Ausfahrt. "Aber es ist sehr interessant, sich mit den neuen System vertraut zu machen. Und am Ende ist es immer noch ein Formelauto." Die Formel E dürfte für Juncadella, der aktuell nur das Mercedes-Renntaxi fährt, eine spannende Option sein. Vor seiner Zeit in der DTM von 2013 bis 2016 war der 26-Jährige erfolgreich im Formelsport unterwegs.

Venturi hat sein Lineup für die Formel E 2017/18 noch nicht bekanntgegeben, Foto: LAT Images
Venturi hat sein Lineup für die Formel E 2017/18 noch nicht bekanntgegeben, Foto: LAT Images

Macau als Gradmesser

Der Titelgewinn in der Formel 3 ermöglichte Juncadella damals den Einstieg in die DTM. Im Tourenwagen konnte er nicht an seine Formel-Erfolge anknüpfen, doch den Kontakt zur Openwheeler-Szene verlor er nie. 2015 und 2016 startete Juncadella erneut in Macau, nachdem er das Rennen schon 2011 gewonnen hatte. Die Formel-E-Teams schauen gern nach Macau wegen der vergleichbaren Verhältnisse zu den üblichen Stadtkursen. So führte Rosenqvist der Macau-Doppelsieg 2014 und 2015 später in die Elektroserie.

Neben Engel, Mortara und Juncadella scheinen auch andere Mercedes-Fahrer nicht abgeneigt, nach der DTM in der Formel E eine neue Heimat zu finden. Etwa Urgestein Gary Paffett. "Die Formel E ist eine Möglichkeit", sagte der Brite zu Motorsport-Magazin.com. "Das wäre toll, das Projekt würde ich total gerne anführen, auch als eine neue Herausforderung für mich." Auch für Jungspund Lucas Auer könnte die Formel E eine Option sein, falls es nicht mit dem Schritt in die Formel 1 klappen sollte.

Mercedes ist nicht der einzige Hersteller, der schon jetzt Fahrer in der Formel E einsetzt, um den Werkseinstieg vorzubereiten. BMW vertraut etwa auf die Dienste von Antonio Felix da Costa, der vor seiner vierten Saison in der Elektro-Serie steht. Zudem ließen die Münchner in Valencia erstmals DTM-Stammfahrer Tom Blomqvist testen. Porsche hält es ähnlich und schickt ab diesem Jahr seine beiden Werksfahrer Andre Lotterer und Neel Jani an den Start.