45 Rennrunden am Samstag, 14 Stunden Unterbrechung und zum Abschluss am Sonntag fünf Schleichrunden hinter dem Safety Car: Die 52. Auflage der 24h Nürburgring geht nicht nur als die kürzeste, sondern wohl auch als kurioseste in die Geschichtsbücher des Eifel-Klassikers ein. Erstmals musste das Rennen vorzeitig beendet werden.

Um 15:05 statt wie geplant um 16:00 Uhr fiel die Zielflagge, die im Nachhinein noch für Diskussionen sorgen würde. Dazu später mehr. Nachdem die 240.000 Zuschauer seit Beginn der Woche im Regen und Matsch auf den Campingplätzen tapfer ausgeharrt hatten, hielt sich die Begeisterung angesichts der Abläufe wenig überraschend eher in Grenzen.

Starker Nebel auf dem Nürburgring
Nürburgring: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts..., Foto: Gruppe C Photography

24h Nürburgring: Schlechte Nachrichten im Stundentakt

Aus einem Renn- entwickelte sich ein Warte-Marathon. Nach dem Abbruch wegen Nebels in der Nacht um 23:22 Uhr waren die ersten Informationen für einen möglichen Restart ab 07:00 Uhr am Sonntagmorgen angekündigt worden. Im halbstündigen Takt musste der erfahrene Rennleiter Walter Hornung eine schlechte Botschaft nach der nächsten überbringen: Vor allem rund um die Grand-Prix-Strecke war es derart neblig, dass ein Restart unter sicheren Bedingungen nicht möglich war.

Um 09:30 Uhr versprühte die Rennleitung einen zwischenzeitlichen Hoffnungsschimmer, als sich alle verbliebenen Rennautos aus den Garagen in die Startaufstellung begeben sollten. Im Falle einer Wetterbesserung hätte das den Ablauf zum Neustart deutlich beschleunigt. Es sollten allerdings vier quälend lange Stunden vergehen, bis die Motoren um 13:30 Uhr schließlich angelassen wurden - obwohl der Nebel die Strecke noch immer einhüllte.

24h Nürburgring 2024: Zusammenfassung und Highlights vom Rennen (09:41 Min.)

Deshalb ging es am Sonntag um 13:30 Uhr los

Dieser Zeitpunkt war kein Zufall, denn: Zahlreiche Fahrer hatten bis dahin noch nicht ihre zwei verpflichtenden Rennrunden absolviert, sprich: am Samstag bis zum Abbruch gar nicht im Auto gesessen. Dazu zählte unter anderem Ricardo Feller, der seine einzigen Runden am Steuer des siegreichen #16 Audi R8 LMS GT3 Evo2 von Scherer Sport PHX hinter dem Safety Car bzw. Führungsfahrzeug verbringen sollte. Laut dem Reglement müssen Teams ihre Fahrer bis spätestens 2 Stunden vor dem Rennende um 16:00 Uhr abmelden, wenn absehbar ist, dass sie die Pflichtrunden nicht absolvieren können. Sonst hagelt es Strafen. Das hat es in der Vergangenheit schon häufiger gegeben.

So entschieden sich Hornung und Co., mit der Wiederaufnahme hinter dem Führungsfahrzeug und fünf angekündigten Formationsrunden allen Teams die Gelegenheit zu bieten, die Piloten mit Blick auf ihre Pflichtrunden ins Cockpit zu setzen, um sie zumindest nicht vom Rennen abmelden zu müssen. Die 105 verbliebenen Autos aus unterschiedlichen Klassen machten sich auf die langsame Reise, ebenso wie die Rennleitung in der Hoffnung, noch einmal unter grünen Flaggen durchstarten zu können.

Nürburgring, oder auch: 125 Kilometer Schleichfahrt

Dazu sollte es während der fünf Formationsrunden bzw. über 125 Kilometern langsamer Fahrt hinter dem Safety Car allerdings nicht mehr kommen. Nach knapp eineinhalb Stunden Schleichfahrt gab die Rennleitung um 14:49 Uhr bekannt: Kein Restart! Zu stark war der Nebel noch um rund um den GP-Kurs und Teilen der Nordschleife, um die notwendige Sicherheit zu gewährleisten. "Die Gischt ist soweit okay, außer auf der GP-Strecke und im Bereich Flugplatz und Schwedenkreuz, da siehst du eigentlich nur das Rücklicht des vorausfahrenden Fahrzeugs", funkte Lokalmatador Nico Menzel zwischenzeitlich aus seinem #44 Falken-Porsche heraus.

Wieso wurde das 24h-Rennen Nürburgring vorzeitig beendet?

Viele Zuschauer an der Strecke - einige waren angesichts des Verkehrs-Chaos der vorangegangenen Tage wohl abgeschreckt vorzeitig abgereist - fragten sich im Nachhinein: Warum wurden nicht einfach weitere Formationsrunden drangehängt, in der Hoffnung, irgendwann doch noch ein paar Runden im Renntrim zu erleben, statt vorzeitig zu beenden?

