Vermutlich hätten Gerard Neveu, Pierre Fillon und Jean Todt ob dieser Situation Luftsprünge gemacht, als sie 2012 die World Endurance Championship ins Leben gerufen haben: Der Rennserie droht 2015 ein Luxusproblem. Aus Logistikgründen wird auch für die kommende Saison das Starterfeld auf maximal 32 Fahrzeuge beschränkt. Bislang war das kein großes Problem - aktuell gibt es 25 Teams, die die gesamte Saison bestreiten. Doch das attraktive Paket der Rennserie könnte nun mehr Teams anziehen als Startplätze vorhanden sind.

"Wenn wir maximal 32 Fahrzeuge sagen, dann tun wir das nicht, um die Starterfelder künstlich zu begrenzen", sagt WEC-Chef Neveu gegenüber Sportscar365. "Es ist die beste Möglichkeit, eine gute Organisation zu gewährleisten." Dabei sei nicht nur die Beschränkung auf vier Boeing-747-Frachter, sondern in erster Linie die Boxen-Infrastruktur gemeint. "Man schaue sich nur mal an, wie viel Platz die LMP1-Programme in Anspruch nehmen." Kommende Saison wird es vier Werksteams geben, wenn sich Nissan mit in den Hybridkampf stürzt.

Zusätzlich plant eine ganze Reihe amerikanischer Teams, die mit der USCC unzufrieden sind, in die WEC zu wechseln, gleichzeitig liebäugelt Signatech Alpine nach zwei Saisons in der ELMS mit dem Aufstieg. Die LMP2-Kategorie soll durch ein besseres Fahrer-Ranking-System wieder attraktiver gemacht werden. Auch die hybridlose LMP1-Kategorie, die noch auf den Namen LMP1-L hört, wird Zuwachs erhalten. Mit Brasilien fällt zudem ein teures Übersee-Rennen weg, dafür gibt es auf dem Nürburgring ein zusätzliches Europarennen - all das generiert ein großes Interesse bei Privatteams.

Die turbulente erste USCC-Saison könnte viele Teams in die WEC treiben, Foto: Corvette Racing
Die turbulente erste USCC-Saison könnte viele Teams in die WEC treiben, Foto: Corvette Racing

Neveu warnt: Auf dem Boden bleiben

Während im Fahrerlager schon Zahlen um 40 mögliche Nennungen kursieren, winkt Neveu ab: "Wir müssen da bescheiden bleiben. Es sieht momentan so aus, dass es ein großes Interesse gibt, aber zwischen den Interessensbekundungen und der endgültigen Nennung für einen Startplatz vergeht eine lange Zeit." Auch für diese Saison gab es viele Interessensbekundungen; am Ende verkündete der ACO 31 Starter für die gesamte Saison. Von diesen sind zwei Fahrzeuge (Millennium Racing) gar nicht erst angetreten, zwei weitere (Ram Racing) fehlen seit Le Mans, eines (Lotus) ist erst seit kurzer Zeit dabei und ein weiteres (Strakka-Dome) soll - wenn überhaupt - erst beim letzten Rennen antreten.

Bisher wird dieser Schwund ganz gut durch lokale Teams aufgefangen, und das soll auch kommende Saison so bleiben: Engagements wie das von Jota-Sport bei den Europa-Rennen vor Le Mans, den asiatischen Fahrern bei Oak Racing, oder den amerikanischen Teams in Austin sollen auch künftig möglich sein. So könnten die Starterfelder auch mehr als 32 Fahrzeuge umfassen."Den einen oder anderen lokalen Fahrer einzuspannen kann sinnvoll sein, weil es bei der Vermarktung des Rennens hilft", so Neveu. Dennoch könnte künftig in der WEC gelten: Qualität von Quantität. Die diesjährigen Zwölf Stunden von Sebring in der USCC waren ein mahnendes Beispiel, was passiert, wenn jeder antreten darf, der genug Geld hat.

Das Ende vom Anfang ist erreicht

Insgesamt sieht Neveu die WEC am Ende des ersten Abschnitts angekommen. Gegenüber Daily Sportscar erzählt er: "2014 ist das Ende des ersten Zyklus der World Endurance Championship. Es war seit dem Start der Meisterschaft im Jahre 2012 der Plan, zu schauen, was wir nach drei Jahren erreicht haben." Vieles sei in den Bereichen Organisation, Wert und Sichtbarkeit geschehen. "An allen drei Fronten ist unser Start mit der heutigen Situation gar kein Vergleich mehr. Mit viel Demut können wir sagen, dass viel in diesen Punkten erreicht wurde - vielleicht sogar mehr, als wir erwartet hatten."

Der erste WEC-Lauf fand vor zweieinhalb Jahren statt, wirkt aber wie aus einer anderen Zeit, Foto: ALMS
Der erste WEC-Lauf fand vor zweieinhalb Jahren statt, wirkt aber wie aus einer anderen Zeit, Foto: ALMS

Gewiss war der erste Schritt nicht leicht, doch der nächste dürfte noch wesentlich mehr Kraftaufwand verlangen: "Sagen wir es mal so: Wir haben unser Auto für das freie Training auf die Strecke gebracht. Jetzt bereiten wir uns auf das Qualifying vor mit dem Ziel, es nach vorne in der Startaufstellung zu schaffen. Und dann steht uns das lange Rennen bevor." Konkret heißt das: Vergrößerung des Publikums an der Strecke, eine stärkere Medienpräsenz, Marketing und Kommunikation nach außen optimieren. "Sagen wir zur Anschauung: Wenn momentan 20 Prozent der Leser einer Publikation über die WEC Bescheid wissen, würde ich nach den nächsten drei Jahren gerne 50-60 Prozent sehen."

Das bedeutet konkret, dass Neveu die WEC aus dem Special Interest Bereich herausholen will. "Wir haben mittlerweile das nötige Level [an Aufmerksamkeit] erreicht. Unser Ziel für 2015 muss sein, mehr Journalisten aus Lifestyle- und generellen Newsmagazinen und -zeitungen zu überreden, zu den Rennwochenenden zu kommen." Ein nobles Ziel, doch die Realität ist hart: Bislang ist dieser Schritt im Automobilsport nur der Formel 1 gelungen. Das innovative Reglement ist dabei ein mögliches Zugpferd. "Wir zeigen, dass es nicht immer Kompromisse geben muss, sondern dass grüne Technologien auch spannend sein können."

An den Voraussetzungen soll es nicht scheitern: "Wir versuchen, einen neuen 'Endurance-Planeten' zu kreieren. Der Fortschritt, den wir erzielen müssen, ist eine große Herausforderung. Aber ich denke, dass wir einige der besten Teams und Hersteller haben und das vielleicht beste Racing im ganzen Motorsport, untermauert von einer guten Qualität der Show, einer guten Organisation der Rennwochenenden und einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis bei den Tickets für die Fans." Das mögliche Luxusproblem soll also bloß der Anfang sein.