Normalerweise sollte man meinen, dass Frank Williams die Saison 2006 schnellstmöglich aus seinem Kalender und Gedächtnis gestrichen hat. Schlechter als im letzten Jahr geht es kaum und war sein Team nur einmal - in der Debütsaison 1978. Die "Krönung" eines vollkommen enttäuschenden und frustrierenden Jahres war die Kollision der beiden Williams-Piloten Nico Rosberg und Mark Webber beim Saisonfinale in Brasilien.

Dabei sollte es im letzten Jahr "back to the roots" gehen. Mit der traditionellen Lackierung, mehr britischem Flair und Motorenlegende Cosworth sollte Williams erfolgreich aus der Scheidung mit BMW hervorgehen. Stattdessen gab es nur zerschmettertes Porzellan. Die Zuverlässigkeit des FW28 war katastrophal, zwischen dem Nürburgring und Shanghai holte das Team zehn Rennen lang keinen einzigen Punkt.

Der FW29 war auf Anhieb schnell und standfest., Foto: Sutton
Der FW29 war auf Anhieb schnell und standfest., Foto: Sutton

Die Probleme lagen aber nicht im Zuständigkeitsbereich von Cosworth, die mit ihrem kleinen Budget wahre Wunderdinge vollbrachten und den stärksten Motor bauten. Es war Williams, der einstmals erfolgreichste Rennstall der 90er Jahre, der mit einer fürchterlichen Standfestigkeit und unzähligen mechanischen Probleme selbst für die Punkteflaute sorgte. Ausgerechnet das frühere Glanzstück von Williams GP-Engineering versagte - die Konstruktion zuverlässiger und schneller Rennwagen. WM-Rang 8 war das bittere Endergebnis. Aber Frank Williams strich das Jahr nicht gänzlich aus dem Gedächtnis, er nutzte es als Motivation für 2007.

Das Team Williams zog aus dem Debakel des Vorjahres Konsequenzen. Eine neue Struktur, ein Umbau innerhalb des Teams und frisches Blut mussten her. Fast schon im Stile von Red Bull ging man auf eine exklusive und teure Einkaufstour. Mit Rod Nelson, Jon Tomlinson, Ed Wood, Amit Chakraborty und John Russell kamen so viele Topleute wie noch nie ins Team. Auch Teammitbesitzer Patrick Head ist wieder mehr ins Tagesgeschehen eingebunden. All das soll Technikdirektor Sam Michael mehr Freiräume und Zeit für das Wesentliche verschaffen. In den letzten Jahren verzettelte er sich in zu viele Arbeiten gleichzeitig, er war überlastet und bekam nicht alles geregelt. Nun übernimmt Fernando Alonsos alter Renault-Renningenieur Rod Nelson Michaels Streckenaufgaben als Chefstratege. Tomlinson wird Aerodynamikchef und Wood neuer Chefdesigner. Somit kann sich Michael voll und ganz auf das Organisieren und Planen konzentrieren. Er soll seine Stärken ausnutzen und ein konkurrenzfähiges, standfestes Auto auf die Räder stellen. Sollte er das nicht hinbekommen, könnte es seine letzte Saison als Technikchef sein, das deutete sogar schon Patrick Head an. Der Druck auf Michael und den FW29 wächst. 2007 ist Michaels Jahr der Entscheidung.

Auf dem Weg zurück an die Spitze?, Foto: Sutton
Auf dem Weg zurück an die Spitze?, Foto: Sutton

Das Auto Die bisherigen Testeindrücke sollten Sam jedoch ruhig schlafen lassen. Mit dem Toyota-V8 hat man zwar nicht den Branchenprimus im Heck, dafür aber ein gutes und vor allem kostenloses Triebwerk. Noch wichtiger: Das neue Getriebe ohne Zugkraftunterbrechung wird in den höchsten Tönen gelobt. Kein Wunder, dass sich Toyota die Konstruktionspläne dafür im Rahmen der engen Kooperation sicherte. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Teams, allen voran BMW Sauber, hat Williams das Schnellschaltgetriebe schon 2006 auf unzähligen Testkilometern standfest gemacht. Abgesehen von den üblichen Problemchen hier und da, läuft es anstandslos.

