Wo die Langstrecken-Welt seit Monaten auf Porsche hofft, preschte nun ausgerechnet Audi hervor. Im Zuge der motorsportlichen Neuausrichtung gab der Autobauer aus Ingolstadt neben dem Abschied aus der Formel E und dem Werksdebüt bei der Rallye Dakar auch ein Engagement in der neuen LMDh-Kategorie für die WEC- und IMSA-Rennserien bekannt.

Die Ankündigung, mit den neuartigen 'Le Mans Daytona hybrid'-Rennwagen künftig bei den 24-Stunden-Rennen wieder um Gesamtsiege kämpfen zu wollen, musste man in der Audi-Pressemitteilung allerdings mit der Lupe suchen. Der Fokus lag eindeutig auf dem Dakar-Einstieg, das LMDh-Thema fand sich lediglich im letzten Absatz in einem Zitat des neuen Motorsportchefs Julius Seebach, gleichzeitig Geschäftsführer der Audi Sport GmbH.

Die Audi-Strategie stehe im Zeichen der Elektrifizierung und einer CO2-neutralen Mobilität, hieß es da, und weiter: "Deshalb bereiten wir uns intensiv auf den Einstieg in die neue Sportwagen-Kategorie LMDh mit ihren Highlight-Rennen 24 Stunden von Daytona und Le Mans vor", sagte der erst 36-jährige Seebach. "Die wichtigste Botschaft für unsere Fans ist, dass Motorsport bei Audi weiter eine bedeutende Rolle spielen wird."

Porsche: Audi-Verkündung hat keinen Einfluss

In Zeiten von Sparmaßnahmen und der Corona-Krise als Brandbeschleuniger ist ein weiteres VW-Konzern-Duell auf der Langstrecke zwischen Audi und Porsche wie zu besten LMP1-Zeiten 2014 bis 2016 eigentlich schwer vorstellbar - und in der Formel E nach 2021 durch den Audi-Ausstieg kein Thema mehr. Doch die Zuffenhausener halten offenbar an ihrem eingeschlagenen Kurs fest. Eine Machbarkeitsstudie über ein Porsche-Engagement in der LMDh-Kategorie ist seit einiger Zeit in Arbeit.

Daran habe auch das Vorpreschen von Audi nichts geändert. "Die Audi-Verkündung hat keinen Einfluss auf die Perspektiven oder Entscheidungen von Porsche Motorsport", sagte ein Porsche-Sprecher zu Motorsport-Magazin.com. "Wir prüfen weiterhin, wie ein LMDh-Projekt für uns aussehen könnte, legen es dem Vorstand zur Prüfung vor und verkünden dann die Entscheidung. Das könnte noch in diesem Jahr erfolgen."

Klarheit über die künftige Motorsportausrichtung von Porsche dürfte es am 12. Dezember geben. Bei der traditionellen Abschlussveranstaltung 'Night of Champions' - diesmal virtuell wegen Corona - gibt der Sportwagenbauer üblicherweise sein Programm für die nächste Saison bekannt.

Aus der ACO-Präsentation bei den 24h Le Mans 2020: Sieht verdächtig nach Porsche aus, Foto: ACO
Aus der ACO-Präsentation bei den 24h Le Mans 2020: Sieht verdächtig nach Porsche aus, Foto: ACO

LMDh-Hoffnung auf Porsche - Audi kommt 2023

Insider rechnen nach dem bereits angekündigten GTE-Ausstieg aus der US-amerikanischen IMSA-Serie fest mit einem LMDh-Einstieg. Zu verlockend ist die neue Formel, mit der Hersteller vergleichsweise kostengünstig um Gesamtsiege in Le Mans und bei den 24 Stunden von Daytona auf dem wichtigen nordamerikanischen Automobilmarkt kämpfen können.

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com plant Audi seinen Einstieg ab 2023, beginnend mit dem Florida-Klassiker auf dem Daytona International Speedway zu Jahresbeginn. Neben einem Werksteam dürften auch Kundenmannschaften die Audi-Prototypen einsetzen. Der Kundensport ist und bleibt ein großes Thema bei Audi, schließlich wird hier schon mit den GT-Engagements das Geld verdient.

