Alles ist angerichtet für das am meisten erwartete Autorennen des Jahres: die 24 Stunden von Le Mans (10.-11. Juni 2023, Rennstart um 16:00 Uhr live bei RTL-Nitro). Zum 100. Geburtstag des Langstreckenklassikers kehren Ferrari, Porsche, Peugeot sowie Cadillac zurück in die gesamtsiegfähige Hypercar-Klasse und nehmen es mit der Konkurrenz von Dauersieger Toyota und den Privatiers Glickenhaus sowie Vanwall/ByKolles auf.

Insgesamt 62 Autos und 186 Fahrer der drei Klassen Hypercar, LMP2 und LMGTE-Am kämpfen auf dem 13,626 Kilometer langen Circuit de 24 Heures um die prestigeträchtigen Klassensiege. Mit bis zu 300.000 Zuschauern meldet Le Mans pünktlich zum Geburtstag ausverkauftes Haus, die Tickets sind seit Monaten vergriffen. Mit Flaggen-Starter LeBron James oder Grand Marshal Tom Kristensen gibt sich dieses Jahr in Le Mans alles die Ehre, was international Rang und Namen hat.

Nachteil für Toyota - neue Regeln in Le Mans

Der Fokus der Zuschauer und Medien liegt zweifelsohne auf der Hypercar-Schlacht der sieben Hersteller mit ihren 16 Autos. Nach zuletzt fünf mehr oder weniger langweiligen Toyota-Siegen in Folge zwischen 2018 und 2022, erhalten die Japaner dieses Jahr wieder echte Konkurrenz. Dank der Erfahrung und den beiden starken Toyota GR010 Hybrid, die die ersten drei WEC-Rennen der Saison 2023 allesamt gewannen, galt der Hersteller aus Asien im Vorfeld des 24-Stunden-Rennens erneut als Favorit.

Eine kurzfristige und überraschende Änderung der Balance of Performance hat allerdings für Wirbel gesorgt. So müssen die Toyota 37 Kilogramm Gewicht zuladen und sind damit am stärksten von den BoP-Anpassungen betroffen. "Mit Blick auf die Performance befinden wir uns in einer schwierigen Situation", sagte Fahrer und Teamchef in Personalunion, Kamui Kobayashi, nach dem offiziellen Testtag am vergangenen Sonntag.

Beim sechsstündigen Test, dessen Rundenzeiten mit Vorsicht zu genießen sind, kam der #7 Toyota (Mike Conway/Kamui Kobayashi/Jose Maria Lopez) nicht über den dritten Platz hinaus, das Schwesterauto mit der Startnummer #8 belegte nur Platz neun. Die einmalige Rückkehr der Reifenheizdecken sowie ein neues Safety-Car-Prozedere (Toyota-Technikchef Vasselon: "Das könnte alles ändern") sorgen für weitere Fragezeichen.

Le Mans: Ferrari-Comeback nach 50 Jahren

Die Führung im Test-Gesamtklassement sicherte sich stattdessen Ferrari, das mit zwei neuentwickelten 499P-Hypercars nach genau 50 Jahren in die gesamtsiegfähige Klasse der 24 Stunden von Le Mans zurückgekehrt ist.

Die Italiener, mit neun Gesamtsiegen nach Porsche (19) und Audi (13) die dritterfolgreichste Marke in der Geschichte von Le Mans, haben mit ihrem Hypercar bereits für Furore gesorgt und belegen in der WEC den zweiten Gesamtrang hinter Toyota. Der #51 499P mit Alessandro Pier Guidi/James Calado/Antonio Giovinazzi ließ mit der Testbestzeit (3:29.504 Minuten) aufhorchen, musste im Zuge der BoP-Änderung wie das Schwesterauto #50 (Antonio Fuoco/Miguel Molina/Nicklas Nielsen) aber ebenfalls 24 Kilogramm zuladen.

"In den ersten drei erfolgreichen Rennen der WEC-Saison 2023 haben sich unsere Hypercars als zuverlässig und wettbewerbsfähig erwiesen", sagte Ferrari-Kundensportchef Antonello Coletta. "Wir werden jedoch weiter mit Demut zur Sache gehen, denn das Level des Wettbewerbs ist und bewusst. Dennoch haben wir uns einen Podestplatz beim 24-Stunden-Rennen zum Ziel gesetzt."

