Formel 1-Testauftakt in Barcelona - während alle anderen Teams mit den üblichen Hybridautos antanzten, zauberte Toyota zwei brandneue TF106 aus dem Transporter. Zuvor, am Montag, sorgte man mit den unverhofft ausgesandten Studiofotos des Boliden für anerkennendes Staunen in der Medienwelt. Voller Stolz erklärte Technikdirektor Mike Gascoyne: "Der frühe Einsatz des neuen Autos wird uns gegenüber der Konkurrenz einen großen Vorteil einbringen..."

Doch nun mehren sich Gerüchte, wonach der TF106 in Wahrheit auch nur ein Interimsfahrzeug sein soll. Es wird sogar von einem Bluff gemunkelt - mit dem ungewöhnlich frühen Einsatz des neuen Boliden solle die Konkurrenz verunsichert und gehetzt werden. Nur der V8-Motor und die Bridgestone-Reifen wären neu an dem Fahrzeug, der Rest sei nichts anderes als der in beiden letzten Saisonrennen eingesetzte Übergangswagen TF105B, wird im Fahrerlager getuschelt.

Neues Auto, alte Flügel

Tatsächlich sind rein optisch keine großen Unterschiede zwischen dem TF105B und dem TF106 auszumachen. Doch das Team hat schon bei der Präsentation des TF106 in einer Aussendung erklärt, dass es sich bei dem neuen Modell um die "erste Phase des Rennwagens für 2006" handle und dass beim Saisonauftakt in Bahrain ein neues Aerodynamik-Paket zum Einsatz kommen werde. Ein Toyota-Sprecher erklärte auch: "Die größte Änderung in punkto Design ist die Einführung des V8-Motors - das Team macht sich keine Illusionen darüber, dass noch viel Entwicklungsarbeit zu erledigen ist."

Der Vergleich TF105B und TF106 - benutzen Sie die Zoomfunktion!, Foto: Sutton
Der Vergleich TF105B und TF106 - benutzen Sie die Zoomfunktion!, Foto: Sutton

Das Team erklärte auch, dass man sich in der Testarbeit zunächst auf die Mechanik konzentrieren werde. Im Vordergrund würden der Motor, die Aufhängungen und die Reifen stehen. Dass die Vorderradaufhängung am TF106 jene ist, die bereits am TF105B zum Einsatz kam, hat Toyota bereits bei der Einführung des TF105B erklärt. Und so überraschte es auch wenig, dass sich Einsatzpilot Jarno Trulli wie schon in Japan und China bitter enttäuscht zeigte. Die Frontpartie des Wagens würde ihm nicht das nötige Feedback geben, beschwerte sich Trulli gegenüber britischen Medien, es sei exakt das gleiche Problem wie zu Saisonende. Sogar in den konzerngeschönten Pressestatements, mit der die Medienmaschine nach jedem Testtag gefüttert wird, wollte der Italiener seine Probleme nicht verschweigen. "Wir haben noch ein wenig Arbeit an der Vorderradaufhängung zu erledigen, in Sachen Response. Aber ich bin zuversichtlich, da die Ingenieure schon seit einiger Zeit daran arbeiten. Wir hoffen, dass wir das vor dem ersten Rennen lösen können", hieß es da.

Am 14. Januar soll der Toyota TF106 offiziell vorgestellt werden, angeblich soll dann auch schon die neue Aerodynamik zu bewundern sein. Doch es ist ohnehin schon längst Usus, bei Präsentationen tunlichst nicht das wirkliche Flügelwerk herzuzeigen. Und: Spekulationen zufolge soll zur Saisonmitte, beim Grand Prix von Spanien, eine "B-Version" des TF106 eingeführt werden. Diese soll ein neues Monocoque und auch eine neue Frontpartie aufweisen...

Sündteure Gesichtslosigkeit

Was soll man von all dem halten? Dass man am TF106 zurzeit wohl oder übel das alte Aero-Paket verwendet, scheint nahe liegend zu sein. Und das Monocoque des TF106 wirkt rein optisch zwar wie jenes des TF105B - doch wer kann wirklich beurteilen, ob es sich dabei um einen Neubau handelt oder nicht? Es stellt sich ohnehin die Frage: Wann ist ein Auto ein neues Auto? Aerodynamik-Pakete werden jedenfalls laufend entwickelt, ohne dass sich die Typenbezeichnung ändert. Bleibt das Chassis respektive das Monocoque. Wirklich auffällig sind neue Boliden nur noch, wenn beispielsweise vom Einzelkiel- zum Doppelkiel-Konzept gewechselt wird. Radikale Lösungen sind immer seltener zu bewundern - nach der Pleite des Hammerhai-Williams traut sich kaum noch ein Konstrukteur, sich aus dem Fenster zu lehnen...

In den meisten Fällen sind die Änderungen an den neuen Boliden derart marginal, dass sich sogar F1-Experten immer schwerer tun, die Autos voneinander zu unterscheiden. Es werden Millionen investiert, um Änderungen im Millimeterbereich vorzunehmen. Kommentatorenlegende Heinz Prüller erzählte in einem Gespräch für motorline: "Ich habe mit der Elisabeth Junek, einer sehr berühmten Rennfahrerin aus den Zwanzigerjahren gesprochen. Die gebürtige Tschechin war als ältere Dame einmal in Wien. Zu den Autos im Vergleich zu früher hat sie gesagt: 'Wissen Sie, Auto heute haben keine Gesichter mehr.'"