Du warst letzte Saison WM-Zweiter und viele dachten, du könntest Sebastien Loeb 2011 schlagen. Wann hast du letztendlich realisiert, dass du keine Chance mehr auf den Titel hast und wie enttäuschend war diese Situation?
Jari-Matti Latvala: Sie war sehr enttäuschend für mich. Ich habe die Chance in Griechenland verloren, als ich Probleme mit dem Turbo und der Kraftübertragung hatte. Im ersten Moment verlierst du ein bisschen die Motivation, aber nun habe ich andere Bereiche, in denen ich mich verbessern möchte. Ich strebe bessere Resultate auf Asphalt an und möchte in der Weltmeisterschaft in die Top-3 klettern. Du musst einfach versuchen, neue Aufgaben zu finden und hoffen, im nächsten Jahr wieder um den Fahrertitel kämpfen zu können.

Kannst du beschreiben, wie es war, den Sieg in Jordanien nur um 0,2 Sekunden an Sebastien Ogier zu verlieren?
Jari-Matti Latvala: Es ist grundsätzlich ein Gefühl, als hättest du die Rallye nicht beendet. Es tut so sehr weh, wenn du den Sieg auf diese Weise verlierst. Es ist dann auch vollkommen egal, welche Position du letztendlich einfährst. Du hast verloren, du hast die gesamte Rallye verloren! So fühlt sich das an. In diesem Moment kannst du dich über nichts freuen. Erst nach einiger Zeit, wenn du dich beruhigt hast, erkennst du, dass es ein großartiger Kampf war und du den zweiten Platz geschafft hast. Aber ja, es tut sehr weh.

Auch sonst hattest du über die erste Hälfte der Saison eine Menge Pech. Gebrochene Radaufhängungen, gebrochene Antriebswellen, Reifenplatten. Hast du irgendeine Erklärung, warum solche Dinge immer dir passieren?
Jari-Matti Latvala: Vor zwei Jahren habe ich eine Menge Fehler gemacht. Danach musste ich schnell runterkommen und an mir selbst arbeiten - das letzte Jahr war dann gut. Diese Saison hatte ich sehr gehofft, um den Fahrertitel kämpfen zu können. Nach den ersten vier Rallyes sah es auch noch recht gut aus, aber dann habe ich im Frühling eine Menge Probleme bekommen. Wir können nicht sagen, warum uns das ganze Pech getroffen hat, es war eine Kombination aus vielen Dingen, die zur selben Zeit passierten. Das war sehr ernüchternd, denn wir konnten keine Erklärung finden.

Jari-Matti Latvala ist ruhiger geworden, Foto: Sutton
Jari-Matti Latvala ist ruhiger geworden, Foto: Sutton

Du bist kürzlich deine 100. Rallye gefahren. Wie hast du dich seit deiner ersten Rallye verändert?
Jari-Matti Latvala: Ich kann mich erinnern, dass ich sehr aufgeregt war. Es war für mich schwierig, ruhig zu bleiben. Heute bin ich gelassener und kann das, was ich mache, mehr genießen. Zudem war ich sehr verbissen, wollte immer gewinnen und fantastische Zeiten in den Wertungsprüfungen fahren. Mein Fahrstil war so aggressiv. Heute bin ich deutlich präziser und konzentriere mich mehr auf die Linien.

Es gibt immer wieder junge Talente, wie Mads Östberg, die in die WRC einsteigen. Erhöht das den Druck auf dich, eine perfekte Leistung zu zeigen?
Jari-Matti Latvala: Ein bisschen natürlich schon. Es ist gut, denn wir sind älter und wir müssen konkurrenzfähig bleiben, weil diese Jungstars sonst unsere Plätze einnehmen. Aber es ist gut so, denn ich bin den gleichen Weg gegangen. Ich kam von Stobart und bin ins Werksteam gewechselt, als Markus [Grönholm] aufhörte zu fahren. Es ist gut, dass diese jungen Fahrer da sind, denn das gibt uns immer wieder einen Weckruf. Auf der anderen Seite erhöht es natürlich ebenso den Druck.

