Wie kommt man zum Job des Teamchefs in der DTM?
Stefan Reinhold: Man muss erst einmal für sich selbst wissen, dass man Teamchef sein möchte. Dann muss man Ideen ausarbeiten, ein Konzept erstellen und sich - wie in meinem Fall - bei BMW bewerben. Ich bekam schließlich den Zuschlag. Es war ja seit geraumer Zeit bekannt, dass BMW die Rückkehr in die DTM plant - also rief ich bei BMW Motorsport an und fragte, ob ich mich bewerben könne. Ein paar Kontakte hatte ich auch nach München, wie zum ehemaligen Motorsportchef Dr. Mario Theissen, den ich aus meiner Zeit in der Formel 1 kannte.

Wie sieht so eine Bewerbung konkret aus?
Stefan Reinhold: Das war ein Konzept mit gewissen Strukturen, wie ich mir die Arbeit in der DTM vorstelle. Natürlich brachte ich auch neue Ideen ein. Im Laufe der Jahre habe ich einiges an Erfahrung gesammelt und mir die Frage gestellt, was man noch besser machen kann. Zu dem Konzept gehören vor allem die Organisation des Unternehmens sowie die Arbeit an der Strecke - danach hat man eine gute Vorstellung, wie so ein Team aussehen soll.

Zu einem Team gehören auch Mitarbeiter...
Stefan Reinhold: Genau, bei RMG sind ungefähr 25 Mitarbeiter beschäftigt. Darunter sind einige, mit denen ich bereits gemeinsam bei Toyota in der Formel 1 gearbeitet hatte und sogar welche, die ich damals dahin gebracht hatte. Ich bin froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, ein paar der Leute wieder in mein Team integrieren zu können - dadurch lebt der Zusammenhalt weiter. Wir haben allerdings auch Leute aus der DTM und dem GT-Sport im Team. Als bekannt wurde, dass wir mit BMW in der DTM arbeiten würden, flatterten einige Bewerbungen ins Haus.

Wie war Ihr Gefühl, als die Zusage von BMW kam?
Stefan Reinhold: Ich habe mich natürlich gefreut. Zeit zum Korken knallen lassen war allerdings keine, denn ab diesem Moment ging die Arbeit erst richtig los. Bei der Ernsthaftigkeit, die das Thema DTM umgibt, findet man nicht immer Zeit für ausgelassene Freude, denn der Terminkalender ist voll. Eigentlich schade, aber jeden Tag gibt es etwas Neues zu tun, das bis zum ersten Saisonrennen funktionieren muss. Aber natürlich macht die Arbeit großen Spaß.

Der M3 DTM in Action beim Spanien-Test, Foto: BMW
Der M3 DTM in Action beim Spanien-Test, Foto: BMW

Die ersten Testfahrten sind über die Bühne gegangen. Wie läuft die Organisation ab?
Stefan Reinhold: BMW Motorsport hat seine Zentrale für die Koordination in München für alles, was die Technik betrifft. Dort werden die Autos durch die Teams aufgebaut, wir sind in die Arbeit involviert. Der Zeitplan ist eng, bis zum Jahresende stehen einige Testfahrten an. Davor mussten wir hier in Niederzissen die komplette Infrastruktur aufbauen, denn die Hallen waren fast leer, als wir hier eingezogen sind. Wenn die Tests in diesem Jahr abgeschlossen sind, bereiten wir uns sofort auf die weiteren Testfahrten im Januar vor. Dazu kommt der Aufbau der Rennautos, der im ersten Quartal 2012 ansteht. Es muss alles genauestens geplant werden, inklusive Rennvorbereitung, Pitstopp-Training und so weiter.

Läuft die Arbeit bislang wie gewünscht?
Stefan Reinhold: Schaut man sich unsere Team-Entwicklung vom ersten Rollout des Autos bis zu den ersten Testfahrten mit dem BMW M3 an, erkennt man eine positive Steigerung. Die Abläufe spielen sich ein, man muss die Technik ja erst einmal kennen lernen. Die Zusammenarbeit mit BMW war von Anfang an gut. Einige unserer Teammitglieder kennen sich bereits, andere müssen schnellstmöglich integriert werden. Wir arbeiten professionell, gehen die Sache aber auch mit einer lockeren Grundstimmung an.

Ein M3 steht meist in Niederzissen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Ein M3 steht meist in Niederzissen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Wo befinden Sich die Autos, wenn sie nicht gerade bei den Tests unterwegs sind?
Stefan Reinhold: Ein Auto steht meist in unserer Halle. Manchmal wird der M3 DTM auch nach München verfrachtet, denn zwischen den Testfahrten hatten wir zahlreiche Updates. Dort werden Teile angepasst und gegebenenfalls eingemessen. Die Rennautos kommen erst nächstes Jahr, aber das Modell, welches wir hier haben, befindet sich meist auf dem aktuellen Stand der Entwicklung.

