Den Aufreger des Rennens präsentierten Edoardo Mortara und Gary Paffett. Der Audi-Pilot hatte sich auf frischen Reifen an den Ex-Champion herangearbeitet, der seit der Safety-Car-Phase auf dem Satz Standardreifen unterwegs war. Zwei Runden vor Schluss gab es die erste Kollision, in der Mortara Paffett in der Grundigkehre geradeaus schickte. Sein Audi wurde dabei stark beschädigt, so dass Paffett eineinhalb Runden später zusammen mit Vietoris wieder hinter Mortara auftauchte. Ein zunächst brillant erscheinendes Manöver endete mit der abermaligen Kollision der beiden Kontrahenten, die dadurch mit null Punkten nach Hause fahren.

"Edo ist ein kompletter Idiot", schimpfte Paffett in einer ersten Kurzschlussreaktion in die Mikrofone. "Beim ersten Mal war es nur sein Fehler!" Sicher wird kaum jemand Paffett hier widersprechen. In Runde 81 fahren beide Kontrahenten auf die Grundigkehre zu, Mortara mit frischen Reifen im Windschatten von Paffett. Es ist die letzte Chance, mit DRS zu überholen. Paffett macht die Innenbahn dicht, Mortara will - wohl wissend, dass es aussichtslos wäre - nicht außen herum attackieren, und schiebt den Mercedes beim Bremsen von der Strecke.

Wie früh hat Paffett gebremst?

Auf der Ideallinie lässt es sich deutlich später anbremsen als innen, Foto: RACE-PRESS
Auf der Ideallinie lässt es sich deutlich später anbremsen als innen, Foto: RACE-PRESS

"Meistens gehören bei solchen Geschichten zwei dazu", versuchte Dieter Gass, der DTM-Einsatzleiter von Audi, Mortara etwas in Schutz zu nehmen. "Es sieht so aus, als habe Gary etwas früh gebremst." Dabei darf man jedoch neben der Reifensituation nicht vergessen, dass auf der Innenbahn nicht so spät gebremst werden kann wie auf der Ideallinie. So sah es auch Timo Scheider: "Der Gary bremst beim ersten Manöver innen an, da bremst er natürlich ein bisschen früher, vielleicht war Edo davon überrascht."

Es wäre jedoch falsch zu behaupten, Gass wolle hier die Schuld beim Mercedes-Piloten suchen. Insgesamt schlug er versöhnliche Töne an: "Keiner von ihnen hat verdient, was passiert ist. Nach 80 Runden Norisring und 60 Grad im Cockpit geht es nun mal heiß her. Beide wollten die Ernte einfahren." Insgesamt ist in der ersten Szene die Schuldfrage klar - Mortara ist auf Paffett draufgefahren, Bremsprobleme hin, Reifenunterschiede her. So etwas muss man als Fahrer bedenken, wenn es auf einen Bremspunkt zugeht. "Vielleicht sollte man mit Titelkandidaten weniger hitzig umgehen", sagte Mercedes-Sportchef Toto Wolff leicht angesäuert.

Vermeidbarer Rennunfall am Dutzendteich

Wesentlich offener gestaltet sich die Schuldfrage in der zweiten Szene. "Beim zweiten Mal bin ich innen und er fährt in mich rein", versuchte Paffett die Schuld auch hier eindeutig auf den Audi-Piloten abzuschieben. Doch so einfach ist es nicht, denn Paffett hätte die Kollision verhindern können.

Während Mortara mit völlig zerstörtem Auto über den Kurs humpelte - Paffett hätte er niemals bis ins Ziel hinter sich halten können - war jener noch voll einsatzfähig und mit einem riesen Hals unterwegs. Sein Manöver in der Dutzendteichkehre sah zunächst nach einem Geniestreich aus: Vietoris war außen hinter Mortara eingeklemmt, Spengler setzte sich innen daneben und schnappte sich so nicht nur seinen Markenkollegen, sondern auch den waidwunden Audi. Die Beschädigung an Mortaras Fahrzeug hatte Paffett möglicherweise nicht wahrgenommen.

Doch statt Mortara innen auszubeschleunigen, ließ sich Paffett sehr weit raustragen. Entweder, um Mortara seinen Unmut zu zeigen, oder der alten Reifen wegen. Mortara in die Wand drängen und Selbstjustiz üben wollte er eindeutig nicht, denn dazu hätte er sich noch breiter machen müssen. Gleichzeitig zog Mortara leicht nach links. Dem Audi-Piloten drehten die Hinterreifen beim Beschleunigen durch, so dass die Frontpartei früher als gewöhnlich wieder in Fahrbahnmitte zeigte. So touchierte Paffetts Heck Mortaras Frontpartie, für beide war das Rennen gelaufen.

Zu viel Risiko auf beiden Seiten

Insgesamt hätte Paffett mehr zur Unfallvermeidung tun können, indem er sich weniger weit hätte heraustragen lassen. Gerade mit der Erfahrung eines Ex-Champions wären die sicheren Punkte hier mehr wert gewesen als eine Lektion für Mortara. Dieser wird als Erfahrung mitnehmen können, dass ein solch aussichtsloser Kampf nichts gebracht hat und er mit seinem beschädigten Auto die beiden Mercedes besser hätte passieren lassen sollen, um P5 einzufahren. Selbst wenn er noch einmal auf Start/Ziel gegengehalten hätte, wären beide Mercedes beim nächsten Bremspunkt vorbeigezogen, da der beschädigte Audi hier die größten Probleme gehabt hat. Die zweite Kollision ist aber als Rennunfall einzustufen.

Motorsport-Magazin.com hat beide Streithähne exklusiv zu dem Vorfall interviewt. Lesen Sie die Statements der beteiligten Fahrer hier in Kürze!