Dominique, die erste Saisonhälfte ist Geschichte. Jetzt steht bis Mitte August eine Sommerpause an...
Dominique Aegerter: Die Sommerpause wird diese Saison sehr schnell vorbei gehen. Ich habe direkt nach dem Rennen in Mugello eine Woche Urlaub in Barcelona gemacht. Im Anschluss an diese Woche verbringe ich ein paar Tage zu Hause, wobei ich mich in dieser Zeit dem Fitnesstraining widmen werde. Außerdem stehen bis zum Meeting in Indianapolis noch einige Tests an, unter anderem vom Reifenausrüster Dunlop in Dijon.

Dein Weg zum Straßenrennsport war ja eher ungewöhnlich...
Dominique Aegerter: Ich habe mit fünf Jahren begonnen, mit 50cc-Maschinen Motocross zu fahren. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich einen Ausgleich gesucht und im Straßenrennsport gefunden. Mir gefiel es damals, dass sich der Straßensport vom Crossen komplett unterschieden hat. Bei Motocross ist jede Runde anders, die Linienwahl, die Sitzposition, die mentale und körperliche Anforderung. Beim Fahren auf Straßenkursen sind eher Konstanz und Präzision gefragt.

War eine Karriere im Straßensport die richtige Wahl?
Dominique Aegerter: Ich begann dann, wie gesagt im Alter von zwölf Jahren, mit ebenfalls 50cc-Maschinen in der Schweiz an Cup-Rennen teilzunehmen. Go-Kart Pisten waren damals mein Betätigungsfeld. So richtig überzeugt hat mich das allerdings nicht. Später kam ich dann an richtige Rennstrecken, an den Hockenheimring erinnere ich mich zum Beispiel noch sehr gut. So nahm der Wechsel auf die Straße dann seinen Lauf und ich war ein Jahr später schon im Feld des ADAC Junior Cup zu finden.

Das bestehende Verbot von Rundstreckenrennen in der Schweiz macht einen Karrierestart in deiner Heimat vermutlich nicht einfach...
Dominique Aegerter: In der Schweiz gibt es durch die Tragödie in Le Mans 1955 mit 84 Toten ein Rennstreckenverbot. Dadurch gibt es in meiner Heimat auch keine nennenswerten Kurse. Man hat im Jahr 2010 einen erneuten Versuch unternommen, dieses etwas angestaubte Gesetz zu kippen. Leider blieb ein Erfolg aus. Eigentlich schade, da durch Tom, Randy und mich eine gewisse Begeisterung und großes Interesse in der Schweiz vorhanden ist. Für Nachwuchspiloten ist diese Situation natürlich fatal, da man für Testfahrten immer ins Ausland ausweichen muss. Der finanziell größere Aufwand ist kaum zu bewältigen. Da spreche ich aus Erfahrung, da auch meine ersten richtigen Gehversuche im Straßensport in Deutschland stattgefunden haben.

Der Verlust von Shoya Tomizawa war für Dominique Aegerter nur schwer zu verarbeiten, Foto: Milagro
Der Verlust von Shoya Tomizawa war für Dominique Aegerter nur schwer zu verarbeiten, Foto: Milagro

Obwohl der Sport seit damals viel sicherer geworden ist, hast du die Tragödie um Shoya Tomizawa aus nächster Nähe erlebt...
Dominique Aegerter: Das stimmt, die schlimmste Zeit meiner Karriere. Shoya war 2010, der ersten Saison in der neuen Moto2, mein Teamkollege. Dieser Unfall war für mich der erste Vorfall in meinem direkten Umfeld mit tödlichem Ausgang. Die Tage nach Misano waren die schwersten Momente meines Lebens und von Gedanken an meinen guten Freund geprägt.

