Der Nissan GT-R LM Nismo ist der ultimative Nissan GT-R, die puristischste Ausdrucksform einer Innovation, die begeistert. Denn der für die oberste Liga des Langstreckensports genannte Le Mans-Renner von Nissan unterscheidet sich konzeptionell gravierend von allen anderen LM P1 Fahrzeugen.

Als globales Projekt wurde der GT-R LM Nismo von zuvor sorgfältig ausgesuchten Experten aus Japan, den USA und Europa gemeinsam entwickelt. Im Gegensatz zu anderen LM P1 ist der 3,0 Liter große und von zwei Turboladern angefachte V6-Benziner im Bug des Fahrzeugs installiert. Von wo aus er auch die Vorderräder antreibt. Die durch das ERS (Energy Recuperation System) generierte Hybridkraft wird ebenfalls an der Vorderachse abgegriffen, um damit besonders schnell aus Kurven herausbeschleunigen zu können.

Wer besser als Ben Bowlby, Teamchef und Technischer Direktor des Nissan LM P1-Projekts, könnte die technischen Finessen des innovativen Sportwagens erklären.

Ja, es ist wahr: Der Nissan ist überwiegend frontgetrieben, Foto: Nissan
Ja, es ist wahr: Der Nissan ist überwiegend frontgetrieben, Foto: Nissan

Können Sie erklären, woher die Kraft des Nissan GT-R LM Nismo kommt?
Ben Bowlby: "Es geht los mit einem sehr modernen, gleichwohl konventionellen 3,0-Liter-V6 mit Twin-Turboaufladung. Das ist ein sehr effizienter Benzin-Direkteinspritzer, der unter Berücksichtigung der maximal erlaubten Benzindurchflussmenge eine außerordentliche Leistung mobilisiert. Die Benzindurchflussmenge gehört zu den neuen Le Mans-Regularien – die Motoren sind zwar weder in punkto Hubraum, Ladedruck oder Drehzahl limitiert, dürfen im Gegenzug aber pro Runde nur eine bestimmte Menge an Treibstoff verbrennen. Das heißt: Je effizienter der Motor läuft, je mehr Leistung kann man ihm entlocken. Im Vergleich zu einem 2013 in Le Mans eingesetzten Benzinmotor kommt Nissan bei dem neuen Triebwerk mit knapp 30 Prozent weniger Treibstoff aus.

Zusätzlich zum Verbrenner nutzen wir ein kinetisches Energierückgewinnungssystem, kurz ERS genannt. Damit fangen wir beim Anbremsen einer Kurve sonst nutzlos verpuffende Energie auf und können die gespeicherte Kraft beim Herausbeschleunigen aus einer Kurve abrufen. Dabei ist es extrem wichtig, diesen Powertransfer besonders schnell abzuwickeln. Das zeigt sehr schön der Vergleich mit einer Stange Dynamit. Im Grunde bündelt sie nur eine recht kleine Menge an Energie. Doch wird sie in Sekundenbruchteilen freigesetzt, erzeugt sie einen gewaltigen Knall. Würde man die gleiche Menge an Energie über einen ganzen Tag verteilt freisetzen, würde das kaum ausreichen, eine Glühbirne zum Brennen zu bringen! Es geht also auch in einem Rennwagen wie dem GT-R LM Nismo darum, die Hybridenergie so schnell wie irgend möglich auf die Antriebsachse zu bringen."

Ist der GT-R LM Nismo ein Fronttriebler?
Ben Bowlby: "Er ist in der Tat ein frontgetriebener Wagen mit vorn liegendem Motor. Der Verbrennungsmotor treibt die Vorderräder an und das ESR speichert die auf der Antriebsachse erzeugte Energie. Wir nutzen den in punkto Nennleistung relativ moderaten Benziner als Primärquelle zum Antrieb der Vorderachse und addieren dazu die vom ERS erzeugte Energie für eine bessere Beschleunigung."

Ist der GT-R mit diesem Kraftpaket schneller als die anderen LM P1-Modelle?
Ben Bowlby: "Das LM P1 Reglement sieht vier unterschiedliche Hybridklassen vor und nimmt dabei eine Runde auf dem Le Mans-Kurs als Referenz. Die Durchflussmengen sind gestaffelt und hängen direkt mit der gewählten Größe des ERS-Speichers ab. Generell gilt: Wer besonders viel ERS-Power aufnimmt und wieder abruft, darf weniger Treibstoff in die Brennkammern schicken. Für die unterste Klasse (2 Megajoule pro Runde) gemeldete Fahrzeuge dürfen also vergleichsweise viel Benzin oder Diesel verbrennen. In den drei darüber liegenden Klassen – 4MJ, 6MJ und 8MJ – wird die erlaubte Durchflussmenge dann schrittweise immer weiter reduziert. Daraus ergibt sich für das ERS-Layout die Alternative, entweder sehr viel Kraft für einen sehr kurzen Zeitraum oder relativ wenig Leistung über einen sehr langen Zeitraum zu erzeugen.

Die ebenfalls in Megajoule gemessene Treibstoffenergie verringert sich also proportional zur über das ERS abgerufenen Kraft. Die Reglementmacher bei der FIA und beim ACO wollen jedoch vor allem Konzepte fördern, bei denen trotz reduzierter Benzindurchflussmenge maximal viel Energie zurückgewonnen wird. Die Idee ist: Je mehr Megajoules aus dem ERS auf den Asphalt kommen, desto schneller wird das Auto. Daher denken wir, dass man mit einem 8MJ-Auto über eine Le Mans-Runde schneller sein sollte als zum Beispiel mit einem 2MJ-Fahrzeug.

Allerdings gilt es dabei auch einige Herausforderungen zu beachten. In erster Linie das Gewicht. Zehn bis zwölf Kilogramm zusätzlich werden mit einer 0,5 Sekunden längeren Rundenzeit quittiert. Wir stehen bei Nissan vor der Aufgabe, ein großes und kraftvolles ERS im Auto einzubauen, ohne dabei über das für den GT-R LM Nismo auf 880 Kilogramm festgesetzte Gewichtslimit zu kommen. Wie knifflig die Angelegenheit ist, zeigt die Tatsache, dass die Hälfte des Gewichts allein schon auf den Verbrennungsmotor, das ERS und den übrigen Antriebsstrang entfällt."

Die Hinterreifen sind deutlich schmaler als die vorderen, Foto: Nissan
Die Hinterreifen sind deutlich schmaler als die vorderen, Foto: Nissan

Wie sieht es mit den Reifen aus? Die hinteren Pneus sehen schmaler aus als die vorderen?
Ben Bowlby: "Ja, das ist der Fall – die vorderen sind 14, die hinteren nur neun Zoll breit. Das hängt damit zusammen, wie die Massen im Auto verteilt sind und wo genau der Massenschwerpunkt liegt. Wir haben die Gewichtsverteilung nach vorne gelegt, um eine optimale Traktion für die angetriebenen Vorderräder zu erzielen. Auch das Aerodynamik-Paket wurde entsprechend angepasst.

Wieso unterscheidet sich der Nissan GT-R LM Nismo so stark von den existierenden LM P1-Modellen?
Ben Bowlby: "Das Reglement gab uns die Freiheit, ein in der Tat sehr unterschiedlich aussehendes Auto zu entwickeln. Nissan versteht sich als ein mutiger Herausforderer, der nun mit dem GT-R LM Nismo die Architektur für einen LM P1 Wagen des Jahrgangs 2014 auf den Kopf gestellt hat. Das Resultat ist ein Rennwagen, der allein schon durch das weit zurückversetzte Cockpit eine deutlich abweichende Optik erhält.