Eine Diskussion, auf die es wohl nicht die einzig wahre Antwort gibt. Auch nicht im Reglement. Hornung und seine 'Wetter-Späher' hatten während der fünf elendig langen Formation Laps keine Aussichten, dass sich die Verhältnisse bessern würden. Vor dem Restart hatte er von einer Wetterstation noch Informationen erhalten, dass es gegen 14 Uhr aufklaren würde. Vergebens. Es war die dritte Enttäuschung aus Sicht der Verantwortlichen, denen von Wetter-Infodiensten bereits um 8 Uhr und dann noch einmal um 11 Uhr bessere Aussichten prognostiziert worden waren.

Kein unnötiges Sicherheits-Risiko bei derartigen Verhältnissen

Es gilt das Prinzip 'Hätte, hätte, Fahrradkette': Theoretisch wäre eine sprungartige Besserung der Sichtverhältnisse möglich gewesen. Und tatsächlich hatte sich der Nebel rund eine Stunde nach dem vorzeitigen Ende komplett verzogen, was das Gesamtbild für die Besucher vor Ort nicht unbedingt 'sonniger' erscheinen ließ. 2018 wurde das Rennen nach einer Unterbrechung für einen 90-minütigen 'Sprint' noch einmal freigegeben. Damals herrschten zu jenem Zeitpunkt allerdings eindeutige Verhältnisse.

Bei den Nebelbänken dieses Jahr war das nicht der Fall. "Wir hätten gerne einen Restart gehabt und es auf der Strecke ausgefochten", meinte Debütsieger Ricardo Feller, der mit dem vorzeitigen Ende vermutlich auch gut leben konnte. "Aber es war zu riskant. Ich konnte teilweise die Marshalls nicht sehen." In einer solchen Situation wäre es fahrlässig gewesen, das Rennen freizugeben.

Früher hätte man es womöglich so gehandhabt - die erste 24h-Unterbrechung gab es 1992, erst 22 Jahre nach der Premiere - doch unter dem heutigen, extrem hohen Sicherheitsaspekt, der Sorge vor Klagen im Fall eines schweren Unfalls und nicht zuletzt den sehr schnellen GT3-Autos im Feld ist es rückblickend wohl verständlich, keine unnötigen Risiken einzugehen.

Hinzu kam, dass sich noch 13 GT3-Boliden in der Führungsrunde befanden und Zwischenfälle im Verkehr angesichts der enormen Geschwindigkeiten keine Überraschung gewesen wären. Bei einem Einzelzeitfahren wäre Sicht womöglich ausreichend gewesen, nicht aber, wenn ein Fahrer ein vor ihm verunfalltes Auto nicht rechtzeitig sehen kann.

"Niemand wollte das mit Absicht"

Eine Überlegung, nur die vernebelten Teile der Strecke mit einer permanenten Code-60- oder Code-120-Phase abzusichern, erscheint ebenfalls unrealistisch: Wo fängt man an, wo hört man auf? Die Verhältnisse hätten sich ebenso wieder verschlechtern können, wie es schon am Morgen der Fall war. Ein solches 'Strecken-Flickwerk' aus freien und eingebremsten Bereichen wäre vermutlich mindestens so gefährlich gewesen wie komplett freie Fahrt bei schlechten Sichtverhältnissen.

Laurens Vanthoor aus dem Zweitplatzierten #911 Manthey-Porsche brachte es eigentlich auf den Punkt: "Jeder hätte gerne ein echtes 24-Stunden-Rennen gesehen. Niemand wollte das mit Absicht. Es ist schade, aber so ist es nun einmal. Man kann das Wetter nicht ändern."

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So sah es am Sonntag größtenteils am Nürburgring aus, Foto: Gruppe C Photography

Kürzestes 24-Stunden-Rennen mit langem Nachspiel?

Immerhin: Zumindest am 'Grünen Tisch' könnte das 24h-Rennen Nürburgring 2024 ein langes Nachspiel haben. Das BMW-Team Rowe Racing hat angekündigt, gegen einen nach Rennende abgewiesenen Protest in Berufung zu gehen. Es geht in erster Linie um die Regelfrage, ob das Rennen 'beendet' oder stattdessen 'abgebrochen' wurde.

"Ich möchte ganz klar betonen, dass es bei unserer Entscheidung, vor das Berufungsgericht des DMSB zu ziehen, nicht darum geht, dass wir anderen Teams ihren Erfolg nicht gönnen", ließ sich Rowe-Teamchef Hans-Peter Naundorf am Montagabend in einer Team-Pressemitteilung zitieren. "Wir haben das Anliegen, dass die zum Teil sehr komplexen Regularien in unserem Sport verlässlich und korrekt angewendet werden und sich alle Teilnehmer darauf verlassen können. Die Rennleitung hat das Rennen nach unserer Ansicht nicht regelkonform beendet."

Worum es im komplexen 'Fall Rowe Racing' genau geht, haben wir in diesem Artikel ausführlich und mit allen zur Verfügung stehenden Informationen aufgearbeitet: