Warum bekam Wickens die schwarze Flagge?

Bis zur 22. Runde lief das Wochenende für Robert Wickens absolut nach Plan. Nach der Pole am Samstag führte der Kanadier das Feld an. Der entscheidende Fehler unterlief seinem Team: Sie schickten Wickens los, obwohl Timo Glock in der Boxengasse unterwegs war und bremsen musste. "Unsafe Release", das befand auch die Rennleitung und verhängte eine Durchfahrtsstrafe. Zu der trat Wickens allerdings nicht innerhalb der vorgeschriebenen drei Runden an und wurde mit der schwarzen Flagge disqualifiziert.

"Das war die krasseste Fehlentscheidung, die die DTM je gesehen hat", polterte er. Seiner Meinung nach haben die Rennkommissare die Fälle verwechselt: "Wehrlein hatte einen Unsafe Release, aber das wurde zurückgezogen. Die haben das mit Wickens verwechselt. Wir haben diskutiert, aber gegen die schwarze Flagge können wir nichts machen." Selbst Mercedes-Motorsportchef Toto Wolf, der nach seinem Fahrrad-Unfall zuhause weilte, wurde telefonisch in die Diskussionen eingeschaltet und sagte später: "Die Entscheidung ist für mich nicht nachvollziehbar, zumal sie nicht konsistent mit anderen Entscheidungen ist, die getroffen wurden. Allerdings müssen wir die Strafe akzeptieren, so sind nun mal die Regeln."

Weshalb wurde Wehrlein nicht bestraft?

Pascal Wehrlein wurde zunächst freigesprochen, Foto: DTM
Pascal Wehrlein wurde zunächst freigesprochen, Foto: DTM

Die Frage aller Fragen. Während Wickens seinen Kontrahenten nur behinderte, knallte Pascal Wehrlein dem in der "Fastlane" fahrenden Marco Wittmann voll in die Seite. Die Kollision war so heftig, dass Wehrlein sein Auto wenige Runden später mit einer defekten Lenkung in der Garage abstellen musste. Doch bereits zuvor wurde er von der Rennleitung freigesprochen und bekam anders als Wickens zur Verwunderung vieler Beteiligten keine Durchfahrtsstrafe.

Nach dem Rennen wurde der Fall neu aufgerollt, die Rennkommissare schienen das fehlerhafte Verhalten erkannt zu haben. Wehrlein wurde nachträglich bestraft und muss beim nächsten Rennen auf dem Nürburgring drei Plätze weiter hinten starten. Und das, obwohl ihn selbst keine wirkliche Schuld trifft: "Sobald das Auto runtergeht, gibt man als Fahrer Gas. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass jemand neben mir war", erklärte Wehrlein die Situation aus seiner Sicht.

Wieso fuhr Green zu spät an die Box?

Was zunächst aussah wie ein strategischer Clou, stellte sich wenig später als großer Fehler heraus. Als Jamie Green in Runde 23 als letzter Fahrer seine Optionsreifen gegen die härteren Pneus austauschte, konnte er die Führung vor Augusto Farfus übernehmen. Allerdings hätte er die Reifen bereits eine Runde früher wechseln müssen und bekam so eine Durchfahrtsstrafe, die ihn bis auf den achten Platz zurückwarf.

"Als alle Fahrer vor mir in die Box gefahren bin, habe ich entschieden weiter zu fahren, obwohl mich mein Team zum Boxenstopp gerufen hat", musste Green nach dem Rennen gestehen. "Es war mein Fehler und dafür muss ich mich beim Team entschuldigen. Wenn einer von uns einen Fehler macht, dann bezahlen wir alle dafür. Schade, denn ohne die Strafe hätten wir um das Podium gekämpft."

Welche Fahrer bekamen noch eine Strafe?

Nicht nur in der Spitzengruppe gab es Strafen, sondern auch im Mittelfeld. Als Antonio Felix da Costa seinen BMW mit einem technischen Defekt nach zehn Runden nach der dritten Kurve am Streckenrand abstellte, wurden logischerweise gelbe Flaggen gesenkt. Gefahr, Tempo rausnehmen - so lautet die allgemein bekannte Regeln, die jeder Fahrer kennen sollte. Vergessen haben das anscheinend Nico Müller, Joey Hand, Edoardo Mortara, Maxime Martin und Daniel Juncadella. Alle fuhren im zweiten Streckenabschnitt unter gelber Flagge zu schnell und kassierten dafür eine Durchfahrtsstrafe.

"Ich habe die gelben Flaggen gesehen", stellte Juncadella klar. "Aber die Regeln sind sehr schwierig zu befolgen, besonders auf dieser Strecke. Das Ende des zweiten Sektors ist eine Kurve, in der man das Tempo im Vergleich zur vorherigen Runde schwer einschätzen kann. Und am Ende ist man dann drei Hundertstel zu schnell."

Kann gegen die Strafen Protest eingelegt werden?

