Das Herz des Audi R10 ist ein völlig neu entwickelter V12 TDI-Motor, der über den maximal in Le Mans zugelassenen Hubraum von 5,5 Litern verfügt. Mit einer Leistung von über 650 PS und einem Drehmoment von mehr als 1.100 Newtonmeter stößt Audi in für Dieselmotoren neue Dimensionen vor. "Der Motor ist der spezifisch leistungsstärkste Diesel, den es auf der Welt gibt und die bisher größte Herausforderung, die Audi Sport in seiner langen Geschichte erlebt hat", erklärt Ulrich Baretzky, Leiter Motorentechnik bei Audi Sport. "Es gab bisher nichts Vergleichbares. Wir haben die Entwicklung mit einem weißen Blatt Papier begonnen."

Der V12 TDI des R10 ist der erste Audi Dieselmotor mit einem Kurbelgehäuse aus Aluminium. Der Zylinderwinkel beträgt 90 Grad. Analog zu den Audi Serienmotoren verfügt der V12 TDI über vier Ventile pro Zylinder und zwei oben liegende Nockenwellen. Die Gemischaufbereitung übernimmt ein modernes Common Rail-System. Der Einspritzdruck liegt weit über jenen 1.600 bar, die bei Audi in der Serie erreicht werden. Auch die Zünddrücke erreichen Werte, wie sie bisher noch bei keinem Audi Motor realisiert wurden.

Der Ladedruck der beiden Garrett-Turbolader ist reglementbedingt auf 2,94 bar absolut begrenzt, der Durchmesser der beiden vorgeschriebenen Luftmengenbegrenzer beträgt 2 x 39,9 Millimeter. Das Motormanagement übernimmt eine Bosch Motronic der jüngsten Generation (MS14).

Das hohe Drehmoment und die gut nutzbare Leistung des Motors stehen dem Fahrer nahezu ab Leerlaufdrehzahl zur Verfügung – eine Besonderheit der Diesel-Technologie, an die sich die Audi Piloten erst gewöhnen müssen. Das optimale Drehzahlband liegt zwischen 3.000 und 5.000 Umdrehungen.

Ungewohnt für den Fahrer sind bislang auch die geringe Geräuschkulisse und die für einen Rennmotor einzigartige Laufruhe des V12 TDI. Im offenen Cockpit des Audi R10 ist der über 650 PS starke Motor bei höheren Geschwindigkeiten nicht zu hören, auch Vibrationen gibt es kaum. Nach außen erzeugt der moderne Zwölfzylinder einen leisen, aber sonoren Sound, den im ersten Moment wohl niemand einem Diesel-Triebwerk zuordnen würde. Höchstens beim Warmlaufen oder in der Boxengasse gibt sich der neue R10 akustisch als Diesel-Sportwagen zu erkennen.

Visuell gibt es keinerlei Anzeichen, dass im Heck des R10 ein Dieseltriebwerk arbeitet. Dass der V12 TDI bei den 24 Stunden von Le Mans mit zwei Dieselpartikelfiltern ausgerüstet ist, versteht sich von selbst. Flammen im Auspuff, die bei Ottomotoren durch unverbranntes Benzin entstehen, gibt es beim R10 nicht.

Einer der größten Vorteile des Dieselmotors ist der geringe Kraftstoffverbrauch vor allem im Teillast- und Schubbetrieb. In Le Mans wird sich der geringere spezifische Verbrauch wegen des Volllastanteils von fast 75 Prozent allerdings weniger bemerkbar machen als auf klassischen Rennstrecken mit einem höheren Teillastanteil.

Das enorme Drehmoment von über 1.100 Newtonmetern stellte nicht nur bei der Entwicklung der Kraftübertragung des R10 bisher ungeahnte Anforderungen. Sogar die hochmodernen Motorenprüfstände von Audi Sport mussten auf Getriebe umgerüstet werden, die mit diesen außergewöhnlichen Kräften klarkommen.

Im V12 TDI selbst sorgen vor allem die extrem hohen Verbrennungs-Drücke für Belastungen, wie sie bei einem Rennmotor bisher nicht zu finden waren. Trotzdem ist es das hohe Ziel der Audi Techniker, die Zuverlässigkeit des R8 zu erreichen, der bei keinem einzigen seiner bisher 77 Renneinsätze einen Motorschaden zu verzeichnen hatte.