DTM ohne Erwähnung - Motor mit Fortsetzung?

Während die DTM nach dem Werksausstieg in der jüngsten Audi-Pressemitteilung keinerlei Erwähnung fand, könnten die ausgedienten Vierzylinder-Motoren zu neuem Leben erwachen. Die hocheffizienten TFSI-Aggregate, mit denen Audi 2019 und 2020 die DTM gegen BMW nach Belieben dominierte, könnten sich in den LMDh-Prototypen wiederfinden. Einen weiteren Einsatz der Motoren hatte der zum 01. Dezember scheidende Motorsportchef Dieter Gass zuletzt nicht ausgeschlossen.

Die Motoren - der DTM-Antrieb stammt aus der Feder von Motorenpapst Ulrich Baretzky, der sich ohne direkten Nachfolger in den Ruhestand begeben hat - sind unter dem LMDh-Reglement ohnehin der einzige wirkliche Unterscheidungsfaktor im Wettbewerb.

Aus Kostengründen werden alle Hersteller - Audi bislang als einzig offiziell bestätigter - einheitliche Hybridsysteme von Bosch (E-Maschine, Inverter, Vehicle Control Unit, Brake-by-Wire-System) und Williams sowie Xtrac (Battery Management System und Getriebe) nutzen. Hinzukommen Einheits-Chassis, wahlweise von Dallara, Ligier, Multimatic oder Oreca.

Toyota und Peugeot: Hypercar statt LMDh

Eine kostenintensivere Alternative wäre die Hypercar-Formel der WEC gewesen, für die sich Toyota (ab 2021) und Peugeot (ab 2022) entschieden haben, um eigene Hybridsysteme an der Vorderachse zu nutzen und die Chassis komplett nach ihren Wünschen zu gestalten. Oder wie die Privaten ByKolles und Glickenhaus komplett auf alternative Antriebe zu verzichten und stattdessen voll auf Saugmotoren zu setzen.

Damit LMDh und LMH (Le Mans Hypercar) in der künftigen Top-Kategorie mit dem Namen 'Hypercar' auf gleichem Niveau in Wettbewerb treten können, wurden die Leistungsdaten der Hypercars immer weiter beschnitten. Von den einst angepeilten 950 PS ist schon lange keine Rede mehr. Die Autos sollen stattdessen maximal 500 kW respektive 680 PS leisten dürfen und damit ähnlich schnell sein wie die LMDh-Geschwister.

So oder so ähnlich könnte das 2021er-Hypercar von Toyota aussehen, Foto: Toyota
So oder so ähnlich könnte das 2021er-Hypercar von Toyota aussehen, Foto: Toyota

LMDh zehn Mal günstiger als LMP1

Verlockend klingt vor allem das an den LMDh angeheftete Preisschild. Die Verantwortlichen haben ausgerechnet, dass ein solches Auto ohne Motor rund eine Million Euro kosten soll. Der Fahrzeugrahmen ohne Bodywork, Motor und Hybridsystem soll mit 3450.000 Euro zu Buche schlagen, während die Hybrid-Einheit mit weniger als 300.000 Euro pro Auto und Saison veranschlagt wird.

Experten rechnen mit Gesamtkosten von 25 bis 30 Millionen Euro für einen Hersteller, um mit LMDh-Autos bei den wichtigsten Langstrecken-Rennen der Welt um Gesamtsiege kämpfen zu können. Diese Budgets bewegen sich etwas unter dem Rahmen eines Formel-E-Engagements und sind rund etwa zehn Mal günstiger als die vergangenen LMP1-Projekte von Audi, Porsche oder Toyota.

Audi als erster Hersteller mit einer etwas zaghaften, jedoch offiziellen Bekennung zum LMDh-Reglement könnte jetzt den Stein ins Rollen bringen. Ein Dutzend internationaler Hersteller haben den Schulterschluss zwischen ACO und IMSA in den letzten Monaten intensiv begleitet in der Hoffnung, dem angeknacksten Prototypen-Sport weltweit zu altem Glanz zu verhelfen. Porsche wäre der nächste Meilenstein, Ferrari die Kirsche auf der Torte.