Ferrari startet mit zwei 499P bei den 24h Le Mans, Foto: LAT Images
Ferrari startet mit zwei 499P bei den 24h Le Mans, Foto: LAT Images

Porsche jagt nächsten Le-Mans-Sieg: "Wir wollen den 20. Erfolg!"

Deutlich aggressivere Ansprüche formuliert unterdessen Rekordsieger Porsche, das mit vier Autos das größte Kontingent in der Hypercar-Klasse stellt. Die Fahrzeuge basieren auf dem LMDh-Konzept aus der US-amerikanischen IMSA-Serie und weisen mehr Einheitsbauteile auf als die WEC-Hypercars, darunter der Hybridantrieb sowie das Chassis. Per Balance of Performance mit einer maximalen Systemleistung von rund 500 kW (680 PS) sollen die LMDh allerdings ebenso siegfähig sein wie die reinen Hypercars.

Zu den beiden von Penske-Porsche eingesetzten WEC-Werksautos (Dane Cameron/Michael Christensen/Frédéric Makowiecki und Kévin Estre/André Lotterer/Laurens Vanthoor) gesellt sich ein IMSA-Entry aus den USA (Felipe Nasr/Mathieu Jaminet/Nick Tandy) sowie ein Kundenauto von Top-Team JOTA (Yifei Ye/Antonio Felix da Costa/Will Stevens) um den neuen Teamchef und früheren Audi-Motorsportchef Dieter Gass.

"Wir haben 19 Gesamttriumphe und 110 Klassensiege errungen - und damit soll noch längst nicht Schluss sein: Wir wollen den 20. Erfolg an der Sarthe", zeigte sich Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach angriffslustig ausgerechnet im Jahr des 75. Geburtstages von Porsche Sportwagen. Parallel zu Le Mans veranstalten die Zuffenhausener auf dem Hockenheimring ein riesengroßes Fan-Festival, bei dem unter anderem das ADAC GT Masters sowie der Porsche Carrera Cup Deutschland ihre Rennen austragen werden.

Der bisherige Aufwand war immens bei Porsche, das zuletzt von 2015 bis 2017 drei Siege mit dem ikonischen 919 Hybrid einfahren konnte. Testfahrten in Watkins Glen, Le Castellet und Monza dienten als Vorbereitung auf das Rennen des Jahres. "Der Druck ist maximal hoch: Beim 100. Geburtstag des Langstrecken-Klassikers und zum 75-jährigen Jubiläum von Porsche Sportwagen zu siegen, ist für uns alle der große Traum", sagte Jonathan Diuguid, Leitender Direktor Porsche Penske Motorsport.

Beim Le-Mans-Test am vergangenen Sonntag fuhren drei der vier Porsche 963 in die Top-6 der Zeitenliste. Die Werks-Porsche präsentieren sich zum hauseigenen Geburtstag in speziellen Lackierungen, die an die großen Erfolge aus der Vergangenheit erinnern: Die Farben von Sponsoren wie Martini, Rothmans und Gulf als auch ikonische Gestaltungen wie 'Sau' und 'Hippie' finden sich wieder - bis zum Rot des Teams Porsche Salzburg.

Großer Porsche-Aufschlag in Le Mans 2023, Foto: LAT Images
Großer Porsche-Aufschlag in Le Mans 2023, Foto: LAT Images

Peugeot-Rückkehr mit Fragezeichen

Ähnlich farbenfroh zeigt sich Peugeot beim Le-Mans-Comeback nach zwölf Jahren. Die Lokalmatadore aus Frankreich schicken zwei Peugeot 9X8 Hypercars ins Rennen und vertrauen auf die erfahrenen Fahrerpaarungen Paul Di Resta/Mikkel Jensen/Jean-Eric Vergne sowie Loic Duval/Gustavo Menezes/Nico Müller. Die Art-Car-Lackierungen der Heckflügel-losen Boliden sollen wie bei Porsche an vergangene Erfolge erinnern, im Falle von Peugeot an die drei Le-Mans-Siege aus den Jahren 1992, 1993 und zuletzt 2009 mit dem von einem Diesel-Motor angetriebenen Peugeot 908 HDi FAP.

Bislang konnte Peugeot, das 2022 bereits drei WEC-Rennen exklusive Le Mans als Testeinsatz bestritt, den hohen Erwartungen nicht gerecht werden. Immer wieder warfen technische Probleme die Mannschaft zurück, auch die Pace war überschaubar. In den bisherigen sechs WEC-Rennen 2022 und 2023 gelang dem Autobauer aus Frankreich kein Podesterfolg. In der neuen Balance of Performance blieben die Peugeot 9X8 im Gegensatz zu Toyota und Ferrari unverändert.

