Nachdem die 24 Stunden von Le Mans seit 2018 mangels ernsthafter Konkurrenz zu einem Alleingang von Toyota in Sachen Gesamtsieg ausgeartet waren, sind die kleineren Klassen zumindest bei den Motorsport-Fans immer stärker in den Fokus gerückt. Bei der diesjährigen 90. Auflage des Langstrecken-Klassikers hatte Porsche besonderen Anlass zum Jubeln: Der Sportwagenbauer aus Zuffenhausen feierte seinen ersten Sieg in der GTE-Pro-Kategorie seit dem doppelten Erfolg 2018 - und das beim gleichzeitig letzten Le-Mans-Auftritt des Porsche 911 RSR - 19!
Richard Lietz aus Österreich, Gianmaria Bruni und Fred Makowiecki führten den 911er mit der Startnummer #91 nach 350 Runden (4.769 Kilometer) zum Klassensieg vor den beiden Ferrari 488 GTE der Vorjahressieger von AF Corse. Dabei stellte das Trio obendrein einen neuen Distanzrekord für GTE-Rennwagen auf. Der Schwester-Porsche mit der #92 und den 2018-Siegern Michael Christensen, Kevin Estre und Laurens Vanthoor kam nach einem kapitalen Reifenplatzer nicht über den vierten Platz hinaus.
Porsche letzter GTE-Pro-Sieger in Le Mans
Das Trio mit der #91 geht als letzter Sieger in die Geschichtsbücher der GTE-Pro-Klasse ein, die ihren Abschiedsauftritt in Le Mans hatte. Da die Zuffenhausener und auch Ferrari 2023 mit LMDh- bzw. Hypercar-Autos zurückkehren, reduziert sich das GTE-Starterfeld auf die Am-Kategorie ohne Werksunterstützung. Porsche freute sich zum Abschluss über den 109. Klassensieg beim 24-Stunden-Rennen, den 110. verpasste der Zweitplatzierte #79 WeatherTech-Porsche bei den Amateuren knapp.
Lietz/Bruni/Makowiecki profitierten auf dem ihrem Weg zum Sieg von der eigenen Konstanz und sicherlich auch vom Pech der Konkurrenz in GTE-Pro-Klasse mit nur sieben gemeldeten Fahrzeugen. Der Schlüsselmoment erfolgte am Sonntagmorgen, als die klassenführende #64 Corvette vom AF-Corse-LMP2 unsanft in die Leitplanken befördert wurde. Erst wenige Minuten zuvor hatte der US-Hersteller die Schwester-Corvette nach einem vorangegangenen Bremsenschaden vom Rennen abgemeldet.
Laudenbach: "Dachten, es könnte alles vorbei sein"
Im Anschluss nahm Makowiecki die Verfolgung zum #51 AF-Corse-Ferrari auf und überholte den Spitzenreiter von AF Corse nach einem vorentscheidenden Reifenschaden. "Als unsere Startnummer 92 in Führung liegend einen Reifenschaden hatte, dachten wir, es könnte alles vorbei sein", sagte Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach. "Aber auch die Mitbewerber von Corvette hatten Pech. Genau in diesem Moment waren wir mit der Nummer 91 zur Stelle - weil bei uns niemand aufgegeben hat: die Fahrer nicht und das Team ebenso wenig."
Insgeheim dürfte sich die Porsche-Crew in Le Mans auch über eine Revanche an Ferrari gefreut haben nach dem kontroversen WEC-Finale in Bahrain 2021, das durch eine Kollision der beiden Marken entschieden wurde und durch einen von Porsche eingelegten Protest an zusätzlicher Würze gewann. Jetzt in Le Mans wurden Ferrari-Fahrer nicht müde, die Stärke des 911ers hervorzuheben. "Es ist nicht so eng, wie es aussieht", übte etwa Alessandro Pier Guidi versteckte BoP-Kritik während der Aufholjagd des #91 Porsche auf den eigenen Ferrari bei einem Vorsprung von 13 Sekunden.
Porsche weiter Spitzenreiter in der WEC
In einem ansonsten sauberen Rennen erlebte das Porsche-Trio mit der #91 nur einen Rückschlag: Aufgrund des Verlassens der Strecke musste Makowiecki eine Durchfahrtsstrafe antreten. Anschließend kam das Siegerauto ohne weitere Zwischenfälle über die Distanz und hatte bei der Zieleinfahrt einen Vorsprung von 42,684 Sekunden auf den AF-Corse-Ferrari mit einem weiteren 488 GTE im Schlepptau.
"Wir haben ein klassisches Langstrecken-Rennen erlebt. Derjenige, der am wenigsten Zwischenfälle durchmacht, der steht am Ende auf dem Siegerpodest ganz oben: Das war heute unsere Nummer 91", sagte Alexander Stehlig, Porsche-Leiter für den Werksmotorsport in der WEC. "Das freut mich sehr für die siegreiche Crew, der in der Vergangenheit oftmals das notwendige Glück fehlte. Die Mannschaft in der 92 hatte Pech mit einem unverschuldeten Reifenschaden, gab aber nie auf. Platz vier bringt uns viele wichtige Punkte in der Meisterschaft."
In Le Mans werden doppelte Punkte für die WEC-Weltmeisterschaft vergeben. Porsche konnte seine Spitzenposition in der Herstellerwertung ausbauen. Bruni und Lietz haben die Führung in der Fahrerwertung übernommen.
Lietz feiert vierten Klassensieg in Le Mans
Der Österreicher Lietz konnte seine Le-Mans-Statistik mit dem vierten Klassensieg nach 2007, 2010 und 2014 um einen vierten Erfolg ausbauen. Ein weiterer Pokal in der Sammlung des 38-Jährigen, die auch Gesamtsiege bei den 24h Nürburgring (2018 mit Manthey-Porsche) sowie beim 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps (2019 mit GPX-Porsche) umfasst.
"Le Mans hat sich seine Sieger ausgesucht - und diesmal waren wir an der Reihe", sagte Lietz. "Wir waren zur Stelle als andere Autos in Probleme liefen. Ich denke, wir haben über 24 Stunden die wenigsten Fehler gemacht und deshalb verdient gewonnen. Ich war beim ersten Sieg eines Werks-RSR in Le Mans 2013 dabei und ebenso heute beim letzten Auftritt der GTE-Pro-Klasse in Le Mans. Das ist eine wunderschöne Geschichte."
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