Ähnlich wie im Fußball gibt es auch in der DTM Tatsachenentscheidungen. So sagt Artikel 17.2 des sportlichen Reglements, dass keine Proteste gegen die folgenden Entscheidungen des Renndirektors möglich sind: Durchfahrtsstrafen, 10-Sekunden-Strafen, Boxenstopp-Strafen. Besonders pikant war das natürlich bei den Strafen gegen Wickens und Green - selbst wenn sich Mercedes und Audi zu Unrecht bestraft fühlten, konnten sie nicht gegen die Entscheidungen vorgehen. Gleichwohl ist es aber möglich, dass der DMSB nach dem Rennen bereits verhängte Strafen der Rennleitung noch verschärft.

Wie schaffte es Wittmann bis zum Sieg?

Marco Wittmann lässt sich von seinem Team feiern, Foto: BMW AG
Marco Wittmann lässt sich von seinem Team feiern, Foto: BMW AG

Direkt nach dem Start sah es für das Schwergewicht Marco Wittmann gar nicht gut aus. Von Rang drei gestartet fiel er bis auf Position sieben zurück. "Ich hatte einen sehr schlechten Start, ich habe mit weniger Grip gerechnet, und meine Motordrehzahl in den Keller fallen lassen", so Wittmann. Positionen konnte er in der Folge zunächst nicht gewinnen, in der Boxengasse kam es sogar zu einer Kollision mit Pascal Wehrlein, die Wittmann allerdings unbeschadet überstand.

Danach ging es für den Tabellenführer steil nach vorne, auch weil Wickens und Green Strafen kassierten und er im Duell mit seinen Markenkollegen keine Mühe hatte. "Danke an Gustl und Timo, die da sehr fair waren", sagte Wittmann zu den problemlosen Überholmanövern, die ihm letztlich den Sieg brachten. Teamorder soll dabei nicht im Spiel gewesen sein, sagt BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt: "So wie Marco auf der Strecke unterwegs war und wie er am Schluss gefahren ist, glaube ich nicht, dass es irgendwo Anstoß geben kann."

Ist Wittmann überhaupt noch zu stoppen?

Noch will Marco Wittmann immer noch nichts davon wissen, dass er Titelkandidat Nummer eins ist. "Ich denke von Rennen zu Rennen, so werde ich auch in Zukunft weiter machen", ließ der souveräne Tabellenführer wissen. Bei noch maximal 100 zu vergebenen Punkten ist vier Rennen vor dem Saisonende noch lange nichts entschieden. "Es kann noch viel passieren und man darf sich keine Nullnummer erlauben. Marco hat schon einer, daher ist es noch ein weiter Weg", mahnt Marquardt. Beim nächsten Rennen auf dem Nürburgring kann noch keine Entscheidung im Titelkampf fallen, denn dort könnte Wittmann maximal einen Vorsprung von 64 Punkten herausfahren, 75 Punkte wären nötig. Schon am Lausitzring kann es allerdings soweit sein, wenn Wittmann in den kommenden beiden Rennen elf Punkte mehr sammelt als Mattias Ekström.

Warum lief es bei Mercedes nicht?

Christian Vietoris wurde bester Mercedes-Pilot, Foto: DTM
Christian Vietoris wurde bester Mercedes-Pilot, Foto: DTM

Nach dem umjubelten Qualifying am Samstag, als Mercedes neben dem Pole-Mann Wickens mit Pascal Wehrlein und Christian Vietoris zwei weitere Fahrer in den ersten vier Startreihen platzieren konnte, lief im Rennen alles schief. Wickens und Wehrlein wurden die oben angesprochenen Boxenstopp-Pannen zum Verhängnis und auch von den fünf Teamkollegen war nicht viel zu sehen. Nur Christian Vietoris schaffte es als Neunter in die Punkte, verlor im Laufe des Rennens aber mehrere Positionen.

"Das war ein schwieriges Rennen, in dem mit einer anderen Strategie mehr möglich gewesen wäre. Aber letztlich konnte keiner der Fahrer, die auf den Prime-Reifen gestartet sind, nach vorne aufschließen", sagte Christian Vietoris, der erst beim Boxenstopp auf die weichen Reifen wechselte. Bei seinen Teamkollegen gab es ganz individuelle Probleme, etwa die Durchfahrtsstrafe gegen Daniel Juncadella. Paul Di Resta verlor einige Postionen, weil er von Joey Hand neben die Strecke gedrückt wurde. Und Gary Paffett, der als vermutlich als einziger Mercedes-Pilot mit einem anderen Fahrwerk unterwegs war, kam überhaupt nicht in Tritt. So bleibt Mercedes beim nächsten Rennen am Nürburgring nichts anderes offen, als wie in Oschersleben und Nürnberg auf Wetter-Kapriolen zu hoffen. Immerhin sind die in der Eifel ja nicht ganz unwahrscheinlich...