Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG trauert um Hans Mezger. Der Konstrukteur ist am 10. Juni 2020 im Alter von 90 Jahren verstorben. Porsche verdankt ihm nicht nur den luftgekühlten Sechszylinder-Boxermotor des Porsche 911, er zeichnete sich zudem für die Gesamtkonstruktion des 917 und dessen Zwölfzylinder-Triebwerk verantwortlich und ist der Schöpfer des TAG-Turbo Formel-1-Motors.

Mehr als drei Jahrzehnte lang war Hans Mezger für die erfolgreichsten Rennfahrzeuge und Rennmotoren von Porsche verantwortlich. "Die Nachricht über seinen Tod trifft uns sehr. Wir sind in Gedanken bei seiner Familie", sagt Michael Steiner, Vorstand für Forschung und Entwicklung der Porsche AG. "Wir danken Hans Mezger für seine außerordentlichen Ingenieursleistungen, was er für den Motorsport im Allgemeinen und für Porsche im Besonderen getan hat. Seine Innovationen für unsere Serien-Sportwagen bleiben für immer unvergessen."

Geboren wird Hans Mezger am 18. November 1929 in Ottmarsheim, einer kleinen Dorfgemeinde bei Ludwigsburg vor den Toren Stuttgarts. Er ist das jüngste von fünf Kindern, die Eltern betreiben einen Landgasthof. Kunst und Kultur werden im Hause Mezger großgeschrieben. Aber der junge Hans Mezger begeistert sich auch für Flugzeuge und das Fliegen und so unternimmt er mit einer Segelfliegergruppe aus seiner Nachbarschaft hin und wieder einen Ausflug nach Kirchheim/Teck.

Mitten hinein in die unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit und den Besuch des Gymnasiums schlagen das Dritte Reich und der Zweite Weltkrieg. Und am 18. April 1945, gerade mal drei Wochen vor Kriegsende, entgeht der 15-jährige Hans Mezger nur mit Glück und dem fingierten Attest eines deutschen Kommandanten dem Kriegseinsatz.

Schließlich besucht Hans Mezger weiter das Gymnasium - bis zur 6. Klasse in Besigheim, danach bis zum Abitur das Schiller Gymnasium in Ludwigsburg. "1946 erlebte ich das erste Autorennen meines Lebens. Es war in Hockenheim, wo alte Vorkriegsrennwagen am Start waren, darunter auch Hans Stuck, den ich mit meiner alten Kamera aufgenommen habe", berichtete einst Hans Mezger über sein erstes Motorsporterlebnis unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.

Hans Mezger entscheidet sich für ein Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule, der heutigen Universität Stuttgart. Allerdings herrscht zu dieser Zeit großer Andrang an den Universitäten, denn die aus dem Krieg zurückgekehrten jungen Männer werden bei der Vergabe der Studienplätze bevorzugt. So nutzt Hans Mezger die Zeit für das von der Universität geforderte zwölfmonatige Praktikum, das zahlreiche Stationen wie mechanische Bearbeitung, Schweißen, Modellbau sowie einige Wochen in der Grauguss- und Aluminium-Gießerei vorsieht.

"Zu dieser Zeit fuhr ich einen Motorroller, eine NSU Lambretta. Abgesehen von der 250er-DKW meines Bruders mein erstes und gleichzeitig letztes motorisiertes Zweirad. Ich fuhr die Lambretta bis 1960, als ich mir mein erstes Auto, einen betagten und recht abgenutzten 356 kaufen konnte. Erst Jahre später sollte ich wieder mit motorisierten Zweirädern in Kontakt kommen, als es Ende der 1970er-Jahre galt, für Harley-Davidson neue Motorradmotoren zu entwickeln."

Mit dem Studienabschluss 1956 geht zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders eine wahre Flut von Job-Angeboten einher. "Es waren 28. Doch Porsche war nicht dabei. Ich wollte aber zu Porsche, denn der Sportwagen Typ 356 begeisterte mich. Daraufhin bewarb ich mich, wurde auch eingeladen und man bot mir eine Tätigkeit in der Dieselmotorenentwicklung an. Bis dahin wusste ich nicht einmal, dass es bei Porsche so etwas gab. Mir schwebte jedoch die Arbeit an Sportwagen vor. Man zeigte Verständnis und so fing ich in der Berechnungsabteilung bei Porsche an", beschrieb Hans Mezger seinen Einstieg beim Zuffenhausener Sportwagenhersteller.

Wenig später, im Jahr 1958, heiraten Hans Mezger und seine Frau Helga. Damit einher geht der Umzug in die erste gemeinsame Wohnung in Ludwigsburg. Kurze Zeit später folgen die beiden Kinder Daniela und Oliver.

