Er ist schon jetzt der Fan-Liebling beim Autorennen des Jahres, den 24 Stunden von Le Mans (10.-11. Juni 2023): der spektakuläre NASCAR Next Gen Chevrolet Camaro ZL1 im Starterfeld der 62 Boliden. Der frühere DTM-Champion und Le-Mans-Sieger Mike Rockenfeller, der ehemalige Formel-1-Weltmeister Jenson Button und NASCAR-Rekordchampion Jimmie Johnson pilotieren das mit einem 5,8 Liter Small Block ausgestattete V8-Monster.

Im Rahmen der globalen Partnerschaft zwischen dem Le-Mans-Veranstalter ACO und US-Promoter IMSA, startet das angepasste NASCAR-Cup-Auto unter dem Banner der sogenannten 'Garage 56', und damit außerhalb des Wettbewerbes. Das dürfte die mehr als 300.000 Zuschauer, die beim 100. Geburtstag der 24 Stunden von Le Mans entlang der Strecke erwartet werden, nicht weiter stören. Der bullige, vom Top-Team Hendrick Motorsports eingesetzte Camaro ist der Hingucker beim Langstreckenklassiker!

Der Hingucker in Le Mans: Chevrolet Camaro aus der NASCAR, Foto: LAT Images
Der Hingucker in Le Mans: Chevrolet Camaro aus der NASCAR, Foto: LAT Images

Rockenfeller: "Der Camaro ist ein echtes Biest"

Einen Vorgeschmack auf die im Rennen zu erwartende Show lieferte Rockenfeller bereits im Qualifying, als er den Camaro mit der Startnummer #24 auf den 37. Platz im Gesamtklassement beförderte und sämtliche GTE-Autos um mehr als zwei Sekunden distanzierte. Wie 'Rocky' beizeiten über die Kerbs räuberte, weckte Erinnerungen an beste Tourenwagenzeiten - und das auf dem Circuit de la Sarthe!

"Uns Fahrern macht das Auto richtig viel Spaß", sagte Rockenfeller nach seiner persönlichen Qualifying-Bestzeit von 3:47.976 Minuten im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Der Camaro ist ein echtes Biest auf der Strecke! Wir kämpfen konstant mit dem Auto, und das ist klasse. Du kannst damit sogar um die Ecken sliden, und die Reifen halten das aus. Großartig!"

Haben das coolste Auto im Feld: Jimmie Johnson, Jenson Button und Mike Rockenfeller, Foto: LAT Images
Haben das coolste Auto im Feld: Jimmie Johnson, Jenson Button und Mike Rockenfeller, Foto: LAT Images

NASCAR-Camaro: 12.000 Kilometer auf dem Weg nach Le Mans

In die erst im August 2022 begonnene Entwicklungsarbeit des US-Tourenwagens waren hochkarätige Partner wie die NASCAR-Organisation, das Team Hendrick Motorsports, Hersteller Chevrolet und Goodyear als Reifenpartner involviert. Ein wesentlicher Teil der Entwicklungsphase - insgesamt 12.000 Test-Kilometer an acht Standorten - führte auf die Erprobung der optimalen Reifen-Spezifikationen zurück, denn: In Le Mans startet der Camaro angesichts zahlreicher Änderungen mit einer anderen Reifen-Spezifikation als in den Cup-Rennen der NASCAR.

Kommen auf den US-Kursen Slickreifen der Dimension 365/35 R18 zum Einsatz, ging es für das Highlight in Le Mans noch mehr in die Breite: 380 Millimeter messen die Goodyear-Reifen in der Slick-Variante, bei den Intermediates und Regenreifen nutzt das Team unterdessen die bekannten NASCAR-Maße. Alle Reifen für das Le-Mans-Projekt wurden in Akron, Ohio, im Innovation Center von Goodyear von Hand gefertigt.

Besondere Reifen von Goodyear für den Camaro bei den 24h Le Mans, Foto: LAT Images
Besondere Reifen von Goodyear für den Camaro bei den 24h Le Mans, Foto: LAT Images

NASCAR-Partner Goodyear: Schon 49 Siege in Le Mans

"Das ist ein unglaublich spannendes Projekt", sagte Justin Fantozzi, Goodyears Program Manager für das Garage 56-Projekt, während einer Medienrunde in der Tyre Fitting Area in Le Mans. "Wir haben das Team frühzeitig zusammengestellt und wussten, dass wir auf die nötige Erfahrung und Expertise zurückgreifen können. Hinter den Kulissen stand viel Arbeit bevor, um dann auf der Strecke bei den Testfahrten erfolgreich daran anknüpfen zu können."

An Rennerfahrung mangelt es Goodyear wahrlich nicht: Das Unternehmen, das dieses Jahr seinen 125. Firmengeburtstag feiert, blickt auf eine höchst erfolgreiche Historie bei den 24 Stunden von Le Mans zurück: Goodyear, Dunlop und Avon halten mit insgesamt 49 Siegen den Rekord. Aktuell stattet Goodyear die hart umkämpfte LMP2-Klasse beim 24h-Klassiker exklusiv mit seinen Produkten aus, und mit der neuen LMGT3-Kategorie steckt das nächste Großprojekt längst in der Entwicklung.

