Nick, das Jahr 2006 neigt sich dem Ende, wie fällt Deine Bilanz aus?
Nick Heidfeld: Das allgemeine Fazit ist sehr positiv. Wir wollten uns vom 8. Platz steigern, den Sauber letztes Jahr innehatte. Das ist uns mit dem 5. Platz gelungen, wobei man das gar nicht erwarten konnte. Zu Beginn gaben wir keine Zielvorgabe aus, da wir uns nicht zu sehr unter Druck setzen wollten. Deswegen habe ich von Anfang an gesagt, dass ich auf Platz 6 hoffte - selbst das war schon ein recht hohes Ziel. Am Ende war es sehr eng, aber wir haben zwei Podestplätze herausgefahren, was dieses Jahr noch gar nicht geplant war. Ein großes Highlight war das Qualifying in Monza, wo ich eigentlich auf der Pole Position gestanden hätte, wenn man den Sprit rausgerechnet hätte. Mitten in der Saison hatten wir ein kleines Tief, aber das war auch wichtig, weil wir daran erkennen konnten, dass wir aus eigener Kraft aus so einem Tief herauskommen können.

Trotz einiger Tiefpunkte fällt Nicks Saisonbilanz positiv aus., Foto: adrivo Sportpresse
Trotz einiger Tiefpunkte fällt Nicks Saisonbilanz positiv aus., Foto: adrivo Sportpresse

Eine erste Negativserie gab es nach den Überseerennen zu Beginn...
Nick Heidfeld: Ja, Imola und der Nürburgring waren zwei schwierige Rennen, bei denen gar nichts lief. Allerdings lief es nicht für das Team schlecht, sondern nur für mich - Jacques war dort deutlich schneller. Dann überlegt man natürlich, was los ist und versucht alles zu analysieren. Das war eine schwierige Zeit, die wir aber überstanden haben.

Einen gewissen Befreiungsschlag habt Ihr in Silverstone geschafft.
Nick Heidfeld: Silverstone war sehr wichtig, weil wir dort aus einem weiteren kleinen Tal herausgekommen sind. Besonders interessant war dies, weil dort die Aerodynamik sehr wichtig ist. Wir sind mit beiden Autos aus eigener Kraft in die Punkte gefahren, was zu diesem Zeitpunkt einfach super für uns war.

Weniger toll dürfte für Dich der US-GP in Erinnerung geblieben sein.
Nick Heidfeld: Der Crash sah heftig aus, aber es war gar nicht so schlimm. Ich hatte gehofft, dass es einen Re-Start geben würde, so dass ich im Ersatzauto noch einmal starten könnte. Es war mein erster Überschlag in einem Rennauto, vorher habe ich mich nur einmal in einem Gokart überschlagen. Es sah spektakulär aus, aber es ist wie bei einem Salto im Schwimmbad: so lange man nicht irgendwo einschlägt, passiert nichts Großartiges. Ich habe reflexartig die Hände vom Lenkrad genommen, aber dummerweise die Hände über den Kopf gehalten, was natürlich sehr gefährlich war. Ich hoffe zwar nicht, dass ich mich noch einmal überschlage, aber wenn doch, dann werde ich das nicht noch einmal machen.

Die Rückkehr nach Europa verlief dann nicht ganz nach Plan...
Nick Heidfeld: Das war die schwierigste Zeit der Saison. In Hockenheim kam auch noch etwas Pech dazu. Jacques ist mir in der ersten Runde ins Auto gefahren, das war nicht so toll, dann hat er sein Auto in den Reifenstapel versenkt. Es war nicht katastrophal, aber uns hat der Anschluss gefehlt.

Du hast vorhin das Rennen in Monza angesprochen. Dort lief es für das Team besonders gut.
Nick Heidfeld: Wir wussten schon vorher, dass wir in Monza sehr gut sein würden. Wir hatten ein spezielles Aero-Paket, weil Monza die einzige High-Speed-Strecke ist. Damit waren wir sehr, sehr stark. Theoretisch stand ich sogar auf der Pole und Robert fuhr auf das Podium. Leider habe ich dort den größten Fehler der Saison begangen. Ich habe es verpasst den Pit-Lane-Speed-Limiter zu aktivieren und dadurch eine Strafe kassiert.

