McLaren mausert sich. In den ersten Rennen der Saison 2016 ist das Traditionsteam zwar noch weit vom ureigenen Anspruch absoluter Dominanz entfernt, doch stimmt die Richtung auf jeden Fall deutlich mehr als im Vorjahr. Wie weggeblasen sind die massiven 2015er Zuverlässigkeitsprobleme der Power Units aus dem Hause Honda, noch dazu erzielte McLaren immerhin drei von acht möglichen Resultaten in den Punkterängen. Die Power hat also ebenfalls zugelegt. Ideal ist das Paket allerdings noch nicht. Doch für den Europaauftakt sind Ambitionen, Hoffnungen und Erwartungen groß. Schon ab Barcelona sieht sich McLaren als Stammgast in den Punkten.

Das letzte Rennen: Punktesegen für Alonso & Button

Für gegenwärtige McLaren-Verhältnisse war der sechste Platz Fernando Alonsos in Russland schon ein gewaltiges Ausrufezeichen. Gerade, weil es sich beim Sochi Autodrom um eine Motorenstrecke handelt, Honda hier bekanntlich nicht state of the art ist. Doch auch Jenson Button fuhr als Zehnter knapp in die Punkteränge. Wieso? Es waren die Rahmenbedingungen, die in Sochi das nackte Ergebnis auf dem Papier deutlich verzerrten.

McLaren profitierte in Russland massiv von der chaotischen ersten Runde mit multiplen Crashs in den ersten Kurven. Noch dazu katapultierte sich Alonso mit einem Raketenstart gleich zu Beginn weit nach vorne in eine sehr gute Ausgangslage. Dennoch mussten die Fahrer das alles erst einmal mit dem ihnen gegebenen Paket umsetzen. Ganz schlecht kann der McLaren-Honda also nicht sein.

Die Neuerungen: Updates für den McLaren MP4-31

Damit der MP4-31 noch besser wird, einen weiteren Schritt Richtung Spitze des Mittelfelds macht, bringt McLaren einige neue Teile mit nach Barcelona. "Wir immer ist die Zuverlässigkeit oberste Priorität. Aber ich hoffe, dass die Upgrades, die wir am Freitag testen werden, uns erlauben werden, uns weiter Richtung Spitze und an unseren Rivalen im Mittelfeld vorbei zu kämpfen", kündigt Alonso an.

Teamkollege Button ergänzt, es gebe gleich eine ganze Reihe neuer Innovationen an seinem McLaren. "Wir haben bei diesem Rennen ein paar weitere neue Teile am Auto zu testen. Ich hoffe also, dass wir am Wochenende einen weiteren positiven Schritt bei unserer Performance gehen", sagt der Brite. Eric Boullier warnt hingegen, die Tests der neuen Teile könne kurzfristig noch ein Performance-Nachteil sein. "Es wird sicherlich nicht leicht, weil wir die Upgrades am Auto in Barcelona erst bewerten müssen", erklärt der Renndirektor. Allerdings gelte das für die anderen Teams genauso.

Für Honda trifft das allerdings weniger zu. Der Motorenpartner McLarens hat noch immer nicht entschieden, bei welchen Rennen er die ersten Token während der Saison investieren will. Nach einer neuen Ausbaustufe in Barcelona sieht es also alles andere als aus. "Unsere Power-Unit-Entwicklung läuft noch", sagt Hondas Motorenchef Yusuke Hasegawa. Zuletzt hatte er gegenüber Motorsport-Magazin.com versichert, neue Technologien seien bereits entwickelt, es gehe nur mehr um Zeitpunkt und Größe des Updates. Für Barcelona bleibt es also offenbar bei Stillstand. Kein Problem, meint Hasegawa. "Der Circuit de Barcelona-Catalunya ist ein technischer Kurs, der die Power Unit weniger beansprucht als es in den ersten vier Rennen der Fall war. Es geht mehr um die Balance", erklärt der Japaner. "Hoffentlich können wir am Sonntag um mehr Punkte kämpfen!"

Die Erwartungen: Q3 und Punkte bitte!

Nicht nur Hasegawa schielt in Barcelona auf weitere Punkte. Auch die Fahrer nehmen die Zähler ins Visier. Fernando Alonso hat sich bereits einen Plan zurechtgelegt. Dieser beinhaltet vor allem einen starken Samstag. "Ins Q3 einzuziehen wird sicherlich schwierig, aber - mit den spanischen Fans hinter mir - muss das unser Ziel sein", stellt Alonso klar. Warum? "Es ist unwahrscheinlich schwierig, in Barcelona zu überholen", erklärt Alonso. Daher sieht Teil zwei seines Plans eine Kopie des Rennautakts in Sochi vor. "Es ist hier wichtig, einen guten Start zu erwischen und sich aus dem Trubel der ersten Runden herauszuhalten", sagt Alonso.

