Es war ein großartiges Formel-1-Wochenende für Lando Norris. Sprint-Pole im Regen, nach einem Fehler in der Startrunde eine anständige Pace im Sprint, ordentliches Qualifying und am Sonntag ein Mega-Speed im Rennen. Der Große Preis von China war nicht nur das erste Mal, dass er einen Grand Prix auf dem Kurs in Shanghai beenden konnte, nachdem er bei seinem Debüt 2019 von Daniil Kvyat abgeschossen wurde. Sondern Norris wurde auch gleich Fahrer des Tages und verhinderte einen Doppelsieg von Red Bull.

Alles nur Tiefstapelei? Das hat McLaren nicht nötig!

Nach dem Rennen gab McLaren-Teamchef Andrea Stella zu, dass er zuvor gemachte Aussagen revidieren müsse. Entgegen der vorherigen Annahme, dass China ein schwieriges Wochenende werden würde, konnte McLaren nämlich an allen drei Tagen eine überzeugende Darbietung abliefern. Gleichwohl war es für alle eine Überraschung, dass Norris am Ende als Zweiter auf dem Podest stand.

"Wir dachten, es würde hier nur um Schadensbegrenzung gehen, aber es war unser stärkstes Wochenende, was die Wettbewerbsfähigkeit angeht", bilanzierte Stella das China-Wochenende. "Die Pole Position im Sprint, eine starke Leistung in der Qualifikation vor dem Grand Prix und dann heute ein verdientes Podium für Lando."

Vorwürfe, McLaren habe im Vorfeld nur tiefgestapelt, schmetterte Norris entschieden ab: "Wir erfinden nichts. Wir geben unsere ehrliche Meinung darüber ab, wo wir stehen werden. Ich denke, wenn wir in ein Wochenende gehen und wissen, dass wir stark sein werden, sagen wir es." Aber da sie das ganze Jahr über deutlich hinter Red Bull und auch hinter Ferrari lagen, gab es für McLaren keinen Grund, zu denken, plötzlich vorne dabei zu sein, so Norris. "Nichts deutete wirklich darauf hin, dass wir heute ein fantastisches Rennen haben würden. Aber es ist natürlich eine angenehme Überraschung."

Rätselraten bei McLaren: Was sind die Gründe für den Erfolg?

"Wir müssen heute Nacht unser Bestes geben, uns so gut wie möglich auf das Rennen vorbereiten, um einige gute Punkte für das Team zu holen", gab Norris nach der Qualifikation am Samstag die Marschroute vor. Der Einsatz des Teams zahlte sich offensichtlich aus. Zwar wusste Norris nach dem Rennen selbst nicht, was dazu führte, dass sie auf dem Shanghai International Circuit schneller waren als gedacht. Insbesondere in der Schneckenkurve schienen sich die Probleme aber wie in Luft aufgelöst zu haben: "Die Stellen, an denen wir erwartet hatten, Probleme zu haben, waren wahrscheinlich viel weniger. Wir hatten nicht so sehr mit diesen längeren Kurven wie Kurve 1 zu kämpfen, die schon immer eine große Schwäche für uns waren."

Weiterhin betonte Norris, dass sie kontinuierlich etwas über das Auto lernen würden und zog ebenso in Erwägung, dass der Asphalt in China eine Rolle gespielt haben könnte. "Diese Strecke ist sehr anders. Der Asphalt ist ziemlich eigenartig. Vielleicht kam uns das mehr entgegen, als wir dachten. Vielleicht hätten wir mit dem alten Asphalt mehr zu kämpfen gehabt", suchte der McLaren-Fahrer nach einer Erklärung für das Performance-Hoch.

Als wichtige Parameter benannte Norris aber auch die Wetter- und Streckenverhältnisse während des Rennens: "Die Bedingungen haben sich abgekühlt. Der Wind hat sich beruhigt. Und beide Faktoren, denke ich, spielten uns etwas mehr in die Karten." Beipflichtend sah auch sein Teamchef eine Hilfe durch die kühleren Bedingungen: "Ich glaube, dass die Bedingungen dazu beigetragen haben, den Grip an der Hinterachse zu erhalten. Die Hinterachse war, vor allem heute, nicht überhitzt."