Apropos Robert: Sein 3. Platz wurde zwar von Michaels Rücktrittsankündigung überschattet, aber war dadurch nicht minder beindruckend.
Nick Heidfeld: Im 3. Rennen Platz 3 herauszufahren, war toll. Er hat keinen Fehler gemacht und dem Druck von Felipe Massa standgehalten. Er ist schnell und es wird nächstes Jahr mit Sicherheit hart gegen ihn zu fahren. Ich freue mich darauf. Vor allem, weil dann die Vorschusslorbeeren für den Neuling nichts mehr zählen und wir gleichwertig in die neue Saison gehen können.

Nick wäre am liebsten gleich weiter gefahren - im Ersatzauto versteht sich..., Foto: Sutton
Nick wäre am liebsten gleich weiter gefahren - im Ersatzauto versteht sich..., Foto: Sutton

Eins wirst Du dann nicht mehr erleben wollen: Szenen wie in den Schlusssekunden des China GP. Du hast diesen Moment als die größte Enttäuschung Deiner Karriere bezeichnet...
Nick Heidfeld: So etwas habe ich noch nie vorher erlebt - weder im Kartsport noch in anderen Formel-Serien. Ich lag auf Platz 4 und die beiden Honda hinter mir, kamen etwas näher. Also habe ich etwas mehr gepusht und meinen Vorsprung auf 7 Sekunden vergrößert, was mich etwas verwundert hat, weil Honda zu diesem Zeitpunkt etwas stärker war als wir. Dann kamen zwei Überrundete ins Spiel, zunächst Christijan Albers, der eine schwachsinnige Aktion veranstaltet hat. Er meinte zwar hinterher, dass er vom Gas gegangen sei, aber die Daten haben bewiesen, dass das nicht der Fall gewesen ist. Dadurch habe ich viel Zeit verloren. Bei Takuma Sato passierte das gleiche. Dann fuhr mir in der letzten Kurve Rubens Barrichello ins Auto, weswegen ich froh war, überhaupt noch ins Ziel gekommen zu sein. Rubens konnte ich noch am ehesten verzeihen. Wir waren im Zweikampf, er wollte vorbei und da kann so etwas schon einmal passieren. Aber die anderen beiden hatten da nichts zu suchen.

Danach kam es zu Szenen, die man von Dir sonst gar nicht kennt...
Nick Heidfeld: Ich hatte so einen Hals. Zunächst wollte ich zu Sato gehen, aber dann sagte mir jemand aus dem Team, dass es Yamamoto gewesen sei, deshalb bin ich dem Falschen an den Kragen gesprungen. Aber letztlich war es nicht schlecht, dass ich mein Auto am Ende der Boxengasse parken musste und so ein paar hundert Meter laufen musste, bevor mir einer von beiden über den Weg gelaufen ist...

Wenn Shanghai der Tiefpunkt der Saison war, kann man Ungarn als den Höhepunkt bezeichnen. Erst gab es ein Duell gegen Michael Schumacher, dann den ersten Podestplatz für das neue Team.
Nick Heidfeld: Das Überholmanöver gegen Michael hat sehr viel Spaß gemacht. Leider hat es auf der Strecke gegen ihn nur selten geklappt. Wenn man an ihm vorbei wollte, krachte es meistens. Aber in Ungarn bin ich an ihm vorbeigekommen und konnte mir so den dritten Platz sichern.

Nachdem Michael zum Saisonende seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, müssen wir natürlich auch kurz über ihn sprechen...
Nick Heidfeld: Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu ihm, allerdings mehr neben der Strecke als auf der Strecke. Dort sind wir uns öfter einmal in die Quere gekommen. F1-Fahrer verbringen nie viel Zeit miteinander, aber jetzt wo er mehr Zeit hat, werden wir uns vielleicht das ein oder andere Mal in der Schweiz sehen. Dass er das Rennfahren noch immer perfekt beherrscht, hat er bei seinem letzten Rennen in Brasilien noch einmal beweisen. Gerade bei seinem letzten Überholmanöver gegen Kimi sah man, wie viel Kampfeswille noch ihn ihm steckt. Da wollte er seinem Nachfolger noch einmal zeigen, wo der Hammer hängt.

Das Duell war hart, aber Nick behielt die Oberhand., Foto: Sutton
Das Duell war hart, aber Nick behielt die Oberhand., Foto: Sutton

Michael galt immer als Regenkönig, aber auch Du magst das nasse Element.
Nick Heidfeld: Von mir aus könnte es bei jedem Rennen regnen. Mein erstes Podium habe ich in Brasilien im Regen herausgefahren, in China war ich dieses Jahr bis zur letzten Kurve gut dabei und in Ungarn hat es mit Platz 3 ja auch gut geklappt.

