"Vorsicht bissiger Hund!" ist auf dem roten Schild über der Türklingel zu lesen. Das Gelände ist komplett von grünem Maschendrahtzaun umgeben, herein gelangt man nur nach Anmeldung über die Gegensprechanlage. Motorsport-Magazin.com ist nach Niederzissen gereist. Im 3.000-Einwohner-Dörfchen unweit des Nürburgrings hat sich die Reinhhold Motorsport GmbH niedergelassen, in den ehemaligen Hallen des bekannten Motorsport-Unternehmens Zakspeed. Von hier aus leitet Stefan Reinhold die Geschicke des RMG Teams, das in der kommenden Saison für Rückkehrer BMW in der DTM startet.

Wir haben die erste Hürde, also den Einlass auf das großflächige Gelände am Ortsausgang, gemeistert. Schnell wird klar: hier wird BMW gelebt. Drei große, weiße Fahnen bestickt mit dem blau-weißen Propeller flattern im Wind. Im Vorraum steht Autogeschichte zum Anfassen. Ein rot glänzender BMW 501 aus den 50er-Jahren, zwei schwarze M5 sowie andere Klassiker der automobilen Geschichte pflastern den Weg zum Eingangsbereich. Wir befinden uns in den heiligen Hallen der Reinhold Motorsport GmbH, kurz RMG.

Hier kommt man nicht so leicht rein, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Hier kommt man nicht so leicht rein, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Die Protagonisten der DTM, also die Fahrer, sind den meisten bestens bekannt. Doch wie steht es um die Macher hinter den Kulissen? Wie wird man eigentlich Teamchef, Herr Reinhold? "Man muss erst einmal für sich selbst wissen, dass man Teamchef sein möchte", erklärt uns der gebürtige Andernacher. "Dann muss man Ideen ausarbeiten, ein Konzept erstellen und sich - wie in meinem Fall - bei BMW bewerben." Reinhold setzte sich gegen zahlreiche Mitbewerber durch und erhielt schließlich den Zuschlag für die anspruchsvolle Aufgabe.

Ein Konzept, klare Strukturen und gute Ideen sind wichtig - Vitamin B kann allerdings auch nicht schaden. "Ein paar Kontakte hatte ich auch nach München, wie zum ehemaligen Motorsportchef Dr. Mario Theissen, den ich aus meiner Zeit in der Formel 1 kannte", berichtet Reinhold. Neun Jahre lang reiste er mit dem Toyota F1 Team rund um die Welt, arbeitete sich hoch vom Applikationsingenieur zum Gruppenleiter für den Elektronikbereich an der Strecke. Gern erinnert er sich an diese Zeit zurück, in der Vitrine seines Büros springt sofort der Rennhelm ins Auge, den Ralf Schumacher bei seinem letzten Rennen 2007 trug. Stilecht klebt noch Dreck aus Sao Paulo am Kopfschutz.

Die Formel 1 gehört bei Reinhold erst einmal der Vergangenheit an, jetzt liegt der Fokus voll auf dem DTM-Einstieg. Plakate mit der einprägsamen Aufschrift "I M back", darunter der BMW M3 DTM, zieren die in schlichtem Weiß gehaltenen Wände der RMG-Hallen. Inzwischen herrscht im beschaulichen Niederzissen wieder reger Motorsportbetrieb, nachdem Reinhold die leer stehende Halle übernommen hat. "Wir mussten die komplette Infrastruktur aufbauen, denn die Hallen waren fast leer, als wir hier eingezogen sind", erinnert sich Reinhold an den Kraftakt zurück, den Betrieb ans Laufen zu bekommen.

Stefan Reinhold berichtet Motorsport-Magazin.com von seiner Arbeit, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Stefan Reinhold berichtet Motorsport-Magazin.com von seiner Arbeit, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Büromöbel und ein paar Hebebühnen waren vorhanden, um den Rest musste sich Reinhold selbst kümmern. Jetzt ist der untere Teil der Halle mit einem Getriebeshop, Dreherei, Fräserei und Waschhalle ausgestattet, im ersten Stock befinden sich zahlreiche Büros. Ein Fahrrad aus dem Zubehör von BMW mitten in der Halle dient wohl eher der Zierde, flankiert wird es von großen Lastwagen, die die Ausstattung von RMG einmal in Richtung Rennstrecke pilotieren werden. Hier wird also am M3 geschraubt, mit dem BMW an die erfolgreiche Vergangenheit in der DTM anknüpfen will. Etwa 25 Mitarbeiter beschäftigt Reinhold - man kennt sich untereinander. "Darunter sind einige, mit denen ich bereits gemeinsam bei Toyota in der Formel 1 gearbeitet hatte und sogar welche, die ich damals dahin gebracht hatte", sagt Reinhold. "Ich bin froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, ein paar der Leute wieder in mein Team integrieren zu können - dadurch lebt der Zusammenhalt weiter."