Motorsport beschleunigt die TDI-Entwicklung

Die LM P1-Kategorie ist nicht nur die "Königsklasse" bei den 24 Stunden von Le Mans – sie ist auch die derzeit technisch interessanteste Motorsport-Kategorie. Keine andere Klasse bietet einem Automobilhersteller derart vielfältige Möglichkeiten, neue Technologien einzusetzen und diese für die Serie zu erproben, vor allem auf dem Motorensektor.

Außerdem legen die Organisatoren, der Automobile Club de l´Ouest (ACO), zunehmend Wert auf die Umweltverträglichkeit. Ziel des ACO ist es, die Entwicklung umweltfreundlicher, leiser und sparsamer Hochleistungsmotoren zu fördern, von denen später auch die Serienentwicklung profitiert. Reglement-bedingt liegen die Drehzahlen deshalb in ähnlichen Bereichen wie bei Serienfahrzeugen. Ein direkter Technologietransfer vom Motorsport zur Serie ist daher – anders als bei einem extrem hoch drehenden Formel 1-Motor – möglich.

Für Audi ist dies ein entscheidender Grund, sich weiter bei den Sport-Prototypen zu engagieren. Audi positioniert sich auf dem Markt erfolgreich als sportlichster Anbieter im Premium-Segment. Das Motorsport-Engagement ist dabei wesentlich mehr als ein Marketing-Instrument: Seit mehr als 25 Jahren sind die Motorsport-Erfolge der AUDI AG mit richtungsweisenden Entwicklungen verbunden, die sich später auch in der Serie durchsetzten.

Beste Beispiele dafür sind der quattro Antrieb, der gerade seinen 25. Geburtstag feierte, und die TFSI-Technologie, die 2001 erstmals bei den 24 Stunden von Le Mans eingesetzt wurde und beim französischen Langstreckenklassiker seitdem ungeschlagen ist. Der Audi R8, mit 61 Siegen bei bisher 77 Renneinsätzen der erfolgreichste Le Mans-Prototyp aller Zeiten, ist noch immer der einzige Rennwagen der Welt, der Turboaufladung und Benzindirekteinspritzung kombiniert.

TFSI ist bei den sportlichen Serienmodellen von Audi inzwischen genauso selbstverständlich wie der quattro Antrieb, mit dem Audi in den 80er Jahren zunächst den Rallyesport revolutionierte, ehe sich das Konzept auch auf der Rundstrecke durchsetzte.

Mit dem TDI-Projekt für Le Mans beschreitet Audi einen etwas anderen Weg. Jeder zweite Audi wird schon heute mit TDI-Motor ausgeliefert. Als Erfinder der revolutionären Dieseldirekteinspritzung im Pkw verfügt Audi über umfangreiches technisches Know-how, auf das die Ingenieure von Audi Sport bei der Entwicklung ihres ersten Renn-Dieselmotors zurückgreifen konnten.

Durch das Diesel-Engagement im Motorsport will Audi seinen Vorsprung auf dem TDI-Sektor weiter ausbauen und die Entwicklung der TDI-Technik beschleunigen. "Im Hinblick auf Verbrauch, Umweltfreundlichkeit, Brennverfahren und andere neue Technologien erwarten wir uns über die Jahre einen gewaltigen Schub", sagt Ulrich Baretzky, Leiter Motorentechnik bei Audi Sport. "Noch sind wir relativ nahe an den Erkenntnissen unserer Kollegen aus der Serie geblieben, weil wir für den Rennsport völliges Neuland betreten. Das wird jedoch nicht so bleiben. Ich denke, dass wir später Dinge, die wir spezifisch für den Rennsport entwickelt haben, an die Serie zurückgeben können."

Der Anfang ist bereits gemacht: Der V12 TDI für Le Mans ist der erste Audi Dieselmotor mit einem Aluminium-Zylinderblock – eine Technik, die auch für die Serie interessant werden könnte.

Den permanenten Technologie-Transfer zwischen Motorsport und Serie gewährleistet bei Audi die enge Anbindung von Audi Sport an die Technische Entwicklung (TE) der AUDI AG. "Beide Seiten profitieren davon", weiß Audi Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich. "Der Motorsport war bei Audi schon oft Wegbereiter für neue Technologien. Gleichzeitig profitiert Audi Sport vom enormen Know-how aus der Serienentwicklung. Das Diesel-Projekt für Le Mans ist der beste Beweis dafür."