Wie ist das vorweihnachtliche Testprogramm mit dem V8-Conzept Car verlaufen?

Geoff Willis: Sehr gut! Es war sogar wahrscheinlich der beste Start in ein Vorsaison-Testprogramm, den wir je hatten. Zuverlässigkeit und Leistung waren sehr gut, und wir haben in den ersten beiden Testläufen viel geschafft. Ich glaube, dass es ein Zeichen für unsere kontinuierlichen Fortschritte ist, dass wir mit einer so weitreichenden Änderung der Motorregeln so problemlos umgehen können. Folglich war es ein sehr guter Start, und wir arbeiten jetzt daran, den neuen Wagen im Januar zu präsentieren.

Hat es Sie überrascht, wie zuverlässig der V8 bisher gelaufen ist? Es gab ja Befürchtungen bezüglich der stärkeren Vibrationen im Vergleich zu einem V10-Motor...

Geoff Willis: Wir haben den Wechsel zu einem V8-Motor sehr ernst genommen. Honda hatte bereits zwei oder drei Prototypen nach dem ersten V8 entwickelt, den wir im vergangenen April in Mugello getestet haben. Es geht ja nicht nur um den kleineren Hubraum, sondern auch um andere wichtige Änderungen: Wir dürfen keine variablen Ansaugkrümmer mehr verwenden, wir dürfen nur einfache Einspritzanlagen verwenden, und diverse Materialien sind nicht mehr zulässig. Außerdem haben wir viele Probleme bei der Fahrwerksmodifikation hinsichtlich Motoreinbau und den Hydraulik- und Getriebesystemen erwartet. Es ist klar, dass der V8 mehr vibriert als der V10, und wir haben entsprechend reagiert. Folglich ist es nicht wirklich überraschend, dass das Conzept-Car so zuverlässig war. Es zeigt nur, dass wir bisher gut gearbeitet haben.

Welche Auswirkungen wird die Einführung der V8-Motoren aus Sicht der Fans haben? Werden die Wagen 2006 langsamer sein als 2005?

Geoff Willis: Der Klang in der Boxengasse hat sich verändert. Die V8-Motoren sind noch lauter geworden; sie sind jetzt unangenehm laut! Die Wagen klingen auf den Geraden etwas "flacher". Im letzten Lauf sind wir mit höheren Umdrehungen gefahren, und dann klingt der V8 nicht viel anders als ein V10. Natürlich werden die Wagen auf den Geraden etwas langsamer sein und ihre Endgeschwindigkeit etwas früher erreichen. Obwohl die Wagen mit geringerem Luftwiderstand laufen müssen, um ihre Höchstgeschwindigkeit erreichen zu können, bleibt die Geschwindigkeit beim Kurvenfahren nahezu identisch. Durch das Verbot variabler Ansaugkrümmer ist die Fahrbarkeit nicht mehr so gut, was den besseren Fahrern einen Vorteil gibt.

Was haben Sie 2005 gelernt, und welche weiteren Änderungen wird der RA106 gegenüber dem Vorjahresmodell aufweisen?

Geoff Willis: An den Aerodynamikregeln wird sich 2006 nichts ändern. Folglich können wir in diesem Bereich auf unsere Erfahrungen von 2005 zurückgreifen - und wir haben nach unserem schlechten Saisonstart viel gelernt. Wir glauben, dass wir jetzt viel besser verstehen, wie die Wagen mit diesen Regeln laufen. Und der neue Wagen ist aerodynamisch viel moderner. Wir haben in diesem Bereich sehr starke Verbesserungen erzielt. Da wir ziemlich viel Leistung verloren haben, ist eine effiziente Aerodynamik noch wichtiger geworden. Wir haben an der Verbesserung des Abtriebs gearbeitet, aber auch eine deutliche Verringerung des Luftwiderstandes erzielen können. Folglich wird sich der neue Wagen optisch deutlich vom 2005er Model abheben.

Wie störend ist es für Sie, wenn sich die technischen und sportlichen Regeln häufig ändern? Würden Sie mehr Stabilität bevorzugen?

Geoff Willis: Wenn die Regeln nicht so häufig geändert würden, hätten wir geringere Ausgaben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die kleineren Teams hätten dadurch bessere Chancen. Und das würde zu einem ausgeglicheneren Feld und spannenderen Rennen führen - folglich sind stabile Regeln gut für den Sport. Allerdings führen Regeländerungen manchmal zu etwas mehr Abwechslung in der Rangfolge der budget-stärkeren Teams, wie wir in diesem Jahr gesehen haben. Trotzdem sähe ich gern mehr Stabilität bei den Regeln. Die wahren Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die Änderungen erst spät kommen und vor allem, wenn es die Sportregeln betrifft, was sich sehr negativ auf die technische Entwicklung auswirken kann. Die Änderungen hinsichtlich des Qualifyings und der Reifenbestimmungen für 2006 wirken sich nicht allzu negativ aus, da sich die meisten Teams aufgrund der Unsicherheit wahrscheinlich gezwungen sahen, bei der Fahrwerksentwicklung und bei der Größe des Treibstofftanks besonders sorgfältig vorzugehen. Hätte es jedoch eine Rückkehr zu Qualifying-Läufen mit geringem Treibstoff und Wiederauftanken am Sonntag vor dem Rennen gegeben, bräuchten wir einen erheblich größeren Tank, und auf diese Regeländerung hätten wir nicht mehr reagieren können.