Inwieweit haben Sie Einfluss auf die Aerodynamik des Autos?
Stefan Reinhold: Die Aerodynamik des Autos wird erst einmal im Windkanal entwickelt und dann auf der Strecke getestet. Die Ergebnisse gleichen wir mit BMW ab und auf dieser Basis wird das Auto weiter entwickelt.

Was passiert konkret zwischen den Testfahrten mit dem M3 DTM, während er hier in Niederzissen steht?
Stefan Reinhold: Zunächst wird das Auto zerlegt, dann führen wir die üblichen Checks durch. Außerdem verbauen wir neue Teile und analysieren mögliche Probleme. Stand heute läuft der Wagen schon sehr zuverlässig, vieles ist zur Routine geworden. Aber ein Auto ist nie fertig, wenn man es noch schneller machen kann. Es muss nur alles innerhalb des Reglements geschehen. Vor den Testfahrten machen wir uns Gedanken, was wir genau testen wollen und wo der Weg hinführt. Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Ideen konkret auf die Strecke bringen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen beiden BMW-Teams? Tauschen Sie sich untereinander aus?
Stefan Reinhold: An der Strecke sowieso, ansonsten stehen wir in telefonischem Kontakt. Das sind zwar Konkurrenten, aber wir haben ein Projekt, bei dem alle am Erfolg teilhaben, wenn es gut läuft. Der Erfolg wird maximiert, wenn alle Hand in Hand bei der Entwicklung helfen, wir fahren ja für BMW. Wir haben einen riesigen Berg an Aufgaben, die zum Teil unter den Teams aufgeteilt werden.

Wie sieht die Arbeit während der Testfahrten aus?
Stefan Reinhold: Vor dem Test wird definiert, welche Dinge erledigt werden müssen. Dann arbeiten wir die Jobs ab. Es gibt Programme seitens BMW und seitens der Teams, diese werden je nach Ideen zusammengefasst. Dann versucht man, diese in der gegebenen Zeit abzuarbeiten. Es ich wichtig, dass eine Reproduzierbarkeit vorhanden ist, damit wir genau wissen, was wir da getestet haben. Anschließend setzen sich die Ingenieure der Teams zum Briefing zusammen.

Stefan Reinhold steht Motorsport-Magazin.com Rede und Antwort, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Stefan Reinhold steht Motorsport-Magazin.com Rede und Antwort, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Werden die anwesenden Piloten während der Tests den einzelnen Teams zugeordnet?
Stefan Reinhold: Nein, wir wechseln regelmäßig durch. Feste Fahrer gibt es nicht, jeder steigt in jedes Auto ein. So lernen wir die Piloten und ihre Arbeitsweisen auch besser kennen, denn als Team musst du dich auf den Fahrer einstellen.

Wie sieht der Input des Fahrers während der Tests aus?
Stefan Reinhold: Die Piloten nehmen bei den Tests eine Schlüsselrolle ein. Die Sensorik der Autos ist relativ begrenzt, da ist der Fahrer ein wichtiger Bestandteil bei der Beurteilung. Wir diskutieren mit den Jungs nicht nur die Setup-Einstellungen, die Fahrer sind auch angehalten, sich operativ einzubringen, was die Arbeiten an der Box angeht. Der Pilot erkennt eine ganze Menge von dem, was drum herum passiert.

Was können Sie aus Ihrer Zeit in der Formel 1 für Ihren jetzigen Job als Teamchef mitnehmen?
Stefan Reinhold: Ich fing damals als Applikationsingenieur bei Toyota an und arbeitete später als Gruppenleiter für den Elektronikbereich an der Strecke. In der Formel 1 herrscht bezüglich Arbeit und Organisation ein sehr hoher Anspruch, auf dem Level muss man möglichst fehlerlos arbeiten. Diese Erfahrung hilft bei meiner jetzigen Arbeit. Wenn die Motivation stimmt, ist man immer gewillt, die bestmögliche Arbeit zu leisten. Im technischen Bereich konnte ich viel Erfahrung sammeln, die immer hilfreich ist. In der F1 ist der Pool an Experimenten sehr groß und da sich alles um die Physik dreht, hilft diese Erfahrung.

Wie lautet Ihre Zielsetzung für das erste Jahr in der DTM?
Stefan Reinhold: Wir wollen einen 100-Prozent-Job machen und mit dem Gesamtpaket beim Saisonstart am Hockenheimring das bestmögliche Ergebnis erzielen. Alles weitere lassen wir auf uns zukommen. Wenn es gut läuft, stehen wir am Ende ganz oben - das muss schließlich immer das Ziel im Motorsport sein.