Wie hast du diese Geschehnisse verarbeitet?
Dominique Aegerter: Ich glaube, in solchen Momenten sucht und findet jeder seine eigenen Wege. Ich habe in dieser Zeit sehr viel nachgedacht und festgestellt, wie sehr ich meinen Sport liebe. Unfälle und Stürze gehören allerdings zu diesem Sport dazu. Die Dorna, IRTA, die Fahrer und alle Beteiligten arbeiten ständig an besseren Sicherheitsbedingungen, doch solche Unfälle werden sich nie komplett ausschließen lassen. Einen Monat nach dem Unfall hatten das Team und ich die Eltern von Shoya in ihrer japanischen Heimat besucht. Die Mentalität seiner Eltern und Angehörigen im Umgang mit allem Geschehenen und ihre Freundlichkeit gegenüber allen Teammitgliedern hat mich damals sehr beeindruckt. Diese außergewöhnliche Erfahrung hat mir in diesen schweren Momenten sehr viel Kraft gegeben und war ganz sicher ein Meilenstein im Verarbeitungsprozess.

Danach kam mit Kenan Sofuoglu nach zwei Wildcard Einsätzen im Jahr 2010 ein komplett neuer Mann in die Moto2 und in dein Team...
Dominique Aegerter: Mit Kenan bin ich auf Anhieb gut klar gekommen. Ein außergewöhnlicher Fahrer, der mit einigen Vorschusslorbeeren bedacht wurde. Die Zusammenarbeit auf der Strecke und an der Box funktionierte eigentlich tadellos, allerdings waren die Formschwankungen bei ihm über die gesamte Saison zu groß. Bei manchen Rennen legte er einen unglaublichen Speed vor, um beim nächsten Rennen wieder im hinteren Teil des Feldes zu fahren. Ich glaube, er hat sich im Fahrerlager allgemein nicht richtig wohl gefühlt.

Mit Robby Rolfo steht dir diese Saison ein pflegeleichter Teamkollege zur Seite...
Dominique Aegerter: Das stimmt, Robby ist ein sympathischer Typ. Allerdings läuft er diese Saison noch seiner Form hinterher. Er wechselt noch zwischen den Chassis von 2011 und 2012. Ihm fehlen auf die Spitze zwei Sekunden und auf mich eine Sekunde. Auf der Strecke ist er mir also derzeit keine richtige Hilfe.

Du bist ja auch als spaßiger und netter Typ bekannt. Im GP-Paddock ist das keine Selbstverständlichkeit mehr...
Dominique Aegerter: Nun ja, ich mag es halt lustig. An die Stimmung im Fahrerlager muss man sich tatsächlich erst gewöhnen. Im Motocross war damals alles sehr familiär, da wurde am Abend in geselliger Runde gegrillt. Danach war ich in der IDM beheimatet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich innerhalb des Teams viel Spaß und es gab auch einige Kontakte zu Leuten außerhalb meiner Mannschaft. Als ich dann in die WM kam, war die Situation gerade in den ersten Jahren schwierig. Ich hatte kaum Kontakt zu anderen Leuten und fand keine neuen Freunde. Hier ist eben alles sehr streng abgeriegelt und jeder sehr auf seine Arbeit fokussiert.

Gibt es keine schweizerische Connection?
Dominique Aegerter: Nein, nicht direkt. Es gibt ja mittlerweile neben Randy, Tom und mir mit Marco Colandrea und Giulian Pedone weitere Schweizer im Grand Prix-Zirkus. Der Kontakt zu diesen Zwei ist aber eher eingeschränkt, da Marco aus der italienisch sprachigen Schweiz und Giulian aus dem französisch sprachigen Teil stammen. Im Endeffekt macht jeder von uns seine Arbeit so gut wie möglich und so beschränkt sich unser Verhältnis lediglich auf einen Handgruß beim Vorbeifahren.

Thomas Lüthi ist der größte Motorradstar in der Schweiz, Foto: Interwetten Paddock Moto2
Thomas Lüthi ist der größte Motorradstar in der Schweiz, Foto: Interwetten Paddock Moto2

Tom Lüthi genießt ja in der eidgenössischen Öffentlichkeit die meiste Aufmerksamkeit...
Dominique Aegerter: Tom ist das Maß der Dinge, aber ehrlich gesagt auch berechtigt. Er ist flott unterwegs und durch seine konstanten Leistungen in der Moto2 sowie seinen WM Titel 2005 ist er in der Sportpresse sehr präsent. Durch seine Beziehung zu Fabienne Kropf, die ehemalige Miss Bern, bekommt er auch in der Klatschpresse Aufmerksamkeit. Aber durch meinen Auftritt im Blick Live-Talk bei Tamara Sedmak habe ich auch auf diesem Gebiet etwas aufgeholt. Im Endeffekt haben wir alle Drei unsere Fans.

