Wenn die Wege des Herrn unergründlich sind, dann sind jene in der Formel teilweise vollkommen bizarr. Oder wie hört sich folgender Karriereweg an? Motorenentwickler in der F1-Abteilung bei Cosworth und nachdem dem Unternehmen die Kunden in der Königsklasse wegbrechen steht ein Wechsel im Raum. Es geht zu Toro Rosso, wo der Posten des technischen Direktors wartet, bei dem man aber mit den Motoren, die von Ferrari geliefert werden, nichts mehr zu tun hat.

So hat sich das letzte halbe Jahr von Alex Hitziger abgespielt. Mittlerweile hat er sich in seiner neuen Heimat eingefunden und vermittelte in Barcelona gegenüber motorsport-magazin.com seine bisherigen Eindrücke: "Es ist ein kleines Team. Es gibt dort einige sehr gute Leute, Leute die sehr leidenschaftlich ihrer Arbeit nachgehen, die sehr emotional sind und einen starken Antrieb haben. Die Basis des Teams ist gut. Jetzt muss man das nur ein bisschen organisieren und etwas besser ausgeklügelte Arbeitsabläufe einführen, um die Leidenschaft am Leben zu erhalten. Auch von der Größe her müssen wir noch wachsen. Das wird Zeit in Anspruch nehmen, aber die Basis ist gut."

Beim neuen Arbeitgeber gilt es vor allem, das Chassis kennen zu lernen , Foto: Sutton
Beim neuen Arbeitgeber gilt es vor allem, das Chassis kennen zu lernen , Foto: Sutton

Die Frage, die sich dem Beobachter klarerweise stellt, warum wurde gerade Hitzinger in diese Position geholt? Teamchef Franz Tost gab uns darauf eine klare Antwort: "Die Idee dahinter war die Zukunft. Es geht um die Energie-Rückgewinnung. Der Alex ist ein sehr versierter Techniker, der vom Motorensektor kommt und jetzt durch seine Rolle als technischer Direktor bei Toro Rosso auch die ganze Chassis-Seite kennen lernt. Er wird jetzt mit dieser neuen Materie intensiv konfrontiert und kann dann später Rückschlüsse daraus ziehen, was man davon für das Thema Energie-Rückgewinnung überleiten und wie man das optimal in ein Formel 1-Auto integrieren kann."

Und auch den Zeitpunkt der Verpflichtung hält Tost nicht für verfrüht, denn laut Planung soll die Energie-Rückgewinnung 2009 Teil der Formel 1 werden und deswegen wäre es Zeit, mit den Planungen zu beginnen. "Man hat dann ja nur noch 2007 und Mitte 2008 muss das im Auto zum Testen drin sein. Von der Zeitschiene her muss dieses Thema jetzt mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden", erklärte Tost.

Für Hitzinger selbst war die Energie-Rückgewinnung zumindest in Barcelona noch kein so großes Thema. Er berichtete eher darüber, was sich ihm bislang für Herausforderungen bei Toro Rosso gestellt haben. "Ich bin seit drei Monaten hier. Die erste Herausforderung für mich war, die Leute und das Team kennen zu lernen und die Stärken und Schwächen der einzelnen Leute herauszufinden. Ich habe dann die Rollen ein bisschen durchgewechselt, um sie effektiver zu machen. Das war eine große Aufgabe", beschrieb er das, was auf organisatorischer Seite zu tun war. Aber auch auf der technischen Seite gab es Arbeit, die sich für ihn vor allem dadurch auszeichnete, dass er sich mit dem Chassis vertraut machte und darauf achtete, welche Bereiche er im Auge haben muss.

"Wenn man den Motor und das Chassis vergleicht, dann sind die beiden Dinge klar unterschiedlich, aber aus der mechanischen Sicht ist es immer noch Ingenieursarbeit, also ist es keine völlig andere Welt. Aerodynamik ist beim Chassis sehr wichtig, Gas- und Flüssigkeitsdynamik ist beim Motor ähnlich wichtig ", meinte er zu seinen neuen Aufgaben, die sich anscheinend nur oberflächlich voneinander unterscheiden. Auch anhand der eingesetzten Instrumente, zog er parallelen zwischen Arbeit am Chassis und am Motor. "Beim Chassis verwendet man den Windkanal und beim Motor den Dyno oder die Flow Bench. Es ist also kein Unterschied wie Tag und Nacht und aus reiner Ingenieurssicht ist viel ähnlich", erklärte Hitzinger.

