Lieber Juan Pablo!

Irgendwie war es ziemlich eigenartig in Magny Cours. Jedes Mal wenn ich durch das riesige Fahrerlager marschiere, das auf zwei Ebenen gebaut ist, fällt mir jenes Rennen hier im Jahr 2003 ein, das Deine Karriere so nachhaltig beeinflusst hat. OK, du warst damals einen Tick schneller als Dein Teamkollege Ralf. Aber deswegen hättest Du nicht gleich Patrick Head und Frank Williams am Funk zwei W****r schimpfen sollen. Offiziere ihres Ranges können da manchmal ziemlich dünnhäutig sein. Aber ok, Du warst ja nie in der Armee. Wer mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wird, dem bleiben manche Dinge zum Glück erspart.

Weißt Du noch, wie wir begonnen haben, regelmäßig zusammenzuarbeiten? Ich dachte echt eine Zeit lang: Der Messias ist gelandet. Binnen drei Rennen hatten Dich alle zum Erlöser vor dem bösen Fluch des damals dreifachen Weltmeisters aus Deutschland hochstilisiert. Hmmm, was ist eigentlich schief gelaufen? Du hattest doch immer ganz brauchbare Autos, oder? Und der Deutsche hat jetzt genauso viele Titel wie Du Grand Prix-Siege.

Irgendwie ist es im Paddock nun auch ziemlich ruhig geworden. Dass Du immer mit Connie, dem Kleinen, den Eltern, Deinen besten Freunden und einem ziemlich großen Management-Team angereist bist, wussten wir ja alle. Aber bei McLaren ist plötzlich alles so unglaublich leer. Hast Du Deine Schulfreunde da auch immer mit gehabt? Blöd nur, dass jetzt ausgerechnet ein Spanier dort fahren muss. Für meinen Geschmack haben wir die spanische Hymne in letzter Zeit oft genug gehört.

Vielleicht hast Du jetzt ja auch wieder mehr Zeit zum Relaxen. Tennisspielen und solche Dinge zum Beispiel. Pass halt beim nächsten Mal besser auf, damit nicht wieder so ein Unglück passiert. Speziell, wenn das Ding ein Zweitakter mit 125 ccm ist.

Juan Pablo, Du weißt, wir waren einander nicht immer grün. Ich fand es immer ziemlich unfair von Dir, dass Du bei Reporterinnen so unglaublich geduldig und charmant sein konntest, während Du mich und meine männlichen Kollegen immer wie Vollidioten behandelt hast. Aber Schwamm drüber, jeder braucht einen natürlichen Feind.

Ich finde es jedenfalls jammerschade, dass Du tatsächlich wieder echt Rennen fahren willst. Ich verstehe ja, dass es für einen Kart-Fahrer aus Bogota lustigere Dinge gibt als stundenlang, wochenlang, monatelang mit blassen englischen Ingenieuren mit Brille über kilometerlangen Computerausdrucken zu sitzen. Und am Ende suchen die Typen immer, wo ein blasser milchgesichtiger Finne doch noch zwei Zehntel mehr rausgeholt hat.

Und dann das ewige Jammern wegen fehlenden Überholens. Du hast es bei Deinen letzten beiden Rennen in der Formel 1 doch gezeigt, wie es geht: Bumm, zack, rein in die Kurve und weg mit dem Typen. Bei Rosberg in Kanada haben sie es ja noch kapiert, aber beim Finnen in Indy waren sie ziemlich humorlos in Deinem Team, finde ich.

Gut, jetzt fährst Du halt gegen übergewichtige, schnauzbärtige Fünfzigjährige, die Haarwuchsmittel verwenden und Sponsorgeld vom örtlichen Heimwerkermarkt mitbringen. Aber pass auf! Die Typen sind hart wie Stahl aus Michigan. Sie haben das gar nicht gern, wenn irgend so ein Latino daherkommt und die Bank ausraubt. Was meinst Du, was die wohl sagen, wenn sie erfahren, dass Du bei Deinem letzten Job hochoffiziell verpflichtet warst, die Linie beim Überholen nicht öfter als einmal zu wechseln? Ich glaube sie haben jede Menge Ausdrücke für so was, die man besser nur verwendet, wenn weder Ladies noch Kinder im Raum sind.

Weißt Du was, irgendwie gefällt mir die Idee doch ganz gut. Kannst Du nicht Deine neuen Freunde mal mitbringen, damit sie diesen Pus***s in der Formel 1 mal klarmachen, wie man gefälligst so eine gottverdammte Show abzuziehen hat?

Denn wenn Villeneuve jetzt auch noch aufhört, dann kennt die Formel 1 in den USA wirklich überhaupt kein Schwein mehr. Was soll denn jetzt aus Indy werden? Der schönste Moment des Jahres war immer, wenn Du dort vor die Box getreten bist. Die Haupttribüne, ganz in Deine Nationalfarben gehüllt, hat augenblicklich Schlachtgesänge angestimmt, als wäre Kolumbien Fußballweltmeister geworden.

Wir brauchen Dich hier, und Deine Fans auch. Juan Pablo, bitte komm zurück!