Abbruch mit Ansage: Dass der erste und vorerst letzte Bern ePrix in der Geschichte der Formel E nicht ohne gröbere Zwischenfälle über die Bühne gehen würde, wurde schon am Freitag vor dem Rennen vorhergesagt.

Und so sollte es auch kommen: Wenige hundert Meter nach dem Start kam es in der ultra-engen Schikane zu einer Massen-Karambolage. Das halbe Feld außer Gefecht gesetzt, rote Flaggen, knapp 40 Minuten Rennunterbrechung.

Ausgelöst wurde der Unfall durch den Viertplatzierten Pascal Wehrlein, der von hinten und gefühlt allen Seiten getroffen und in die Mauer gedrückt wurde. "In so einer Schikane ist einfach Chaos", sagte der Mahindra-Pilot anschließend zu Motorsport-Magazin.com.

Glück für Wehrlein: Das Rennen wurde nach der ewigen Unterbrechung in der ursprünglichen Startreihenfolge wieder aufgenommen. Pech für Wehrlein: Wegen eines technischen Defekts fiel er später auf Platz vier liegend aus.

Doch die Situation in der Schikane beschäftigte nicht nur den früheren Formel-1- und -DTM-Piloten. "Es macht keinen Sinn, am Start zu versuchen, in so einer Kurve zu überholen", erklärte Wehrlein. "Deshalb verstehe ich nicht, warum die Autos dahinter versucht haben, halb nebendran zu fahren. Es passt nur ein Auto durch die Schikane, anders geht es nicht."

Auch Wehrleins Landsmann, Maximilian Günther, war in die unübersichtliche Situation involviert. Nach einem starken Qualifying und Startplatz fünf, wich der Dragon-Rookie vor der Schikane auf den Kerb aus, erwischte Wehrlein aber am Heck. Der wurde seinerseits von Hintermann Sam Bird in Richtung Mauer geschoben. Kurzum: Es war ein heilloses Chaos.

Formel E in Bern: Zusammenfassung des Rennens: (03:19 Min.)

"Vor der Kurve habe ich mit Pascal um die Kurve gekämpft", schilderte Günther bei Motorsport-Magazin.com. "Ich habe ihn aber vorbeigelassen, weil ich nicht weit genug drin war. Dann wurde ich von hinten getroffen und in ihn reingeschoben. Wenn die Situation noch mal so aufkommen würde, würde ich wieder alles gleich machen. Ich hatte einfach keine Chance."

Neben Wehrlein und Günther waren auch Sam Bird, Daniel Abt, Andre Lotterer, Robin Frijns, Jerome D'Ambrosio und Oliver Rowland in die Karambolage verstrickt, die zum Abbruch führte. Damit musste im elften Saisonrennen zum fünften Mal ein ePrix mit roten Flaggen abgebrochen werden. Zuvor wurden in Mexiko, Hongkong, Sanya und Rom (47 Minuten Unterbrechung) rote Flaggen geschwenkt.

Im Zentrum von Bern dauerte die Unterbrechung 39 Minuten, bevor das Rennen hinter dem Safety Car neu gestartet werden konnte. "Ich finde es schade für die Fans und die TV-Übertragung, so eine lange Unterbrechung zu machen", sagte Wehrlein. "Gerade diese Schikanen gibt es ja oft im Formel-E-Kalender, wo man runterbremst auf 20 km/h. Erstens sieht es langweilig aus, zweitens passt nur ein Auto durch. Und dann jedes Mal eine halbe Stunde Unterbrechung..."

Dass die einbremsende Schikane auf dem 2,750 Kilometer langen Kurs zu Problemen führen könnte, war schon im Vorfeld diskutiert worden. Andererseits ließen die Bedingungen, besonders wegen der Bergauf- und Bergab-Passagen nicht allzu viele sinnvolle Möglichkeiten zu. Einige Fahrer hinterfragten die getroffene Wahl, bestätigten die eingeschränkten Optionen allerdings.

"Natürlich ist das gewagt", sagte Günther, der wie Wehrlein seine erste Saison in der Formel E bestreitet. "In der Formel E kommst du mit kalten Karbon-Bremsen an und durch die Kurve passt nur ein Auto. Jeder wusste, dass es da ein erhöhtes Risiko gibt. Ich will niemandem einen Vorwurf machen, aber das war schon eine Herausforderung."

Audi-Pilot Lucas di Grassi hatte das Schikanen-Thema am Freitag vor dem Rennen im Fahrer-Briefing mit Rennleiter Scot Elkins angesprochen. Der Meisterschaftszweite hätte eine andere Wahl getroffen, räumte aber ein, dass die Organisatoren vor keiner einfachen Aufgabe standen. "Es gibt keine optimale Lösung und ich habe auch keine bessere", sagte di Grassi zu Motorsport-Magazin.com.

Chaos in der Schikane: 40 Minuten Rennunterbrechung in Bern, Foto: LAT Images
Chaos in der Schikane: 40 Minuten Rennunterbrechung in Bern, Foto: LAT Images

Vielmehr ärgerte sich der ehemalige Formel-E-Champion darüber, dass das Rennen nach dem Abbruch in der ursprünglichen Startreihenfolge aufgenommen wurde. So musste er auf die 19. Startplatz zurückkehren, obwohl er sich als einer von mehreren Piloten durch die Karambolage durchgeschlängelt hatte und zum Zeitpunkt des Abbruchs den achten Platz belegte.

Di Grassi nach dem Rennen, in dem er schließlich als Neunter gewertet wurde: "Das war für mich die falsche Entscheidung. Nicht, weil ich so viele Positionen gewonnen hatte. Sondern weil Fahrer, die einen Fehler gemacht haben, eine zweite Chance bekommen haben. Das macht für mich keinen Sinn."