NASCAR-Camaro: Fan-Liebling bei den 24 Stunden von Le Mans 2023, Foto: LAT Images
NASCAR-Camaro: Fan-Liebling bei den 24 Stunden von Le Mans 2023, Foto: LAT Images

Eine Formel-1-Saison in 24 Stunden

"2022 haben die LMP2-Autos in Le Mans mehr als 5.000 Kilometer zurückgelegt", rechnete Ben Crawley, Director of Motorsport EMEA bei Goodyear, vor. "Das ist das Equivalent von 16 Formel-1-Rennen. Effektiv bearbeiten wir den Großteil einer F1-Saison innerhalb von 24 Stunden. 60 bis 70 Leute sind hier im Einsatz, 35 davon in der sogenannten Fitting-Crew. Eine ähnliche Anzahl an Ingenieuren arbeitet mit den Teams zusammen, um sicherzustellen, dass sie die bestmögliche Performance herauskitzeln können. Die technische Herausforderung, maßgeschneiderte Reifen für die Garage 56 zu entwickeln, vereint zwei Spitzenbereiche von Goodyear. Monate der Entwicklung und Vorbereitung sind in dieses Projekt geflossen."

Den Ingenieuren gelang es, den Camaro um einige Kilogramm auf ein 'Kampfgewicht' von 1.342 Kilo für die 24 Stunden von Le Mans abzuspecken. Die Zielsetzung: mehr Downforce, weniger Masse, starke Reifenperformance. "Dabei wollten wir aber die DNA des Cup-Autos erhalten", erklärte Brendon Thomas, NASCAR Vice-President of Vehicle Design. "Wir nutzen maßangefertigte Reifen für dieses Projekt, um den Speed in den mittelschnellen und schnellen Kurven zu verbessern, damit wir mit den GTE-Autos mithalten können."

Der von einem V8-Saugmotor angetriebene Camaro erzeugt wenig überraschend - und typisch amerikanisch - Drehmoment ohne Ende. "Das ist anspruchsvoll für die Hinterreifen", führte NASCAR-Mann Thomas aus. "Das sehen wir hier auch auf den Onboard-Aufnahmen. In den Trainings haben wir Runde für Runde an der Performance und am Verschleiß der Hinterreifen gearbeitet. Goodyear hat da tolle Arbeit geleistet, sodass wir die Performance der Reifen bis ans Limit treiben können."

Der Camaro wurde für den 24-Stunden-Klassiker angepasst, Foto: LAT Images
Der Camaro wurde für den 24-Stunden-Klassiker angepasst, Foto: LAT Images

Le Mans gleich NASCAR-Rennen mal sieben

Zwar haben ACO und FIA recht kurzfristig vor Le Mans die einmalige Nutzung von Reifenheizdecken für alle Klassen erlaubt, die hätte der NASCAR-Camaro aber offenbar gar nicht nötig gehabt. "Wir wären happy gewesen, weil wir beim Warmup der Reifen einen Vorteil gegenüber anderen Herstellern haben", meinte Le-Mans-Spezialist Rockenfeller. "Unser Warmup ist top, nur in den ersten beiden Bremspunkten in den Schikanen sollte man behutsam umgehen. Dann hast du einen Peak, wo der Reifen für zwei Runden sehr gut funktioniert. Über einen Stint beträgt der Dropoff nur rund eine Sekunde, das ist ziemlich gut."

Verglichen mit NASCAR-Rennen ist das 24-Stunden-Rennen von Le Mans eine ganz andere Größenordnung. Das Rennen von Le Mans könnte die Distanz des längsten NASCAR-Rennens, des Coca-Cola 600, um das Siebenfache übertreffen. Auf der vollen Renndistanz würde das Fahrzeug der Garage 56 mehr als 310 Runden zurücklegen. Im Jahr 2022 legte das LMP2-Siegerteam JOTA 369 Runden (5.028 km) auf Goodyear-Reifen zurück.

Gelingt es dem waschechten NASCAR-Camaro an diesem Wochenende ebenfalls, die volle Distanz der 24 Stunden von Le Mans zu überstehen? Der Zieleinlauf wäre ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Klassikers.

Rockenfeller: "Wichtig ist die Standfestigkeit, und, sauber durchzufahren. Wir sind schon da, wo wir im Gesamtklassement hinwollten. Ich glaube, das ist das Limit mit dem NASCAR-Auto. Sonst hätte man einen anderen Weg einschlagen müssen: Heckflügel drauf, Spoiler weg und untendrunter ein Monocoque mit einer Silhouette drüber. Aber das wollten wir gerade nicht, denn dann wäre das Projekt nicht mehr glaubwürdig." Der 'Real American Way' hat seinen Weg nach Le Mans gefunden...