Dann geht es sozusagen Schlag auf Schlag. Hans Mezger sammelt erste Erfahrungen mit dem Viernockenwellenmotor Typ 547, entwickelt eine Formel zur Berechnung von Nockenprofilen und wird 1960 Teil des ersten Formel-1-Projekts von Porsche. An der Entwicklung des 1,5-Liter-Achtzylinders vom Typ 753 ist er dabei ebenso beteiligt wie am dazugehörigen Chassis des 804.

"Bei diesem Formel-1-Projekt lernte ich viel über die Gestaltung von Brennräumen. Dies kam unmittelbar auch der Konstruktion des Sechszylinder-Boxers für den späteren 901/911 zu Gute. Im Laufe der Zeit wurde Ferry Porsche mit seiner visionären Unternehmensführung, seinen menschlichen Qualitäten, seiner Würde und seinem großen Einsatz zu meinem Vorbild. Seine Philosophie, Rennsport zu betreiben, um den besten Sportwagen für die Straße bauen zu können, war überzeugend und prägte mich und meine Arbeit für die ganze Zeit meiner Tätigkeit im Hause", berichtete er aus jener frühen Epoche bei Porsche.

Beruflich folgen Anfang der 1960er-Jahre der weltberühmte "Mezger-Motor" für den 901 beziehungsweise 911 und 1965 der Aufstieg zum Leiter der von Ferdinand Piëch geschaffenen Abteilung "Konstruktion Rennfahrzeuge". Sie ist der Schlüssel für eine neue Qualität und Dynamik von Porsche im Motorsport. 1965 entsteht in nur 24 Tagen der sogenannte "Ollon-Villars-Bergspyder" und kurz darauf der 910. Mit seiner Konstruktion aus Gitterrohrrahmen, Glasfaser-Karosserie und der Auslegung auf die neue Reifentechnologie aus der Formel 1 wird der Wagen sozusagen zur Blaupause für alle Rennfahrzeuge, die in den darauffolgenden Jahren entstehen.

Auch bei der Entwicklung des 917 setzt Porsche 1968 auf dieses Konstruktionsprinzip. Mit dem 917 soll endlich der erste Gesamtsieg für Porsche in Le Mans möglich werden und einmal mehr vertraut Ferdinand Piëch auf Hans Mezger, der die Gesamtkonstruktion des Fahrzeugs und seines Zwölfzylinders übernimmt. 1970 und 1971 dominieren die 917 in Le Mans und in der Sportwagenweltmeisterschaft. 1972 und 1973 zeigen die 917/10 und 917/30 dank einer von Porsche selbst entwickelten neuartigen Abgasturboaufladungs-Technologie auch auf den kurvenreichen Strecken der CanAm-Serie wo es langgeht.

Erstmals war es gelungen, der Turboaufladung ein Ansprechverhalten zu verleihen, mit dem Rennwagen und Serienfahrzeuge auf allen Rennstrecken und öffentlichen Straßen eingesetzt werden können. Eine Technologie, die Porsche zum Vorreiter auf diesem Gebiet macht und die Hans Mezger und seine Mannschaft 1974 in Gestalt des 911 Turbo auf die Straße bringen. Viele weitere siegträchtige Entwicklungen folgen. Für die 24 Stunden von Le Mans, die Sportwagen-WM oder auch für die amerikanische Indy-Serie.

Doch das wohl herausragendste Projekt nimmt 1981 Fahrt auf, als sich Ron Dennis und sein McLaren-Rennstall auf die Suche nach einem schlagkräftigen Turbo-Motor für die Formel 1 machen. Die Wahl fällt schließlich auf Porsche und es wird beschlossen, einen komplett neuen Motor zu konstruieren, zu bauen und auch vor Ort bei den Rennen zu betreuen.

Auch diesmal ist Hans Mezger der kreative Kopf und Macher des 1,5-Liter-V6-Motors mit 80 Grad Bankwinkel, der es später im Rennen auf mehr als 1000 PS bringen sollte. 1984 wird Niki Lauda damit Weltmeister, 1985 und 1986 gelingt dies Alain Prost. Insgesamt 25 Rennsiege erringt der TAG-Turbo, hinzukommen die beiden Konstrukteurs-Weltmeisterschaften 1984 und 1985. "Das war ein großartiger Erfolg und gleichzeitig auch der bis dahin bedeutendste Entwicklungsauftrag einer Fremdfirma für Porsche."

Die Verbundenheit zu Porsche lässt ihn während seiner Karriere sämtliche Angebote anderer Hersteller ablehnen und bis zuletzt besaß er einen 911 Carrera 3.0 in Grand-Prix-Weiß - einen begehrten Porsche-Klassiker mit "seinem" Motor. Seine Loyalität und Verbundenheit zu Porsche war ungebrochen. Er stand Journalisten, Technikern und interessierten Fans gerne als Gesprächspartner zur Verfügung. Das Porsche Museum richtete zu seinem 90. Geburtstag eine Feier mit Familie, Freunden und ehemaligen Weggefährten aus. Bis zuletzt begleitete er Veranstaltungen, Messauftritte und Festlichkeiten von Porsche.