Peugeot und Co.: Hypercar-Schlacht in Le Mans, Foto: LAT Images
Peugeot und Co.: Hypercar-Schlacht in Le Mans, Foto: LAT Images

Cadillac-Trio feiert Comeback bei 24h Le Mans

Fragezeichen gibt es auch bei Cadillac, das 21 Jahre nach dem letzten Einsatz in Le Mans (2002 mit dem Cadillac Northstar LMP) in die Top-Klasse zurückkehrt - und das mit gleich drei nach dem LMDh-Reglement aufgebauten Fahrzeugen. Zu den beiden Cadillac V-Series.R des Werksteams Chip Ganassi Racing (Earl Bamber/Alex Lynn/Richard Westbrook und Sebastien Bourdais/Renger van der Zande/Scott Dixon) gesellt sich der IMSA-Entry von Action Express Racing (Luis Felipe Derani/Alexander Sims/Jack Aitken).

Die US-Amerikaner mit ihren V8-Schlachtschiffen konnten bislang nicht mit überzeugenden Resultaten glänzen - nur Platz acht beim Le-Mans-Test -sind aber für eine Überraschung gut. Durch den Doppeleinsatz in der WEC und IMSA schreitet die Entwicklung ähnlich schnell voran wie bei den LMDh-Kollegen von Porsche.

Der Vollständigkeit halber: BMW startet erst 2024 mit seinem LMDh-Auto in Le Mans, während die Zukunft von Acura über den IMSA-Einsatz hinaus noch nicht bekannt ist. Am Freitag vor dem 24-Stunden-Rennen präsentiert mit Alpine ein weiterer Hersteller sein LMDh-Auto für den nächstjährigen Einstieg. Obendrein präsentieren Bosch und Ligier einen Rennwagen mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor.

Motoren-Konzepte: Le-Mans-Hypercar & Le Mans Daytona hybrid

AutoVerbrennungsmotorHybridantrieb
Cadillac V-Series.R5,5-Liter V8-Saug-MotorLMDh-Bosch-Einheitshybrid
Ferrari 499P3,0-Liter V6-Twinturbo-MotorLMH-Eigenentwicklung
Glickenhaus 0073,5-Liter V8-Twinturbo-MotorKein Hybrid
Peugeot 9X82,6-Liter V6-Twinturbo-MotorLMH-Eigenentwicklung
Porsche 9634,6-Liter V8-Biturbo-MotorLMDh-Bosch-Einheitshybrid
Toyota GR0103,5-Liter V6-Twinturbo-MotorLMH-Eigenentwicklung
Vanwall-Vandervell 6804,5-Liter V8-Saug-MotorKein Hybrid

NASCAR-Auto bei den 24 Stunden von Le Mans

Das Feld der Hypercars bei den 24 Stunden von Le Mans komplettieren zwei Glickenhaus 007 sowie ein Vanwall-Vandervell 680, der aus dem Hause des früheren DTM- und Formel-1-Teamchefs Colin Kolles stammt. Beide Privat-Hypercars verzichten auf einen Hybridantrieb. Bemerkenswert: Der frühere Formel-1-Weltmeister Jacques Villeneuve hat sich nach einigen Querelen kurzfristig vom ByKolles-Team verabschiedet und wird in Le Mans und bei den weiteren WEC-Rennen nicht an den Start gehen.

Spektakulär: Der NASCAR-Camaro bei den 24 Stunden von Le Mans, Foto: LAT Images
Spektakulär: Der NASCAR-Camaro bei den 24 Stunden von Le Mans, Foto: LAT Images

Als würden die Hypercar-Hersteller bei den 24 Stunden von Le Mans nicht schon für ausreichend Action sorgen, mischt im Starterfeld auch noch ein waschechtes NASCAR-Auto mit! Der von Hendrick Motorsports eingesetzte Bolide mit den Top-Fahrern Mike Rockenfeller, Jenson Button und Jimmie Johnson tritt unter dem Banner der 'Garage 56' für Innovationsfahrzeuge an und fährt deshalb außerhalb des Wettbewerbs. Der #24 Chevrolet Camaro dürfte mit seinem bollernden Sound zu den Fan-Lieblingen in Le Mans zählen und ordnet sich bei der Performance weit hinter den LMP2 sowie vor den GTE-Autos ein.