Die Tests Der erste Testtag des FW29 in Jerez war eine Offenbarung: das Auto war auf Anhieb schnell und zuverlässig. Williams war direkt mit zwei Autos angereist und konnte schon beim Roll-Out 62 respektive 72 Runden zurücklegen. Dabei fuhr Alex Wurz die zweitschnellste Zeit, gerade einmal 0,035 Sekunden hinter dem damaligen Pacesetter McLaren. Natürlich sind Testzeiten mit Vorsicht zu genießen, aber so ein Debüt gab es schon lange nicht, schon gar nicht bei Williams. Im Laufe der Tests stellten sich die üblichen Probleme ein, aber Williams gilt selbst bei der Konkurrenz als Geheimtipp für gute Ergebnisse. Was das wert ist, wird sich aber erst in Melbourne zeigen. Jedoch lässt sich schon jetzt mit Sicherheit sagen, dass Williams zuversichtlicher in die neue Saison gehen kann als in den zurückliegenden Jahren. Man ist zurück auf den Rechnungen der Experten und Rivalen.

Nico Rosberg könnte ein gutes Jahr bevorstehen., Foto: Sutton
Nico Rosberg könnte ein gutes Jahr bevorstehen., Foto: Sutton

Die Fahrer Mit Nico Rosberg und Alex Wurz setzt Frank Williams auf eine Paarung aus alt und jung, erfahren und unerfahren, hoch gelobtem Newcomer und gepriesenem Entwicklungspiloten. Die beiden sollten sich exzellent ergänzen, von einander lernen können und sich gegenseitig antreiben. Anders sieht es bei den Testfahrern aus. Narain Karthikeyan geht in sein zweites Jahr als Pay Test-Driver und mit Kazuki Nakajima ist ein Toyota-Zögling die Nummer 4. Allerdings wusste er bei den Tests mit dem Interimsauto, durchaus zu überzeugen.

Dennoch schweben zwei Fragezeichen über den beiden Einsatzfahrern. Wie gut hat Alex Wurz die lange Renn-Pause überstanden? Zwar hat er als Montoya-Ersatz ein Rennen für McLaren bestritten und dieses auf Platz 4 abgeschlossen (später rutschte er durch Buttons Disqualifikation sogar aufs Podium auf), aber eine ganze Saison ist immer etwas anderes als nur ein Noteinsatz. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Österreicher keine Probleme mit der Umstellung haben sollte.

Nico Rosberg muss derweil beweisen, dass die vielen Vorschusslorbeeren, die er für seinen fulminanten F1-Einstieg im letzten Jahr erntete, gerechtfertigt waren. Er muss Wurz schlagen und damit seine Karriere weiter in Schwung bringen. Sonst könnte er schnell vom zukünftigen Weltmeisterkandidaten in die Versenkung absteigen. Da seine abfallende Formkurve im letzten Jahr auf die Probleme des Teams und seine Unerfahrenheit zurückzuführen waren, ist aber davon auszugehen, dass Rosberg mit einem konkurrenzfähigen Williams wieder zu everybodys darling wird.

Fährt Williams altem Glanz entgegen?, Foto: Sutton
Fährt Williams altem Glanz entgegen?, Foto: Sutton

Das Fazit Williams hat die Voraussetzungen, um sich aus dem Sumpf namens Saison 2006 herauszuziehen. Ein verstärktes Team, das sich aber erst noch finden muss, ein Toyota-Werksmotor, eine viel versprechende Fahrerpaarung, mehr Sponsorengelder und gute Wintertests versprechen viel. Wie viel, wird sich in den 17 Saisonrennen herausstellen. Ein Duell wird dabei ganz besonders spannend: Wie wird sich der Toyota-Kunde Williams gegen das Werksteam schlagen? Toyota hatte mal wieder eine schwierige Saisonvorbereitung und liegt derzeit klar hinter Williams. Die Briten sehen sich keineswegs als B-Team und dürfen somit Vollgas geben. In Köln-Marsdorf und vor allem Tokio könnte das zu solchen Kopfschmerzen führen, wie sie Frank Williams aus dem Vorjahr kennt. Er scheint mit dem FW29 aber eine gute Tablette gefunden zu haben.

Williams Toyota

Pluspunkte Minuspunkte

+ Toyota-Motor
+ neue Sponsoren
+ personelle Verstärkungen
+ Getriebe

- Auto spät fertig, aber gut
- kleineres Budget als Top-Teams
- Testfahrer
- Team muss sich noch einspielen

Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose

Der Gewinner der Wintertests: Obwohl das Auto erst Anfang Februar vorgestellt und getestet wurde, erlebte man eine gute Vorbereitung; schnell und standfest. Das brachte viel Lob. Jetzt muss man es mit Ergebnissen rechtfertigen. Note: 2

Wenn die Wintertests als Maßstab gelten dürfen, dann steht Williams ein gutes Jahr ins Haus - schlechter als 2006 ging es aber eh kaum. Die Frage ist, ob man im Laufe des Jahres das Entwicklungstempo mitgehen und sich konstant vorne festsetzen kann. Die Voraussetzungen für eine Saison mit Punkten, Podestplätzen und vielleicht mehr sind vorhanden.