Es wartet noch einiges an Arbeit, Foto: Sutton
Es wartet noch einiges an Arbeit, Foto: Sutton

Sein Hauptaugenmerk liegt aber eigentlich ganz woanders, denn als Technischer Direktor muss man sich um viele Aspekte eines Rennstalls kümmern. "In meiner Position ist auch das Projektmanagement, also Organisations- und Leutemanagement sehr wichtig. Es ist wichtig, ein Team zusammenarbeiten zu lassen. Ich komme aus einem Hintergrund, wo ich mit einem recht kleinen Team gearbeitet habe, das sehr effizient war. Das versuche ich auch zu Toro Rosso zu bringen. Ich will die Leute, die wir haben, gut einsetzen, darauf schauen, dass wir neues Wissen ins Team holen und alles effizienter machen, indem wir bessere Arbeitsabläufe einführen", sagte der Deutsche. Er sieht jedenfalls gutes Potential im Team und hält die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln und zu verbessern für sehr lohnend. "Irgendwann ist man dann oben und dann ist es die Herausforderung, dort zu bleiben."

Im normalen Tagesgeschäft sieht die Herausforderung folgendermaßen aus: wenn es ein technisches Problem gibt, dann checkt der Leiter des jeweiligen Bereiches mit Hitzinger gegen, ob die gefundene Lösung passend ist. Sollte der Bereichsleiter selbst noch neu dabei und noch nicht so eingearbeitet sein, dann involviert sich Hitzinger mehr in den Detailprozess. Bei der Organisation geht es vor allem darum, dass alle Abläufe ordnungsgemäß von Statten gehen können, "dass die Dinge planmäßig ablaufen, dass Wegpunkte erreicht und Vorgaben eingehalten werden. Dann geht es darum, die Leute zu unterstützen und eine Umgebung zu schaffen, in der die Leute effektiv arbeiten können."

Diese vielfältigen Aufgaben verlangen es, ein Allroundtalent zu sein und für Hitzinger ist auch genau das sehr interessant. "Und je kleiner das Team ist, desto mehr ist man in verschiedene Bereiche eingebunden. Ich mag das und je höher man in der Hierarchie aufsteigt, desto größer wird der Management-Anteil und desto weniger Zeit hat man für die technische Seite. Ich bleibe aber gerne über die technischen Dinge informiert und ich möchte diese Verbindung nicht verlieren", erklärte er.

Dabei sieht er es auch als Vorteil, dass er in einem recht kleinen Team arbeitet, denn bei großen Teams verlieren Technische Direktoren schnell die Möglichkeit, involviert zu bleiben. "Früher war es einfacher, ein Allrounder zu werden, weil die Teams kleiner waren. Heute, mit Teams von 400 oder 500 Leuten und riesigen Ingenieursabteilungen, hat es der Typ an der Spitze sehr schwer, sich dort einzubringen", sagte Hitzinger.

Dennoch hat so ein kleines Team auch seine Nachteile, denn das Budget ist begrenzt und die Mitarbeiterzahl schränkt auch die möglichen Arbeitsstunden ein. Ganz so will das Hitzinger aber auch nicht gelten lassen, denn aus seiner Zeit als er noch Motoren-Entwickler war, weiß er, dass auch kleine Teams viel leisten können. "Wenn man sieht, was wir bei Cosworth mit einem kleinen Team und wenig Budget erreicht hat, dann war das sehr gut. Hier kann man mit einem kleinen Team und wenig Budget einiges erreichen, so lange die Leute im Team gut sind und das Team effizient und gut organisiert ist", meinte er. Wichtig ist seiner Meinung nach dabei vor allem, dass man sich auf jene Bereiche konzentriert, die einen großen Schub bringen. "Man kann nämlich viel tun und auch viel Geld, Zeit und Ressourcen verheizen, indem man jedem noch so kleinen Ding nachjagt, wo der Gewinn nur sehr klein ist. Wenn man zu viel tut und das nicht gut gemanagt wird, dann kann das kontraproduktiv sein. Es kann aber produktiver sein, weniger zu tun, weil sich das besser managen lässt", erklärte der zum Organisationsmanager mutierte Motoren-Entwickler.