Mit den Plätzen drei und vier betrieb das Audi-Duo Green/Mortara im ersten Rennen auf dem Nürburgring Schadensbegrenzung, wenngleich der Abstand auf Marco Wittmann weiter anwuchs. Als einziger Hersteller haben die Ingolstädter noch zwei Fahrer im Kampf um die Meisterschaft involviert. Nur vier Punkte trennten die Green und Mortara vor dem Rennen. Bis zur letzten Runde sah es danach aus, als würde der Abstand auf einen Zähler schmelzen. Doch dann ließ der Italiener seinen britischen Markenkollegen absichtlich ziehen. So überraschend, dass selbst die Herren bei der Siegerehrung über der dritten Stufe des Podiums noch die italienische Flagge ausrollten.

Jamie Green musste bei der Siegerehrung unter der italienischen Flagge stehen, Foto: DTM
Jamie Green musste bei der Siegerehrung unter der italienischen Flagge stehen, Foto: DTM

Teamwork nach doppelt-gescheiterter Blomqvist-Attacke

Um eine reine Stallorder zu Meisterschaftszwecken handelte es sich hierbei jedoch nicht. Zu Beginn des Rennens versuchte Green rundenlang, am vor ihm fahrenden Tom Blomqvist vorbeizukommen. Nachdem er es nicht schaffte, orderte Audi den dahinter anstehenden Mortara an Green vorbei. Dieser Schachzug schien auch zunächst aufzugehen. Während Green abreißen lassen musste, setzte Mortara den BMW-Piloten Blomqvist stark unter Druck. Kurzzeitig schien er sogar vorbeizukommen, ehe der Brite sich mit allen verfügbaren Mitteln doch noch vorne halten konnte.

Fünf Minuten vor Rennende gingen Mortara dann die DRS-Schüsse aus, weitere Angriffe auf Blomqvist folgten nicht mehr. Da er es - wie auch Green - nicht schaffte, auf Rang zwei vor zu fahren, gab er seinen Platz wieder an Green zurück - so berichten die Beteiligten. "In so einer Situation ist es nur fair, dass der, der vorbeidurfte, um es auch mal zu probieren, eine Position zurückgibt, die er so auf der Strecke nicht gehabt hätte. Das ist Teamwork, wie ich mir das vorstelle", erklärte Audis DTM-Leiter Dieter Gass.

Ähnlich berichten es auch die Fahrer. "Audi hatte das Gefühl, dass - wenn ich Tom nicht überholen kann - es Edo versuchen sollte", berichtet Green gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Edo konnte ihn aber auch nicht sauber überholen, deswegen hat er mir am Ende den Platz zurückgegeben. Das ist nicht so kompliziert." Und auch Mortara berichtet: "Er hat mir am Anfang geholfen, weil er mich vorbeigelassen hat. Er hat mir die Chance gegeben, Tom zu attackieren. Ich habe es nicht vorbei geschafft, wir haben uns berührt. Dann habe ich ihm einfach seine Position zurückgegeben. Es ist irgendwo normal, um ehrlich zu sein."

Edoardo Mortara befindet sich aktuell in einer schwierigen Situation, Foto: Audi
Edoardo Mortara befindet sich aktuell in einer schwierigen Situation, Foto: Audi

Abwärtstrend für Mortara seit Zandvoort

Und doch ist es für Mortara derzeit keine einfache Situation. Seit dem Wochenende in Zandvoort fiel der Italiener sukzessive etwas zurück. In den fünf Rennen seither sammelte er 39 Punkte. Green kommt im gleichen Zeitraum auf 56 Zähler, Robert Wickens auf 52, Marco Wittmann sogar auf sensationelle 80 Punkte. Den Grund sieht Mortara noch immer in der unberechtigten Strafe, die er in den Niederlanden erhielt. "Was wirklich sehr hart war, war die Strafe, die sie mir in Zandvoort fälschlicherweise gegeben haben. Das ist eine Million Mal schlimmer, als das, was in den Rennen passiert", blickt er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zurück.

Damals wurde ihm vorgeworfen, in einer Slow Zone zu schnell unterwegs gewesen zu sein. Die GPS-Daten hatten dieses vermeintliche Vergehen an die Stewards geleitet, diese sprachen recht zügig eine Durchfahrtsstrafe aus. Mortaras Rennen war gelaufen. Nach dem Rennen der große Schock: Es handelte sich um einen Übertragungsfehler, die GPS-Daten waren nicht korrekt. Mortara hatte kein Fehlverhalten begangen.

Am Samstag konnten beide Audi-Piloten die Lücke auf Robert Wickens quasi schließen, Green ist bis auf einen Punkt am Mercedes-Fahrer dran. Wittmann an der Spitze jedoch enteilt immer weiter. Kommt es demnächst also zu einer richtigen Stallorder bei Audi? Aktuell zumindest sieht Dieter Gass beide noch mit Chancen. "Ich glaube, beide haben noch ihre Chancen. Jamie hat ein paar Punkte mehr, das muss man immer ein bisschen berücksichtigen. Aber grundsätzlich sehe ich beide noch in der Position und mit der Möglichkeit, sich in der Meisterschaft noch weiter nach vorne zu bewegen", sagte Gass.

Green dennoch die Nummer 1?

Bleibt die Frage, ob es auch bei entgegengesetzter Konstellation heute zu einem Rücktausch der Positionen gekommen wäre. Blickt man drei Wochen zurück, könnte man eine Antwort auf die Frage finden. In Moskau wurde Mortara aufgefordert, Green vorbeizulassen - ohne, dass es vorher teamintern zu Absprachen gekommen sei. "Moskau war etwas schwieriger zu verstehen, aber heute hatte ich ehrlich gesagt kein Problem. Er hat mir zuerst geholfen und ich habe ihm einfach nur seine Position zurückgegeben", so Mortara. Vielleicht liefert schon der Sonntag ein neues Kapitel...