Eine Auffälligkeit gibt es bei dir. In Schlagzeilen über wirtschaftliche Probleme oder ungewisse sportliche Zukunft taucht nie dein Name auf...
Dominique Aegerter: Ich habe das große Glück, seit 2006 mit Olivier Métraux einen großen Förderer und Sponsor an meiner Seite zu haben. Ich habe ihm auf diesem Gebiet sehr viel zu verdanken, da ich bei finanziellen Fragen noch nie größeren Kummer hatte. Ich kann schon sagen, dass er in meiner Karriere viel ermöglicht hat. In der Saison 2012 verdiene ich auch das erste Mal in meiner Karriere Geld und werde nicht mehr von meinen Eltern bezuschusst. In der heutigen Szene schon fast eine Ausnahme.

Zur aktuellen Situation. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Suter? Es gab ja angeblich in letzter Zeit einige wirtschaftliche Ungereimtheiten...
Dominique Aegerter: Die Zusammenarbeit ist super, es ist immer ein Suter-Angestellter in unserer Box und hilft uns, eine optimale Abstimmung zu finden. Es ist sehr hilfreich, wenn man bei allem Trubel mit einem Spezialisten im eigenen Dialekt reden und sich austauschen kann. Die wirtschaftliche Situation bei Suter kenne ich auch nur aus verschiedenen Gerüchten. Deshalb kann und will ich dazu auch nichts sagen.

Wo geht die Reise der Moto2 hin? Wäre eine Freigabe der Motorenhersteller sinnvoll?
Dominique Aegerter: Eine schwierige Frage. Der über drei Jahre datierte Vertrag um die Einheitsmotoren endet ja mit dieser Saison. Manchmal wäre es schon cool, wenn ich auf der Gerade fünf PS mehr hätte als der Rest, aber ich denke, es ist alles so wie es ist ganz gut. Alle Fahrer sind gleich schnell und die Rennen machen unglaublichen Spaß. Es ist der Fahrer gefragt, eine richtige Renntaktik und natürlich die Abstimmung. Faktoren, die komplett von mir als Fahrer abhängig sind. Würde man das Reglement wieder gravierend ändern, würde das Budget wieder eine tragende Rolle übernehmen. Spezielle und teure Teile - wie zum Beispiel ein guter Zylinder - würden wieder in den Mittelpunkt rücken.

Die Moto2 benötigt aber trotzdem ein gewisses Budget...
Dominique Aegerter: Das Geld geht in unserem Sport immer weg. Sei es für eine größere Hospitality, Gästebetreuung oder ähnliches. Für das sportliche Niveau in der Moto2 sind die aktuellen Kosten im Moment in einem gesunden Bereich. Ein Reglementeinschnitt wäre ein großes Risiko.

Was sind in absehbarer Zeit deine Ziele? Ist die MotoGP für dich denkbar?
Dominique Aegerter: Die MotoGP ist natürlich für jeden Fahrer ein Traum, allerdings ein Traum mit vielen Risiken. Bei Tom Lüthi liegen schon seit drei Jahren solche Pläne in der Schublade. Das zeigt, welch ein finanzieller Kraftakt solch eine Unternehmung ist. Durch die neu geschaffenen Claiming Rule Bikes ist ein Aufstieg natürlich schneller möglich. Bevor ich allerdings über solche Dinge nachdenke, müssen in der Moto2 erst einmal konstant gute Ergebnisse her.

Wäre ein Aufstieg mit einem Claiming Rule Bike überhaupt sinnvoll? Ist ein Kampf um Podien und Siege in der Moto2 nicht besser?
Dominique Aegerter: Natürlich ist es um einiges besser, mit der Aussicht auf ein Podium oder einen Sieg zu den Rennen anzureisen. Aber wenn es die Möglichkeit zum Aufstieg gäbe, würde ich sie vermutlich nutzen. Ich glaube, wenn man auf einem CRT-Bike ansprechende Leistungen zeigt, gehen die Türen für einen Prototyp schnell auf. Aber wie gesagt, ich gehe stark davon aus, auch in der nächsten Saison wieder in der Moto2 zu starten.