Herr Marquardt, in dieser Woche steigen die zweiten Testfahrten mit dem neuen Generation-2-Rennauto in Calafat. Den ersten Test in Monteblanco Anfang April musste BMW wegen einer unerwarteten Fehlfunktion auslassen. Wie sehr schmerzt das?
Jens Marquardt: Sicherlich ist es nicht schön, wenn man Testtage auslassen muss. In diesem frühen Stadium ist das noch eher zu verschmerzen. Schlimmer wäre es ganz hinten heraus, wenn es wirklich ans Optimieren geht. Jetzt geht es darum, in Calafat einen guten Test zu haben, alle Systeme zu überprüfen und uns ganz langsam im Performance-Level hochzuarbeiten. Für alle gilt: Was wir in Calafat sehen, ist noch weit weg von dem, was schlussendlich Ende des Jahres im ersten Rennen an Performance an den Tag gelegt wird.

Wie ist generell Ihr Eindruck zum neuen Rennauto der Formel E?
Jens Marquardt: Super! Genau der richtige Schritt in die Zukunft, passt super zur Serie und den Herstellern. Das ist zukunftsweisend. Mein Kompliment auch an Alejandro Agag und die FIA, die alles komplett umgesetzt haben, was sie vor fünf Jahren als Vision hatten. Da war sicherlich die eine oder andere Versuchung dabei, einen anderen Weg einzuschlagen. Sie sind aber konstant auf dem richtigen Weg geblieben. Wir freuen uns jetzt schon, Ende 2018 mit unserem eigenen Antrieb im Formel-E-BMW-Boliden unterwegs zu sein.

Kein Heckflügel, dafür Halo. Ist die Optik des GEN2-Autos gewöhnungsbedürftig?
Jens Marquardt: Optisch gefällt mir das Auto sehr gut, auch das Halo passt mittlerweile rein. Sicherheit muss wie bei allen Serien im Vordergrund stehen, aber alles geht in die richtige Richtung. Du brauchst heutzutage keine riesige Aero oder einen riesengroßen Heckflügel. Stattdessen ist so ein Konzept wie beim neuen Formel-E-Auto genau das Richtige und der richtige Ansatz für die am schnellsten wachsende E-Rennserie der Welt. Ich finde das Auto in allen Aspekten ästhetisch.

Was ist es denn nun: ein Formel- oder ein GT-Auto?
Jens Marquardt: Es ist ein Formel-E-Auto!

Und wenn man es kategorisieren wollte?
Jens Marquardt: Na, ein GT-Auto ist es sicherlich nicht. Ein Gran Turismo ist aus der Serie abgeleitet und damit etwas ganz Anderes. Das hier ist ein Formel-E-Auto und mit dem Monocoque und der integrierten Sicherheit genau das richtige Konzept. Mit dem neuen Energiespeicher und der deutlich vergrößerten Reichweite ist es ein Schritt, der sich auch in der Serie wiederfindet.

BMW dreht erste Runden mit neuem Formel-E-Auto (00:40 Min.)

Die neuen Formel-E-Autos sollen bis zu 280 km/h schnell sein. Ist das nötig?
Jens Marquardt: Eine der DNAs der Formel E ist, dass die Rennen in der Stadt ausgetragen werden. Wir tun gut daran, dieses Konzept beizubehalten. In den Städten brauchen wir keine 280 km/h oder einen Mega-Topspeed. Wir brauchen enges Racing für knapp eine Stunde, Wheel to Wheel-Action! Das ist der richtige Ansatz und dazu sind die Autos mehr als leistungsfähig genug.

Die Testfahrten mit den Generation-2-Autos werden gemeinsam durchgeführt. Der richtige Ansatz?
Jens Marquardt: Der Ansatz, aus Effizienz- und Kostensicht vieles gemeinsam zu machen, ist immer genau der richtige. Das gilt für alle Rennserien. Dieses Tarnen und Täuschen ist, das muss man ganz ehrlich sagen, ein Relikt aus der Vergangenheit. Es geht ja darum, dass jeder Erfahrungen mit dem Auto sammelt.

In der kommenden Saison soll die Formel E in Monaco erstmals das Formel-1-Layout befahren statt der bisherigen Kurzvariante. Der richtige Schritt?
Jens Marquardt: Das zeigt natürlich, dass die Autos in ihrer Reichweite und Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt sind, sondern dass dieses neue Konzept ein richtiger Sprung nach vorne ist. Ich sehe es als richtigen Schritt, auf dieser längeren Variante zu fahren, um die Message rüberzubringen: Man braucht sich bei den E-Autos heute keine großen Gedanken mehr über die Reichweite zu machen. Der Autowechsel zur Rennmitte fällt ja ohnehin weg.

Besteht da nicht ein Risiko, dass die Rundenzeiten der Formel E direkt mit denen der Formel 1 verglichen werden?
Jens Marquardt: Nur für denjenigen, der ausschließlich auf die Rundenzeiten schaut und nicht auf das, was drum herum passiert. Wenn sich die Formel-E-Autos auf der Strecke einen tollen Kampf liefern, dann sollte das Racing im Vordergrund stehen - und nicht die Rundenzeiten. Dann müsste man auch den Energieeintrag, die Nachhaltigkeit und was weiß ich alles miteinander vergleichen. Und da bräuchte die Formel E den Vergleich zur Formel 1 auf keinen Fall zu scheuen. Natürlich wird jemand den Rundenzeit-Vergleich anstellen, aber der steht in keinster Weise im Vordergrund.

Es gibt Diskussionen, den deutschen ePrix in Zukunft von Berlin nach München zu verlegen. Das dürfte BMW gefallen.
Jens Marquardt: Wenn sich die Chance ergeben sollte, ein Rennen in München zu fahren, wäre das natürlich 'ne tolle Nummer. Das wäre ein Heimrennen für uns. München ist auch ein Vorreiter in Deutschland, was Nachhaltigkeit und E-Mobilität angeht. Ich finde aber auch Berlin toll für ein Rennen. Man kann darüber diskutieren, wie sehr das Rennen in der Stadt stattfindet.

BMW auf dem Weg in die Formel E: Jens Marquardt im Interview (04:50 Min.)

Der stillgelegte Flughafen Tempelhof liegt tatsächlich nicht direkt in der City...
Jens Marquardt: Aber ähnliche Diskussionen gibt es auch über das Rennen in New York und da möchte ich mich gar nicht involvieren. Es ist einfach ganz wichtig, in den Metropolen zu fahren. Schade aber, dass wir nicht mehr in Montreal fahren, das Rennen hat mir persönlich sehr gut gefallen. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir die richtigen Konzepte haben, um in solch tollen Städten zu fahren.

In diesem Jahr wurde neben Montreal auch das Rennen in Brasilien abgesagt. Braucht der Rennkalender der Formel E mehr Stabilität?
Jens Marquardt: Natürlich ist es immer schön, wenn du stabil auf etwas aufbauen kannst und sich das nicht mehr ändert. Aber: Die Formel E befindet sich in einem starken Wachstum und ich glaube, dass sich dies mit der Zeit stabilisieren wird. Aus Sicht des Herstellers ist es natürlich schön, einen stabilen Kalender zu haben. Auf der anderen Seite muss man sagen: Wenn sich tolle Optionen bieten, darf man auch nicht zu starr sein und sie rauslassen. Der Austausch der Formel E mit den Herstellern und Partnern läuft bislang extrem gut und ich würde mir wünschen, dass das genauso weitergeht.