In diesem Zusammenhang ist allerdings anzuerkennen, dass der McLaren in China unter verschiedensten Bedingungen funktioniert zu haben scheint. "Starkes Wochenende. In allen Bedingungen. Denn die Pole Position im Sprint Qualifying gelang bei nassen Verhältnissen und dann zeigten wir eine starke Qualifying-Performance bei trockenen Bedingungen", so Stella.

Mit dem Wissen aus dem Sprint, dass es einen hohen Reifenverschleiß gibt, erwartete Stella ein schwieriges Rennen, in dem die Ferraris sie an irgendeinem Punkt überholen würden. Das Reifenthema hätte sich gegenüber dem Sprint aber deutlich verbessert, meinte Stella: "Im Vergleich zum Sprint hatten wir den Reifenabbau heute besser im Griff."

"Mehrere Faktoren, kein Patentrezept" waren es wohl am Ende, wenn es nach Stella geht. "Ich denke, dass auch einige Änderungen am Setup, die wir nach dem Sprint vorgenommen haben, dem Renntempo geholfen haben. Denn wir haben das Auto verändert, um die Pace im Rennen zu verbessern, nicht mit Blick auf das Qualifying. Wir waren also überrascht, dass wir im Qualifying so anständig waren. Aber es sieht so aus, als hätte das im Rennen geholfen. Letztendlich war das Auto gut eingestellt. Und Lando ist brillant gefahren."

Schlüsselmomente: Solider Start und Safety-Car-Glück

Im Vergleich zum Sprintrennen hob Norris außerdem den Verkehr als weiteren bedeutenden Unterschied hervor. "Shanghai ist eine Strecke, auf der es im eigenen Interesse sein kann, wenn man die Kontrolle behalten und Dinge managen kann", erklärte er. Dies wurde für ihn im Sprintrennen zum Problem, als er nach seinem Patzer in Kurve 1 im Mittelfeld festhing. "Du überhitzt deine Reifen, du kämpfst nur. Es gibt nicht viel, was du tun kannst", schilderte er seine aussichtslose Situation im Sprint.

Das sei heute hingegen ganz anders gewesen: "Es lief reibungslos nach Plan, beginnend mit der ersten Runde. Ich konnte die Dinge alleine kontrollieren." Nach einem guten Start, bei dem sich der Brite zunächst auf seiner vierten Position halten konnte, kam er in Runde 7 an Fernando Alonso vorbei. Denn der Altmeister pushte zu viel, machte sich dabei die Reifen kaputt und fiel sukzessive nach hinten zurück. Mit einer beeindruckenden Pace konnte Norris im ersten Stint einen Vorsprung zu Charles Leclerc hinter sich herstellen.

Nach den Boxenstopps der beiden Red-Bull-Fahrer in Führung liegend, war für Norris ein längerer Stint möglich und so konnte er vom Safety Car infolge des Ausfalls von Valtteri Bottas profitieren. "Es war offensichtlich, dass es ein VSC geben würde, aber es trat zunächst einfach nicht ein. Also dachte ich mir, ich wette, es wird kurz nachdem ich um die letzte Kurve gefahren bin, auftauchen, und genau das passierte. Zum Glück blieb es lange draußen und dann ging es in ein Safety Car über. Ich denke, unsere Strategie hat gut funktioniert. Ich fühlte mich im ersten Stint selbstsicher, deshalb konnte ich sehr lange fahren", rekapitulierte Norris den strategischen Schlüsselmoment für sein erfolgreiches Rennen.