Zahlreiche Bewerbungen seien im Hause reingeflattert als bekannt wurde, dass Stefan Reinhold ein DTM-Team zusammenbaut. Inmitten der Hallen mit den schier unendlich hohen Decken steht der M3 DTM. Noch befindet sich BMWs Hoffnungsträger in der Entwicklung, doch laut Motorsportchef Jens Marquardt sei das Auto bereits zu 98 Prozent fertig. "Stand heute läuft der Wagen schon sehr zuverlässig, vieles ist zur Routine geworden", bestätigt Reinhold. "Aber ein Auto ist nie fertig, wenn man es noch schneller machen kann."

Meist steht ein M3 in Niederzissen, gelegentlich wird der weiß lackierte Bolide mit den typischen blau-roten Streifen auch in die Heimat verfrachtet. "Denn zwischen den Testfahrten hatten wir zahlreiche Updates und in München werden Teile angepasst und gegebenenfalls eingemessen", erklärt Reinhold. Die eigentlichen Rennautos werden erst nächstes Jahr ausgeliefert, doch der Bolide in den Reinhold-Hallen ist meist auf dem aktuellen Stand der Entwicklung.

So sieht die RMG-Halle in Niederzissen aus, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
So sieht die RMG-Halle in Niederzissen aus, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Wir haken nach: was verändert sich noch am Auto? Steht die Aerodynamik schon? Werden die Abgase über Sidepipes ins Freie geleitet oder treten sie - wie beim mattgrauen Concept Car des M3 DTM - am Heck aus? Reinhold lächelt und zuckt mit den Schultern. Die Testfahrten in der DTM sind schließlich nicht umsonst geheim, wird uns hier wieder einmal bewusst. Erst nach der Homologisierung im März 2012 steht fest, in welcher endgültigen Erscheinung die neuen Coupes auftreten. Bis dahin steht noch eine Menge Arbeit für Reinhold ins Haus. Alles muss bis zum Auftakt der neuen Saison am Hockenheim stehen: von der grundsätzlichen Logistik an der Strecke bis zum Mechaniker für den rechten Hinterreifen während der Boxenstopps.

"Wir haben einen riesigen Berg an Aufgaben, die zum Teil unter den Teams aufgeteilt werden", gewährt Reinhold einen Einblick in die interne Arbeit unter der Dachmarke BMW. Während er selbst den Motorsportbetrieb von Grund auf aufbauen musste, können die BMW-Kollegen Charly Lamm bei Schnitzer und Bart Mampaey mit RBM auf jahrelangen, bestehenden Strukturen aubauen. Auf der Strecke fahren sie alle gegeneinander um Punkte, abseits hilft man sich untereinander. "Das sind zwar Konkurrenten, aber wir haben ein Projekt, bei dem alle am Erfolg teilhaben, wenn es gut läuft", beschreibt Reinhold die Herausforderung seitens BMW, in die DTM zurückzukehren und es mit den etablierten Herstellern Mercedes und Audi aufzunehmen. "Der Erfolg wird maximiert, wenn alle Hand in Hand bei der Entwicklung helfen - wir fahren ja für BMW."

Stefan Reinhold hat noch viel Arbeit vor sich, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Stefan Reinhold hat noch viel Arbeit vor sich, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Dass hier im kleinen Niederzissen eine Menge entwickelt wird, davon konnte sich Motorsport-Magazin.com selbst ein Bild machen. Ob es reicht, gleich von Anfang an der hart umkämpften Spitze der Tourenwagenserie mitzufahren, steht noch in den Sternen. Reinhold blickt der Mission DTM jedenfalls optimistisch entgegen: "Wenn es gut läuft, stehen wir am Ende ganz oben - das muss schließlich immer das Ziel im Motorsport sein."

Was geschieht während der Testfahrten, wie werden die Piloten auf die einzelnen Teams aufgeteilt - lesen Sie morgen das ausführliche Interview mit RMG Teamchef Stefan Reinhold exklusiv bei Motorsport-Magazin.com.