Die Meinungsforscher sagen nach Michaels Rücktritt einen Rückgang der TV-Quoten voraus. Wie siehst Du die Zukunft der Formel 1 in Deutschland?
Nick Heidfeld: Ich bin davon überzeugt, dass die Quoten zurückgehen werden, wie stark, müssen wir abwarten. Ich befürchte allerdings nicht, dass es so schlimm wie im Tennis nach dem Rücktritt von Boris Becker wird. Wir haben einige deutsche Fahrer, Teams und Sponsoren dabei, die viele Zuschauer interessieren werden. Durch Michael haben auch viele Fans eine Affinität zu Ferrari bekommen. Deshalb werden sie wissen wollen, wie es mit dem Team nach Michael weitergeht. Es gibt nächstes Jahr auch viele Wechsel wie von Kimi und Fernando, also werden sicher einige Zuschauer einfach mal reinschauen, um zu sehen, wie sie sich schlagen werden. Das Wichtigste ist jedoch: Wenn wir gute Rennen liefern, sollte es keinen großen Unterschied geben.

Was dürfen die Fans vom nächsten Jahr erwarten?
Nick Heidfeld: Ferrari wird sehr stark sein. Einige Leute glauben zwar, dass Ferrari aufgrund der Abgänge von Michael und Ross Brawn zurückfallen wird, aber ich erwarte das noch nicht im nächsten Jahr - das wird etwas länger dauern, bevor es sich auswirkt.

Du und Ralf Schumacher seid jetzt die erfahrenen Routiniers, auf denen der Erfolgsdruck lastet...
Nick Heidfeld: Der Erwartungsdruck steigt natürlich, aber das bekommt man als Fahrer kaum mit, da man viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und sich selbst ohnehin den größten Druck macht. Außerdem ist man als F1-Fahrer Druck gewohnt.

Mit Sebastian Vettel und Robert Kubica habt Ihr zwei junge Fahrer in Euren Reihen. Kommen sie auch einmal zu Dir, um sich Tipps zu holen?
Nick Heidfeld: Es ist unglaublich schwierig einem anderen Fahrer etwas zu erklären. Man muss es selbst erleben, um aus Fehlern zu lernen. Ich bin aber offen, wenn jemand Fragen hat - speziell bei Sebastian, der ja noch sehr jung ist.

Wer rüttelt 2007 am Thron?, Foto: Sutton
Wer rüttelt 2007 am Thron?, Foto: Sutton

Ein anderer junger Landsmann ist Nico Rosberg, der nach einem super Saisonstart sogar schon zum kommenden Weltmeister emporgehoben wurde.
Nick Heidfeld: Am Anfang war es völlig übertrieben, ihn nach einem super Rennen so hochzujubeln und als kommenden Weltmeister zu preisen. Aber so ist das meistens, wenn ein Newcomer in der F1 einen vernünftigen Job macht. Am Ende der Saison gab es dann ziemlich harte Kritik, das darf man dann nicht allzu ernst nehmen.

Das gleiche Spiel wiederholte sich bei Robert. Glaubst Du, dass er damit fertig wird?
Nick Heidfeld: Robert schätze ich vom Charakter so ein, dass er damit umgehen kann. Es wird ihn nicht übermäßig belasten. Die meisten Newcomer werden anfangs extrem gehypt. Nach Michaels Rücktritt wird das vielleicht noch extremer, weil jeder nach dem kommenden Superstar sucht.

Der Rücktritt von Michael hat vielen klar gemacht, dass alles irgendwann ein Ende findet. Hast Du Dir schon einmal Gedanken über Dein Karriereende gemacht?
Nick Heidfeld: Als Michael zurückgetreten ist, habe ich einmal darüber nachgedacht, aber für mich ist es noch viel zu weit weg. Deswegen kann ich auch noch nicht genau sagen, ob ich nach meinem F1-Karriereende vielleicht in einer anderen Rennserie fahren werde. Ich glaube aber nicht, dass ich Probleme haben würde, etwas anderes zu finden. Allen voran möchte ich aber viel Zeit mit meiner Familie verbringen, dann vielleicht mit noch ein paar mehr Kindern...