So systematisch wie Techniker, Logistiker und alle anderen Mitarbeiter von Volkswagen die Rallye Dakar planen, so gründlich ist auch die Vorbereitung der Fahrer und Beifahrer aus dem Werksteam von Volkswagen – inklusive eines medizinischen Hochleistungsprogramms. So haben sich Jutta Kleinschmidt, Carlos Sainz, Bruno Saby, Giniel de Villiers, Mark Miller und die Beifahrer Ende September einem ersten von zwei großen Tests in der Sportklinik Bad Nauheim unterzogen.

"Volkswagen legt bei der Planung der Rallye Dakar Wert auf eine große Bandbreite. Bei der härtesten Rallye der Welt zählt dazu neben Technik, Personal und Logistik auch eine sehr gute körperliche Verfassung. Bei der Diagnose in der Sportklinik Bad Nauheim hat sich gezeigt, dass unser Fahrerkader auch in medizinischer Hinsicht beste Voraussetzungen besitzt. Alle Fahrer und Beifahrer werden mit Ehrgeiz ihre Programme bis Dezember absolvieren", erklärt Volkswagen Motorsport-Direktor Kris Nissen.

Das Medizin-Team von Klinikleiter Dr. Johannes Peil verfolgt eine doppelte Strategie: Zum einen gewährleistet eine ganzjährige Betreuung den permanenten Wissensaustausch zwischen den Gesundheits-Experten und den Motorsportlern. Ergänzend dazu dienen die beiden Tests der gezielten Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt, die Rallye Dakar vom 31. Dezember 2005 bis zum 15. Januar 2006. Da das Team von erfahrenen Notfallmedizinern und leitenden Notärzten begleitet wird, ist bei Tests und im Wettbewerb stets eine qualitativ hochwertige Betreuung gewährleistet.

Grunduntersuchung in medizinischen Kerndisziplinen

Zu Beginn erfolgt eine orthopädisch-traumatologische Grunduntersuchung. Der Bewegungsapparat der Werksfahrer, ihre Gelenke, die Muskeln, eine Bewertung etwaiger unfallbedingter körperlicher Schäden und eine Röntgendiagnostik stehen dabei im Blickpunkt. Es folgen Ultraschall und Kernspin-Tomographie. Abgerundet werden die Eingangsuntersuchungen in den Bereichen innere Medizin und Kardiologie. So gibt ein umfangreicher Herztest mit Elektrokardiografie (EKG) und Belastungs-EKG, eine Farbdoppler-Echografie und eine Stressecho-Kardiografie detailliert Aufschluss über die Leistungsfähigkeit der Sportler-Herzen. Ein ausgeklügeltes Laborsystem sowie ein Lungenfunktionsdiagnostik komplettieren die Anfangsanalyse.

Was so theoretisch klingt, hat einen überaus praktischen Hintergrund und basiert auf langjährigen Erfahrungen. "Auf diese Erhebung folgt eine Besprechung des Befunds mit jedem einzelnen Fahrer oder Beifahrer", erläutert Dr. Peil. "Ziel ist es, individuell das weitere Vorgehen zu planen, um eine optimale sportmedizinische Aufbauarbeit bis zur Rallye Dakar zu gewährleisten. Gleichzeitig steht für uns die größtmögliche medizinische Sicherheit für Fahrer und Beifahrer im Vordergrund. Dabei vertrauen wir auf Verfahren, die sich auch in anderen Sportarten bewährt haben. So ist das Laborsystem ist in unserem Hause bereits seit den Olympischen Spielen in Seoul 1988 ständig verfeinert worden." Abgeschlossen wird der medizinische Bereich des Tests mit einer dreigliedrigen Planung: Für die nächsten Tage und Wochen wird eine individuelle Therapie festgelegt. Ein Heimarbeitsplan umfasst standardisierte Aspekte der Vorbereitung. Ein Aufbauplan hilft schließlich, gezielt einzelne Bereiche zu fördern.

Physiotherapie und Ernährungswissenschaft ergänzen die Medizin

Die Systematik der Betreuung des Volkswagen Werksaufgebots zeichnet sich auch durch die fachübergreifenden Kompetenzen aus. So stehen Ärzte, Physiotherapeuten und Diplom-Sportlehrer in engem Kontakt und stimmen alle Planungen für jeden Motorsportler miteinander ab. Im weiteren Verlauf des dreitägigen Tests in der Sportklinik steht die Physiotherapie im Mittelpunkt. Ihr Ziel ist es, Bewegungssystem und -verhalten zu optimieren und die Gesundheit der Motorsportler durch physiologische Reaktionen des Organismus zu fördern, etwa durch Muskelaufbau und Stoffwechselanregung. Individuelle Physiotherapien werden ergänzt durch eine Gruppentherapie, ebenso durch ein Ausdauertraining mit 20 Kilometern Laufstrecke und 30 Kilometern auf dem Mountainbike. Eine ernährungswissenschaftliche Betreuung komplettiert das Leistungsangebot für die Marathon-Rallyesportler.

"Ich habe bereits in den vergangenen Jahren regelmäßig an den Medizin-Tests in der Sportklinik Bad Nauheim teilgenommen und daraus wichtige Kenntnisse für mein tägliches Training und die Ernährung übernommen", erklärt die Volkswagen Werkspilotin Jutta Kleinschmidt. "Ein Pluspunkt des diesjährigen Tests war, dass die Fahrer-Teams zwei Tage lang gemeinsam Sport betrieben haben und so die Möglichkeit hatten, sich untereinander auch abseits der Rallyes besser kennen zu lernen."

Umsetzung in Heimarbeit und in der Wüste vor der zweiten Untersuchung

Nach der Rückkehr aus Bad Nauheim beginnt jeder Sportler, das Medizinprogramm, die Ernährungs-Empfehlungen und die Physiotherapien wie gewohnt zuhause umzusetzen. Beim Testfahrten in Marokko waren zudem über die gesamte Dauer ein Arzt und ein Physiotherapeut präsent, um die individuelle Vorbereitung auf die ‚Dakar´ zu unterstützen. "Nach der Basiserhebung in der Sportklinik können wir so Spezialuntersuchungen vornehmen", erklärt Dr. Peil. "Dabei können die Belastungen im Auto besonders praxisnah nachvollzogen und Fahrerwünsche berücksichtigt werden." Treten im Rundstrecken-Rennsport starke Fliehkräfte bei Kurvenfahrt auf, so ist der Marathon-Rallyesport von extremen vertikalen Belastungen durch den rauen Untergrund geprägt. "Auf Kamelgras-Strecken werden die Schläge durch das Auto in den Körper weitergeleitet", führt der Orthopäde und Sportmediziner aus. "Deshalb muss die Muskulatur sehr gut ausgeprägt sein, um die stark belastete Wirbelsäule zu stabilisieren." Ausgleichsmaßnahmen der Therapeuten müssen sich an diesen Belastungen orientieren.

Im Dezember schließt sich eine zweite Spezialuntersuchung an. "Dann werden wir die Steigerungen messen, die jeder Fahrer erzielt hat", erklärt Dr. Peil. "Ich habe keine Zweifel daran, dass sich das Team optimal auf den großen Einsatz im Januar vorbereitet. Ich bin sehr angetan von den starken Leistungen im gesamten Werksteam – sowohl bei den Fahrern, die wir schon kennen, als auch bei den Neuverpflichtungen. Ihre hohe Motivation, unsere Ratschläge umzusetzen, ist ein perfekte Grundlage für die Rallye Dakar."