Wie stehst du zu der Regeländerung, dass der Shakedown ab 2012 zum Qualifying wird und die taktischen Spielchen dadurch verschwinden?
Jari-Matti Latvala: Ich glaube, dass es weniger Taktik geben wird, aber sie wird nicht verschwinden - sie wird sich ändern. Es wird nicht mehr innerhalb der Prüfung gestoppt, sondern du fährst alles mit Vollgas. Aber am Ende des Tages kannst du bezüglich der Positionen, die du einnehmen kannst, taktisch spielen. Denn du kannst dir selbst deine Position für den nächsten Tag 'aussuchen'.

Der Rallye-Sport ist momentan so eng wie selten. Was ist der Schlüssel zum Erfolg?
Jari-Matti Latvala: Konstanz. Du musst in der Lage sein, Rallyes immer mit Höchstgeschwindigkeit, aber ohne Fehler zu bestreiten. Das ist sehr wichtig. Es ist schwierig, Zeit wieder gutzumachen, wenn du zwei oder drei Sekunden hinten bist. Denn es ist beinahe unmöglich, eine Stage-Zeit zu fahren, durch die du zehn Sekunden auf die anderen Piloten gewinnst.

Wie wirkt sich das Engagement von Mini sowie der Einstieg von Volkswagen in zwei Jahren auf die WRC aus?
Jari-Matti Latvala: Es ist sehr gut, dass Mini auch Rallyes fährt. Das bringt uns mehr Interesse und vor allem mehr Autos, was man an der Startliste sehen kann. Wenn Volkswagen kommt, ist das umso wichtiger, weil sie ein großes Team und ein großer deutscher Hersteller sind. Das war es, worauf wir in der Weltmeisterschaft gewartet haben und es war eine großartige Ankündigung.

Obwohl Rallye ein spektakulärer Sport ist, wissen viele Menschen wenig darüber. Trägt das Fernsehen eine Mitschuld, oder was könnten die Gründe sein?
Jari-Matti Latvala: Es ist schwierig mit dem Fernsehen, denn es ist kompliziert, Live-Events zu machen. Es gibt so viele verschiedene Wertungsprüfungen, zum Beispiel im Wald. Deshalb kann man nur abends eine Zusammenfassung senden und nicht live. Wobei wir nun die Power-Stage haben, was ein großer Schritt nach vorne ist. Es ist einfach schwierig im Rallye-Sport, dennoch hoffe ich, dass diese Situation in der Zukunft verbessert werden kann.

Jari-Matti Latvala sieht viel Potenzial im Ford Fiesta RS WRC, Foto: Ford
Jari-Matti Latvala sieht viel Potenzial im Ford Fiesta RS WRC, Foto: Ford

Citroen hat dieses Jahr alle bisherigen Schotter-Events gewonnen. Sind sie euch überlegen, oder täuscht der Eindruck?
Jari-Matti Latvala: Der Eindruck täuscht etwas. Der Rückstand war bei drei Rallyes sehr gering. Ich hatte in Argentinien Probleme. Mikko war der Schnellste Pilot in Finnland und ich hatte einige sehr gute Stage-Zeiten auf Sardinen. Ich denke, wir waren konkurrenzfähig, aber wir haben es nicht geschafft, es auch ins Ziel zu bringen. Die Geschwindigkeit war da, aber eine Kombination aus verschiedenen Dingen hat immer unsere Leistung zunichte gemacht.

In der Zukunft werden noch mehr Runden der Weltmeisterschaft außerhalb Europas stattfinden. Denkst du, diese Entwicklung ist gut für deinen Sport?
Jari-Matti Latvala: Natürlich ist es gut, Läufe außerhalb Europas zu haben, das muss sogar sein. Es sollte aber nicht mehr werden als in diesem Jahr. Wir haben dieses Jahr Mexiko, Argentinien, Jordanien und Australien. Aber ich denke, vier oder fünf Läufe außerhalb Europas sollten genug sein. Denn, wenn man auf alle Kontinente blickt, liegt das größte Interesse und die Grundidee in Europa. Das ist für mich der Grund, warum wir immer mehr Läufe hier haben sollten.

Das Interview mit Jari-Matti Latvala stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: