Das verflixte zweite Jahr: Ein Jahr nach dem spektakulärsten Zusammenschluss im amerikanischen Motorsport seit der Vereinigung von IRL und ChampCar steht nun auch die USCC vor der ersten Saison, in der das Interesse am Neuen verschwunden ist und das Produkt nun von sich selbst leben muss. Die Euphorie in der United SportsCar Championship ist im Vorjahr schnell der Ernüchterung gewichen, dass fast 70 Fahrzeuge vielleicht ein bisschen zu viel des Guten waren. Ungefähr 20 Teams zogen sich aus Verärgerung über das Reglement während der Saison zurück.

Tatsächlich stehen für die 2015er-Ausgabe der 24 Stunden von Daytona 14 Autos weniger auf der Starterliste als noch im Vorjahr. Dennoch wäre es falsch, die Negativ-Brille aufzusetzen: Einerseits sind 53 Rennwagen noch immer ein mehr als eindrucksvolles Starterfeld, und zweitens ist es eher eine Gesundschrumpfung des Feldes. Das Balancing zwischen Daytona Prototypen (DPs) und Le-Mans-Prototypen (LMP2) sowie dem DeltaWing wurde für die diesjährige Saison gründlich überarbeitet. Die Zeiten beim Vortest zeigen, dass zumindest im Hinblick auf schnelle Rundenzeiten dieses Jahr weitaus mehr Fairness besteht als noch 2014.

Mit wesentlich mehr Ausgeglichenheit wird es 2015 vermutlich noch enger werden, umso wichtiger die Strategie. Und die wird auch dieses Jahr wieder lauten: 23 Stunden lang wird es darum gehen, in der Führungsrunde zu bleiben, bevor irgendwann in der letzten Stunde eine SC-Phase wegen "Verschmutzung der Fahrbahn" das Feld zusammenstauchen wird, um dem Fernsehpublikum einen Schlussspurt zu garantieren. Diese US-Version von spannendem Racing sorgt in Europa immer wieder für Verstimmung, hat jedoch in den vergangenen Jahren stets für spannende Zieleinläufe gesorgt.

Die Gejagten: Joao Barbosa, Christian Fittipaldi und Sebastien Bourdais, Foto: Sutton
Die Gejagten: Joao Barbosa, Christian Fittipaldi und Sebastien Bourdais, Foto: Sutton

Prototypen: Die Jagd auf die Corvette DPs

Vorjahressieger, amtierende Meister, NAEC-Champions: Action Express Racing hat 2014 alles abgeräumt, was die neue Meisterschaft zu bieten hatte: Christian Fittipaldi und Joao Barbosa waren auf ihrem Corvette-DP das Maß der Dinge in der vergangenen Saison, in Daytona werden sie wie schon im Vorjahr von Sebastien Bourdais unterstützt - das Trio setzte sich im Vorjahr im Schlusssprint um 1,5 Sekunden gegen das baugleiche Fahrzeug von Wayne Taylor Racing durch; am Ende sollte es auch in der Meisterschaft dasselbe Resultat geben.

Beim Roar-Test drehten Jordan Taylor, Ricky Taylor und Max Angelelli das Bild dann um und sicherten sich die schnellste Zeit des gesamten Tests. Doch es ist extrem eng an der Spitze, und es sind nicht mehr bloß die Corvette-DPs, die die Spitze unter sich ausmachen: Das auf einen LMP2-Ligier gewechselte Team Michael Shank Racing (John Pew/AJ Allmendinger/Ozz Negri/Matt McMurry) führte die LMP-Fraktion beim Test mit der drittschnellsten Gesamtzeit an. Gerade in Sachen Topspeed herrscht zwischen den so unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten mittlerweile Gleichstand, so dass die LMP2 nun in der Lage sein sollten, aus eigener Kraft überholen zu können. Das gilt auch für die brandneuen HPD ARX-04b von Extreme Speed Motorsports, doch müssen diese ihre Zuverlässigkeit noch unter Beweis stellen.

Chip Ganassi Racing hat seit 2006 fünfmal gewonnen, Foto: Sutton
Chip Ganassi Racing hat seit 2006 fünfmal gewonnen, Foto: Sutton

Nicht zu vergessen sind natürlich die beiden Riley-Ford von Chip Ganassi Racing. Im Vorjahr litten die Boliden des so erfolgreichen Daytona-Teams noch unter Kinderkrankheiten ihres EcoBoost-Motors, doch das Aggregat ist nun ausgereift. Mit der Erfahrung von fünf Siegen in den letzten zehn Jahren gehören die beiden Fahrzeuge von Scott Dixon, Tony Kanaan, Kyle Larson und Jamie McMurray sowie Scott Pruett, Joey Hand, Charlie Kimball und Sage Karam zum engsten Favoritenkreis. Ebenfalls zu beachten: Richard Westbrook, Michel Valiante und Mike Rockenfeller, die im vergangenen Jahr unter der Flagge "Spirit of Daytona Racing" einen hervorragenden vierten Platz erreichten und sich nun in "VisitFlorida.com Racing" umbenannt haben.

Doch es ist nicht mehr bloß ein Kampf Daytona Prototypen gegen LMP2: Überraschend verbessert zeigte sich beim Roar-Test der DeltaWing von Memo Rojas, Katherine Legge, Gabby Chaves und Andy Meyrick. Da der Aero-Keil einen überlegenen Topspeed hat, könnte er in der Anfangsphase für ordentlich Furore sorgen. Bislang rechnet jedoch kaum jemand, dass das von Don Panoz eingesetzte radikale Fahrzeug die Distanz überstehen wird. Panoz steht im Zugzwang: Will er irgendwann noch einmal Kunden für dieses Konzept gewinnen, müssen dieses Jahr gute Platzierungen her.

Hersteller-Fünfkampf bei den GT-Fahrzeugen

Sind die Prototypen schon eng beisammen, ist die GTLM an Spannung kaum zu überbieten: Alle Hersteller lagen beim Vortest innerhalb einer halben Sekunde was die Bestzeit betrifft. Selbst ohne die Vipern, die in der Vorsaison unter sehr fragwürdigen Umständen den Titel holten und sich zum Dank nur einen Tag später aus der Meisterschaft zurückzogen, kämpfen mit Porsche, Corvette, Aston Martin, BMW und Ferrari fünf Hersteller um den Sieg, wobei Risi Competizione und AF Corse nur Semi-Werksstatus hat. Für alle Hersteller ist dieses Rennen das wichtigste des Jahres, um ihre Straßensportwagen zu promoten. Dementsprechend hart wird es zugehen.

Im Vorjahr holte Porsche in der GTLM einen umjubelten Sieg, Foto: Sutton
Im Vorjahr holte Porsche in der GTLM einen umjubelten Sieg, Foto: Sutton

Porsche scheut keine Kosten und Mühen und setzt sogar LMP1-Piloten in den Porsche 911 RSR: Die Vorjahressieger Nick Tandy und Patrick Pilet werden nicht länger von Richard Lietz, sondern von 919-Werkspilot Marc Lieb unterstützt, um den Titel für Porsche zu verteidigen. Die Bestzeit beim Vortest setzte jedoch das Schwesterfahrzeug von Earl Bamber, Jörg Bergmeister und Fred Makowiecki. Hinzu kommt als "Dark Horse" der Falken-bereifte 911er von Wolf Henzler, Bryan Sellers und Pat Long, der insbesondere bei Regen die Etablierten mächtig ärgern könnte.

Die stärkste Konkurrenz scheint die Farbe Gelb zu tragen: Corvette Racing hatte 2014 dasselbe Problem wie Ganassi in der Prototypen-Klasse: Ein unausgereiftes Fahrzeug. Der Speed war zwar da, doch beide Boliden litten bei der Feuertaufe unter Kinderkrankheiten. Trotz des Rückschlags in Daytona hätte Corvette Racing beinahe noch die GT-Meisterschaft gewonnen, hätte die IMSA nicht Dodge über die Einstufung zum Champion gemacht. Mit ausgereiftem Material sind sowohl Jan Magnussen, Antonio Garcia und Ryan Briscoe als auch Oliver Gavin, Tommy Milner und Simon Pagenaud für Insider sogar die Topfavoriten.

Nach viel Pech in der Anfangsphase der Saison hat auch Risi Competizione auf die Siegerstraße zurückgefunden. Zwar ist es kein Werkseinsatz, doch Ferrari spendet seinen Werksfahrer Davide Rigon, der sich zu Pierre Kaffer, Giancarlo Fisichella und Olivier Beretta gesellt. Noch spektakulärer ist der zweite Ferrari-Entry: Keine Geringeren als die GTE-Könige der WEC, Gimmi Bruni und Toni Vilander, werden gemeinsam mit Francois Perrodo und Emmanuel Collard erstmals AF Corse in Daytona vertreten. Ob das Team um den Sieg mitreden kann, hängt in erster Linie davon ab, ob die beiden Ferrari-Neuzugänge Perrodo und Collard, die bislang einen Porsche in der WEC fuhren, ohne Rundenverlust durchgeschleppt werden können.

BMW hingegen hat fast Außenseiterstatus: Der überbreite Z4 GTE leidet nach wie vor unter einem Topspeednachteil und ist nicht für die Hochgeschwindigkeitsstrecke geeignet. Sowohl John Edwards, Lucas Luhr, Jens Klingmann und Graham Rahal als auch Bill Auberlen, Dirk Werner, Augusto Farfus und Bruno Spengler werden in erster Linie versuchen, das Kunststück aus dem Vorjahr zu wiederholen, als man sich schadlos hielt und Platz zwei abstaubte. Den Sieg verpasste das BMW Team RLL nur wegen des zu geringen Topspeeds im Schlusspurt.

Corvette präsentierte sich schon im Vorjahr stark, jetzt ist die C7.R ausgereift, Foto: Sutton
Corvette präsentierte sich schon im Vorjahr stark, jetzt ist die C7.R ausgereift, Foto: Sutton

Nach dem Desaster im Vorjahr, das zum sofortigen Rückzug des Teams aus der USCC führte, versucht Aston Martin Racing einen zweiten Anlauf mit dem V8 Vantage. Beim Vortest war das Fahrzeug äußerst konkurrenzfähig. Pedro Lamy, Stefan Mücke und Darren Turner sind über alle Zweifel erhaben; die Frage bleibt, ob Amateurpilot Paul Dalla Lana und Neuzugang Mathias Lauda, der nur einen einzigen Test hatte, ohne Verluste durchgebracht werden können.

Generell wird in der GTLM-Klasse gelten, das für europäische Verhältnisse etwas befremdliche Boxenstopp-System mit getrennten Stopps für Prototypen und GT-Fahrzeuge bei den Gelbphasen so zu nutzen, dass man nicht versehentlich aus der Führungsrunde herausfällt. Auch dieses Rennen wird garantiert erst im finalen Schlussspurt nach der obligatorischen Gelbphase entschieden werden.

Amateurkategorien als Salz in der Suppe

Auch dieses Jahr wird es wieder die eigentlich veralteten Oreca FLM09-Boliden in der LMPC geben, in der acht Mannschaften genannt sind. Vorjahressieger waren hier Core Autosport mit Colin Braun, Jon Bennett, Mark Wilkins und James Gue, die dieses Jahr in unveränderter Besetzung an den Start gehen. Fast jedes Team ist hier siegfähig. In der GTD wird der Vorjahressieger nicht mehr am Start stehen: Level 5 Motorsports ist wegen der Ermittlungen gegen Scott Tucker nicht mehr vertreten. Mit 19 Autos ist diese eigentlich in Richtung Abstellgleis geschobene Kategorie die größte beim Januar-Klassiker und weißt einige GT-Stars auf.