Das VSC kam zu einem glücklichen Zeitpunkt für Norris und machte Sergio Perez zum Verlierer des zweiten Platzes. "Die Dinge liefen definitiv zu unseren Gunsten, denn dadurch mussten die Red Bulls erneut stoppen und das hat mich natürlich vor Checo und den Ferrari zwischen uns gebracht. Das hat mich wahrscheinlich ein wenig gerettet", gestand der McLaren-Pilot. Dank einer guten Pace konnte Norris Platz 2 bis zum Ende halten.

Ohne den Zwischenfall hätte es für den McLaren-Fahrer vermutlich nicht für eine Platzierung vor dem Red Bull gereicht. "Das Auto fühlte sich besser an, aber offensichtlich nicht schnell genug, um mit den Red Bulls mitzuhalten", äußerte Norris. "Ich konnte mich sehr schnell von Charles absetzen und dann hat Charles Checo stark aufgehalten und Checo musste wohl viel Reifen verbrauchen, um an ihm vorbeizukommen", analysierte der britische Rennfahrer weiter.

Nach den Runden, die er hinter Ferrari-Pilot Leclerc feststeckte, fehlte Perez im Endspurt die Pace, um mit dem erstarkten McLaren von Norris mitzuhalten. Der Mexikaner bedauerte: "Du verbrauchst so viel von deinen Reifen, du steckst so viel Energie in sie, dass sie nie wirklich zurückkommen. Es ist ein Ort mit ziemlich hohem Verschleiß, und ich habe den Preis dafür bezahlt. Ich habe wahrscheinlich ein wenig zu viel von meinen Reifen beansprucht, was mich ins Hintertreffen gebracht hat. Es war kein vorwärts gerichtetes Rennen. Ich hatte auch das Gefühl, dass wir mit den Änderungen, die wir vom Sprintrennen zum Hauptrennen vorgenommen haben, in die falsche Richtung gegangen sind. Es fühlte sich an, als ob wir einen kleinen Rückschritt gemacht haben."

So konnte Norris das Unglück von Perez in einen Erfolg für sich verwandeln und 18 Punkte auf seinem WM-Konto einzahlen. Der Effekt des guten Ergebnisses: In der WM-Wertung zieht McLaren Mercedes davon. Mit 96 Punkten liegt das Team aus Woking auf WM-Rang 3, Mercedes ist 2024 nach jetzigem Stand mit 52 Punkten nur noch viertbestes Team.

Stella: Norris braucht siegfähiges Auto

In Anbetracht dieses ermutigenden Gesamtresultats äußerte Andrea Stella großes Lob für seinen Schützling und würdigte Norris' positive Entwicklung: "Lando konnte in diesem Jahr aus vielen verpassten Möglichkeiten, die wir im letzten Jahr erkannt haben, Kapital schlagen. Er hat wirklich gute Arbeit geleistet, indem er zusammen mit seinen Ingenieuren und der Unterstützung der Fabrik die Möglichkeiten genutzt hat, um kleinere Anpassungen vorzunehmen und das Potenzial des Autos besser auszuschöpfen. Das ist ihm zu verdanken, und ich denke auch im Rennen scheint er immer konstanter zu werden und imstande sein, zu verstehen, was vor sich geht, was mit den Reifen passiert, welche Achse wie lange halten kann. Die Racecraft im Allgemeinen scheint immer ausgeprägter und präziser zu werden."

Die Upgrades, die McLaren mit nach Miami bringen wird, sollen nun ein weiterer Schritt nach vorne sein und das gute China-Ergebnis bestätigen. Sie werden zwar nicht groß, aber doch ein spürbarer, anständiger Schritt sein, wenn sich die auf Windkanalzahlen und Computersimulationen gestützten Erwartungen erfüllen, so Stella. Begeistert von der Leistung seiner beiden Fahrer spielte er den Ball an die Mannschaft weiter: " Es ist an uns als McLaren-Team, Lando und Oscar ein Auto zu geben, mit dem sie um Siege kämpfen können und ich bin mir sicher, dass sie diesen Job dann erfüllen werden."

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