Böses Erwachen für ROWE Racing am Sonntagabend nach dem Qualifikationsrennen zum 24-Stunden-Klassiker auf dem Nürburgring: Das Auto mit der Startnummer #98 mit den BMW-Werksfahrern Connor de Phillippi, Sheldon van der Linde sowie den beiden früheren DTM-Champions Martin Tomczyk und Marco Wittmann wurde nachträglich aus der Wertung genommen. Der Grund für die Disqualifikation: Schlussfahrer Wittmann legte in seinem einzigen Stint nicht die vom Regelwerk geforderte Rundenanzahl zurück. Ursprünglich wurde der BMW M6 GT3, mit dem das Team ROWE Racing im vergangenen Jahr Rekordsieger BMW den 20. Gesamtsieg beim 24h-Rennen Nürburgring beschert hat, als bestes Fahrzeug des bayerischen Autobauers auf der achten Position gewertet.

Das Reglement schreibt in Artikel 8.7.1 der Ausschreibung vor, dass jeder Fahrer, der auf einem Fahrzeug genannt ist, mindestens fünf Rennrunden zurücklegen muss. Entscheidet sich ein Team dazu, einen Fahrer weniger als fünf Runden einzusetzen, oder ist aus anderen Gründen dazu gezwungen, kann es den Piloten mit einer schriftlichen Begründung bis eine Stunde vor dem Rennende offiziell beim Rennleiter abmelden. Der Fahrer wird dann in den Ergebnissen nicht berücksichtigt, das Auto bleibt aber in der Wertung. Erfolgt eine Abmeldung nicht oder zu spät, wird das betroffene Auto nicht gewertet.

Die Regel soll verhindern, dass Piloten nach Rennende auf dem Siegerpodium stehen, obwohl sie, wie in der Vergangenheit nachweislich bei Pedro Lamy (BMW) und Christian Vietoris (Mercedes-AMG) geschehen, keine einzige Rennrunde gefahren sind!

De Philippi fuhr um 17:31 Uhr und damit 29 Minuten vor dem Rennende in die Boxengasse, um den ROWE-M6 an Wittmann zu übergeben. Zu diesem Zeitpunkt wusste das Team bereits, dass der Franke maximal vier Runden würde zurücklegen können. Aber es gab ja keinen legalen Weg mehr zurück.

ROWE-Teamchef lobt sein Team

"Leider ist uns am Ende ein strategischer Fehler unterlaufen, weil wir uns wegen Problemen am Motor der #98 zu sehr auf die Telemetrie konzentriert hatten", sagte ROWE-Teamchef Hans-Peter Naundorf. "Dabei haben wir übersehen, dass Marco Wittmann eine Runde zur Mindestfahrzeit fehlen würde. Sorry an die vier Fahrer, die dadurch am Ende um den Lohn für ihre Arbeit gebracht worden sind."

Immerhin blieb der achte Platz beim saarländischen Rennstall. Das nur 23,9 Sekunden zurückliegende Schwesterauto mit der Startnummer #1 (Nick Catsburg, John Edwards, Philipp Eng und Nick Yelloly) verbesserte sich durch die Disqualifikation der Teamkollegen vom neunten auf den achten Platz.

Naundorf war trotzdem stolz auf seine Truppe, die einen wahren Kraftakt vollbringen musste. "Ich muss ein dickes Kompliment an meine Mannschaft aussprechen, die mit einer Glanzleistung und maximalem Einsatz die #1 nach dem Unfall (von Nick Yelloly, d. Red.) im zweiten Qualifying bis zum Top-30-Qualifying wieder repariert hat", sagte er zu Motorsport-Magazin.com. "Sie haben dabei die Aufhängung vorne links, Stoßstange, Motorhaube und Kühler gewechselt, neue Kabel für die Fahrzeugelektronik verlegt und das Auto auch nochmal kurz vermessen. Das war großes Kino. Im Top-30-Qualifying waren wir dann mit beiden Autos dabei, wobei die ganze Konkurrenz unglaublich eng zusammen lag. So etwas habe ich selten gesehen."