Glauben Sie, dass die Formel 1 eine Vorreiterrolle bei der Automobiltechnologie spielen sollte, oder sollten die Regeln nur die Verwendung aktueller Entwicklungen zulassen, um Kosten zu sparen?

Geoff Willis: In den vergangenen 10 Jahren hat sich gezeigt, dass Regeländerungen zu keiner Kostenkontrolle führen. Geringere Kosten ergeben sich nur dann, wenn Teams weniger Geld zum Ausgaben haben. Die Regeländerungen haben dazu geführt, dass wir unnötige Mehrausgaben haben, was unsere Kosten eher gesteigert hat. Der finanzielle Mehraufwand beim Wechsel von V10- auf V8-Motoren ist beispielsweise gigantisch, und die Kosten werden kaum durch irgendwelche eventuellen Änderungen in der Technik in den kommenden Jahren vollständig kompensiert werden können. Man kann keine technischen Rückschritte machen. Wenn man einmal eine neue Technologie erfunden und erkannt hat, welche Vorteile sie hinsichtlich der Fahrzeugleistung bringt, dann kann man - wenn man die Technologie nicht mehr verwenden darf - nicht zu einer 15 Jahre alten Technik zurückkehren; man muss sich dann eine neue Lösung ausdenken, die den geänderten Regeln entspricht. Man kann diese Tatsache auch in anderen Sportarten erkennen, wo man versucht hat, ein Jahrzehnt zurückzugehen. Und was ist geschehen? Die Beteiligten haben noch mehr Geld ausgegeben, um die verbotenen Technologien zu ersetzen. Folglich ist der Versuch, Kostenkontrolle über technische Regeln zu erzielen, zum Scheitern verurteilt.

Rubens Barrichello wird dem Team am 1. Januar beitreten. Was wird er Honda bringen, und wie werden Sie sich seine Erfahrung bei den Vorbereitungen auf den ersten Grand Prix in Bahrain zu Nutze machen?

Geoff Willis: Rubens ist ein sehr guter Fahrer und sehr wettbewerbsorientiert. Ich bin mir sicher, dass Jenson es begrüßt, dass er einen starken Teamkameraden hat, an dem er sich messen kann. Zwischen den beiden wird es einen konstruktiven Konkurrenzkampf geben. Rubens ist längere Zeit für ein sehr erfolgreiches Team gefahren; er weiß, wie man gewinnt. Folglich bringt er uns eine Menge Stabilität und eine lange Erfahrung in einem siegesgewohnten Team. Rubens und Jenson sind die besten Fahrer, die wir jemals hatten. Außerdem haben wir offensichtlich einen leistungsstarken Honda-Motor, und ich glaube, dass wir ein sehr gutes Fahrwerk haben. Folglich dürfte 2006 eines der besten Jahre werden, das wir jemals hatten.

Sie haben gerade Jenson erwähnt… Glauben Sie, dass er jetzt noch besser fahren wird, wo er eine sichere Zukunft und einen so erfahrenen Teamkameraden hat?

Geoff Willis: Das hoffen wir natürlich! Man will immer zwei Fahrer haben, bei denen man nicht sicher ist, wer von beiden der Schnellere ist - und die sich beide da auch nicht sicher sind. In gewisser Weise kann sich ein Fahrer nur wirklich an seinem Teamkameraden messen. Wenn man also zwei Fahrer mit sehr ähnlichem Leistungsvermögen hat, wird das für beide ein großer Anreiz sein, noch eine Zehntelsekunde schneller zu sein.

Ist ein Einheitsreifen für die Formel 1 gut?

Geoff Willis: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Nach der Ankündigung von Michelin ist es klar, dass wir wahrscheinlich 2007 nur noch einen Reifenlieferanten haben werden, und ich glaube, dass es einen allgemeinen Konsens gibt, dass es 2008 nur einen einzigen Reifenlieferanten geben wird. Ich sehe das mit gemischten Gefühlen. Zum Einen geht es in der Formel 1 um Wettbewerb in allen Bereichen, und folglich ist die Zulassung mehrerer Lieferanten völlig richtig. Ein Kontrollreifen ist jedoch eine einfache Möglichkeit, die Wagenleistung zu kontrollieren. Und aus dieser Sicht scheint ein Kontrollreifen logisch zu sein.

Was halten Sie von der Entscheidung von Michelin, sich Ende 2006 aus der Formel 1 zurückzuziehen?

Geoff Willis: Wir haben in den vergangenen Jahren sehr gut mit Michelin zusammen gearbeitet, und wir bedauern diese Entscheidung. Die F1 wird darunter leiden, wenn wir auf diesen Bereich des technischen Wettbewerbs verzichten müssen. Aber wir sind davon überzeugt, dass Michelin im nächsten Jahr eine gute Leistung zeigen wird, und wir werden alles tun, damit ihre letzte Saison für sie und für uns eine gute Saison wird.