Jenson Button sieht McLaren nach dem starken Russland-Rennen ebenfalls im Aufwind - auch für den Spanien GP. "Bei uns im Camp herrscht auf jeden Fall das Gefühl, dass wir Fortschritte machen. Ich spüre, dass ich ein solides Auto habe und wir haben jetzt einige ziemlich konstante Performances auf verschiedenen Kursen gezeigt - auch, wenn die Resultat das nicht immer refelektiert haben. Deshalb bin ich voller Hoffnung, dass wir dieses Momentum in Barcelona fortführen können", sagt der Routinier. Dafür müsse er sich jedoch selbst verbessern. "Es ist ein langer Weg runter zu Kurve eins, also hoffe ich, besser zu starten als in Sochi, um irgendwelche Schwierigkeiten zu vermeiden", sagt Button.

Buttons Renndirektor beschwört derweil den Geist von Russland. Klar, man habe vom Pech der anderen profitiert. "Aber unsere doppelte Punkteankunft in Sochi war auf jeden Fall ein motivierender Faktor für das ganze Team", sagt Boullier. Doch sei das erst der Anfang gewesen. "Beide Fahrer haben sich sehr positiv über die Balance geäußert. Und das ist nur der Start einer nach oben zeigenden Kurve, auf der wir den Rest der Saison hoffentlich reiten werden", kündigt der Franzose Großes an. "Wir können auf unsere eingeschlagene Richtung vertrauen und sind immer ungeduldig für mehr", sagt Boullier.

Die Aussichten auf dieses "Mehr" stehen laut dem Renndirektor in den kommenden Rennen ziemlich gut. "Wir beginnen die Europa-Saison hoffnungsvoll, mehr positive Ergebnisse einzufahren - auf Kursen, auf denen unser Auto theoretisch etwas stärker sein sollte", sagt Boullier. "Das, gepaart mit einem nicht nachlassenden Entwicklungsprogramm, spendet uns Optimismus für die nächsten Rennen." Der spanische Support für Fernando Alonso sei da der ideale Auftakt.

Die Statistik: McLaren beim Spanien GP

SiegePolesSchn. RundenPodiumPunktekm geführt
McLaren 8 8727 258,52295
Jenson Button 1 1-2 48154
Fernando Alonso 2 1-7 120692

McLaren: Barcelona-Bilanz

McLaren in Barcelona: Am Ende des letzten Jahrtausends war der Circuit de Catalunya fast so etwas wie die zweite Heimat von McLaren. 1998, 1999 und 2000 feierten Mika Häkkinen und David Coulthard Doppel-Erfolge auf dem Kurs nahe Barcelona. Danach wurde es etwas ruhiger um die Mannschaft aus Woking. Kimi Räikkönen feierte im Jahr 2005 den bislang letzten Sieg, danach folgten nur noch drei zweite und zwei dritte Plätze. 2012 wurde Lewis Hamilton durch zu wenig Sprit im Qualifying und die nachträgliche Disqualifikation allerdings die große Chance auf den Triumph verwehrt.

Jenson Button in Barcelona: Für den Briten lief in Barcelona erst einmal alles richtig zusammen - 2009 gewann er sein erstes und bislang einziges Rennen auf dem Circuit de Catalunya. Danach erreichte Button 2011 noch als Dritter das Podest, ansonsten waren seine Ergebnisse meist in den Regionen zwischen Rang fünf und neun angesiedelt.

Fernando Alonso in Barcelona: Für den Spanier war sein Heimrennen stets ein erfolgreiches Pflaster. Sowohl 2006 als auch 2013 siegte Alonso in Barcelona, hinzukommen fünf weitere Podestplätze. Bei bislang 14 Starts schied der Lokalmatador nur zwei Mal aus.

Die Prognose: Harter Kampf um Punkte

  • Upgrades am McLaren - doch die haben fast alle
  • Alonso mit Extramotivation beim Heimrennen
  • McLaren segelt im Aufwärtstrend
  • Bewährungsprobe für angebliches Top-Chassis

Motorsport-Magazin.com meint: McLaren ist zurzeit in gewisser Weise die Wundertüte der Formel 1. Die Power Unit ist klar zuverlässiger geworden, offenbar auch leistungsstärker. Defizite gibt es hier dennoch nach wie vor - insbesondere beim Speichern und Abrufen der Energie. Das Chassis nennt Woking derweil eines der besten im Feld. Einen Anhaltspunkt, ob das wirklich stimmt, wird Barcelona nun endlich liefern. Der Kurs in Katalonien trennt bekanntlich Spreu von Weizen. Dass McLaren auf weniger powerlastigen Strecken ein klarer Punktekandidat ist, muss das Team also erst beweisen. Außer Reichweite ist dieses Ziel aber keinesfalls. (Jonas Fehling)