Wittmann spricht von unspektakulärem Rennen

In einem offiziellen BMW-Statement geht Wittmann nicht näher auf das Missgeschick seines Teams ein und erklärte vielmehr die Relevanz dieses Rennens für die Titelverteidiger. "Unabhängig von der nachträglichen Strafe war unser Rennen im Prinzip relativ unspektakulär. Für uns stand an diesem Wochenende im Vordergrund, für das 24-Stunden-Rennen noch einmal das eine oder andere auszusortieren. Ich bin das Qualifying gefahren, und eine Runde allein ohne Verkehr auf der Nordschleife macht unheimlich viel Spaß. Du kannst das Auto richtig am Limit bewegen, und das ist der ultimative Traum jedes Rennfahrers."

24h Nürburgring 2021: Die Highlights des Qualifikationsrennen (05:03 Min.)

Markus Flasch, Geschäftsführer der BMW M GmbH und zudem aktuell kommissarischer BMW-Motorsportchef, nahm im BMW M2 CS Racing, der von Adrenalin Motorsport Team Alzner Automotive betreut wurde, ebenfalls am Rennen teil. Im Ziel hatte der Österreicher auf sein Teamkollegen-Quartett drei Runden Rückstand, was den vierten und letzten Platz in der Cup-5-Klasse unter insgesamt nur fünf Startern bedeutete.

Flasch steht derzeit vor der Aufgabe, mögliche Werksengagements von BMW Motorsport zu sondieren. Sein Vorgänger Jens Marquardt hat nämlich nach den werksseitigen Ausstiegen aus der DTM und der WEC sowie in diesem Jahr auch noch aus der FIA Formel-E-WM sowie der US-amerikanischen IMSA-Serie, in der BMW mit dem M8 GTE 2021 an lediglich vier Langstreckenrennen teilnimmt, eine noch nie dagewesene Lücke hinterlassen. Ob die sich allein durch die Entwicklung und die zukünftig geplanten Einsätze des neuen BMW M4 GT3 schließen lässt, ist fraglich.

ROWE bestritt umfangreiches Programm

Zurück zum Quali-Rennen, dessen Resultat, wie Motorsport-Magazin.com festgestellt hat, noch von einem weiteren Wertungsausschluss beeinflusst wurde. Ein vom Adrenalin Motorsport Team Alzner Automotive eingesetzter Porsche Cayman S 981 in der V6-Klasse war das zweite Auto, das von der Wertung ausgeschlossen wurde, weil nicht alle Fahrer die erforderliche Mindestrundenanzahl erfüllt hatten.

Fairerweise sollte an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, was das Team ROWE Racing zuletzt bei drei kurz aufeinanderfolgenden Events zu leisten hatte. Innerhalb von nur neun Tagen bestritt der saarländische Rennstall zunächst den dritten Saisonlauf der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS), ehe es vom Ring in die Lausitz ging. Dort nahm man am letzten offiziellen DTM-Test vor dem Saisonauftakt in Monza (18. bis 20. Juni) teil. Wegen des darauffolgenden Einsatzes beim Qualifikationsrennen reiste die Mannschaft bereits nach zwei von drei Testtagen ab, um den auf dem Lausitzring eingesetzten BMW M6 GT3 an das Reglement des 24h-Rennen auf dem Nürburgring am Teamsitz in St. Ingbert anzupassen und wieder an den Ring zu reisen, womit sich dann auch ein Kreis wieder schloss.

Bis zur Vorbereitung auf den nächsten Renneinsatz, der beim Saisonhöhepunkt mit der 49. Auflage des Eifel-Marathons auf dem Nürburgring am 5. und 6. Juni stattfindet, hat das Team nun ein paar Tage Zeit, um die Akkus wieder aufzuladen.