Was halten Sie von dem neuen Qualifying-Format?

Geoff Willis: Es ist ein Kompromiss, um eine Reihe unterschiedlicher Ziele erreichen zu können. Es gab Momente, wo wir gern zu dem alten System zurückgekehrt wären, wo es eine Stunde lang gladiatorenartige Kämpfe gab und die Pole Position in den letzten Minuten des Qualifyings ständig wechselte. Aber gleichzeitig gab es den Wunsch, ein Element der variablen Treibstoffstrategie zu erhalten, die uns in den vergangenen Jahren einige recht interessante Rennen beschert hat. Momentan sind wir offen für das neue Format. Wir lieben Herausforderungen, und es könnte sich herausstellen, dass es spannende Qualifyings gibt.

Sind mehr Überholmanöver der Schlüssel zu besseren Wettkämpfen in der F1? Und falls ja - ist der von der FIA vorgeschlagene doppelte Heckflügel der richtige Weg?

Geoff Willis: "Ich weiß wirklich nicht, woher diese ganze Begeisterung für Überholmanöver in der Formel 1 stammt. Wir haben ein Qualifying-System, bei dem wir die meiste Zeit am Wochenende damit verbringen, die Wagen nach ihrer Leistung zu sortieren. Folglich beginnen wir das Rennen mit den schnellsten Wagen in den vorderen und den langsamsten Wagen in den hinteren Reihen. Diese Anordnung macht die Wahrscheinlichkeit von Überholmanövern sehr unwahrscheinlich! Nur wenn es beim Qualifying zu Störungen kommt, können wir Überholmanöver erleben. Wenn wir jedoch wirklich die Durchführung von Überholmanövern fördern wollen, dann haben wir eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Die Aerodynamikregeln für 2005 waren da natürlich keine große Hilfe. Wir haben den Vorschlag bzgl. CDG-Flügeln beim letzten Treffen der Technical Working Group diskutiert. Das Konzept bietet einige Vorteile, aber alle waren sich einig, dass viel Entwicklungsarbeit nötig wäre, damit diese Lösung im Rahmen der technischen Regeln für 2008 funktioniert. Es ist interessant zu sehen, dass nach neuen Möglichkeiten gesucht wird, aber ich wäre eher besorgt, wenn Überholmanöver zu einfach gemacht würden.

Sie sind gerade aus Japan zurückgekehrt… Was hat sich im Team geändert, seit Honda alle Anteile besitzt?

Geoff Willis: Diese Frage kann man auf zweierlei Art beantworten: es hat sich kaum etwas verändert, und es hat sich sehr viel verändert. Wir haben viele Jahre lang mit Honda-Ingenieuren zusammen gearbeitet, und viele von ihnen arbeiten bereits in Brackley an gemeinsamen Planungs- und Entwicklungsprojekten. Diese Zusammenarbeit hat sich über die Jahre entwickelt, und ich erwarte, dass sie sich fortsetzt. In diesem Bereich werden wir folglich keine großen Veränderungen sehen. Andererseits gibt es sehr starke Veränderungen, da uns jetzt alle von Honda für das Team gedachten Mittel zur Verfügung stehen. Das kann man an dem neuen Windtunnel sehen, der gerade gebaut wird und an der Integration des Teams als Teil der vergrößerten Honda-Familie. In den kleineren Bereichen ist also alles nahezu gleich geblieben. Aus strategischer Sicht hat sich allerdings eine ziemlich große Chance ergeben - eine Chance, die uns viel Stärke und Mittel gibt, damit wir unsere Meisterschaftsziele erreichen können.

In früheren Interviews haben Ihre Vorstandskollegen im Honda Racing F1-Team einige Siege für das kommende Jahr und einen möglichen Gewinn der Weltmeisterschaft für 2007 vorausgesagt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie den Wagen bauen können, der diesen Ambitionen gerecht wird?

Geoff Willis: Wir haben uns auf die richtige Weise auf 2006 vorbereitet: Wir hatten einen schnellen Wagen bei den Testläufen, und der neue Honda V8-Motor war sehr erfolgreich. Der Wagen für 2006 wird sicherlich etliche Male im Windtunnel gefahren sein, und wir haben noch weitere vier bis fünf Wochen, bevor er laufen wird. Siege sind natürlich sehr wichtig für uns... Wir müssen 2006 unbedingt Rennen gewinnen. Wir müssen aber nicht nur lernen, wie man gewinnt, sondern wie man regelmäßig gewinnt. Ich denke, dass wir alles auf die richtige Weise zusammenfügen: Wir haben sehr gute Fahrer, einen stark weiterentwickelten Wagen und Motor sowie ein sehr gutes Team hier in Brackley und in Tochigi in Japan. Wir haben in den vergangenen Wochen bei den Treffen in Japan ein sehr gutes Zusammengehörigkeitsgefühl erlebt. Natürlich wird es nicht leicht werden, und alle sind sich der Herausforderung bewusst, die vor uns liegt. Gleichzeitig gibt es aber eine starke Zuversicht und der Glaube daran, dass 2006 ein gutes Jahr für uns werden wird.