Sechs verschiedene Test- und Rennstrecken, Asphalt und Offroad, zwei Hotels, eine Flugsportschule und das Herz des Projekts Spielberg, die Motorsportakademie, in welcher rund 700 Schüler den Flug- und vor allem den Rennsport von der Picke auf gelernt hätten. Auch weniger betuchte Sprösslinge hätten per Stipendium eine Chance erhalten, im Motorsport ihr Talent zu beweisen. Eine großartige Vision. Ein Meilenstein in der Nachwuchsarbeit des Motorsports.

Und: Eine der Rundstrecken wäre auch Formel 1-kompatibel gewesen – und wer weiß, vielleicht hätte Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz auch für ein Comeback der Königsklasse in der Alpenrepublik sorgen können. Auf jeden Fall aber hätte er laut einer volkswirtschaftlichen Studie für sage und schreibe 10.000 Arbeitsplätze in der mehrjährigen Bauphase sowie für rund 2000 fixe Arbeitsplätze in der von Geldsorgen und Arbeitslosigkeit bedrohten Region gesorgt. Im Jahr 2009 wollte man die Eröffnung feiern…

Es gibt kein Zurück…

Jetzt ist alles aus. Die "Rettungsaktionen" der Landesregierung, allen voran Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, haben nichts gebracht - die Politiker mussten einsehen, dass jenes zwanzig Jahre alte Umweltgesetz, welchem der negative Umweltbescheid zugrunde liegt, auch für sie gilt. Der Bescheid kann nicht umgangen werden, er verlangt ein völlig neues Projekt. Red Bull hat gestern Mittwoch offiziell das Handtuch geworfen.

Jetzt fragen sich alle: Wie konnte das überhaupt passieren? Während aufgebrachte Volksseelen ihren Zorn an den Betreibern der Bürgerinitiativen auslassen, muss man den wahren Schuldigen jedoch in der Politik, sprich in der Landesregierung suchen…

Politik – Mad(e) in Austria

Politik in Österreich – ohnehin oft nur schwer zu verstehen. Man erinnere sich an das Jahr 1999. Damals gab es die große Wende in der Alpenrepublik – die große Koalition aus SPÖ und ÖVP fand ihr Ende. Die Umstände dieses Machtwechsels sprechen Bände. Der ÖVP-Spitzenkandidat und damalige Vizekanzler Wolfgang Schüssel erklärte vor der Nationalratswahl, er würde in die Opposition gehen, sollte seine Partei Dritter werden. So kam es auch – die SPÖ gewann, dahinter die FPÖ und erst dann, wenn auch knapp, die ÖVP auf Platz 3.

Was geschah? Die Wahlverlierer verbündeten sich, Schüssel wollte endlich Bundeskanzler werden, bildete gemeinsam mit der FPÖ die Regierung, ließ sich von dem Rechtspopulisten Jörg Haider zum Kanzler machen. Bei der nächsten Wahl war Schüssel der strahlende Sieger – dass der Mann vor seiner Machtübernahme bewiesenermaßen sein Wort gebrochen hat, stört heute fast niemanden mehr…

Die Hauruck-Mentalität und ihre Folgen

Diese Mentalität, gewisse Dinge einfach durchzuziehen, was immer auch komme oder dagegen sprechen könnte, scheint auch die steirische Landesregierung bei ihrem Umgang mit dem Spielberg-Projekt getrieben zu haben. Der steirische Umweltanwalt Alois Oswald bringt es auf den Punkt: "Es hat an Professionalität gefehlt. Die Einreichung war mangelhaft und die Behörde hat darauf aufgebaut, statt sie zurückzuweisen."

Oswald ist nicht der einzige, der der steirischen ÖVP vorwirft, dass man die bereits lange vor dem negativen Umweltbescheid eingebrachten Bedenken ignoriert habe. Diese Vorwürfe kommen aus allen politischen Ecken, auch vom bundesweiten Koalitionspartner der ÖVP. Man wollte das ehrgeizige Projekt um jeden Preis durchziehen – der Grundgedanke, dass die Region dieses Projekt eben bitter benötigt und es daher durchgezogen wird, ist löblich, aber auch naiv und schlicht dumm. Umweltgesetze beziehungsweise dahingehende Bedenken einfach zu ignorieren, fällt nicht nur dem viel zitierten "Häuslbauer" auf den Kopf. Damals hätte man noch die kritisierten Punkte ändern können, der Bescheid des Umweltsenats war dann jedoch endgültig. Man könnte sagen: Hoch gepokert und verloren…

Der Sprecher einer der Bürgerinitiativen, Karl Arbesser, erklärte, er wollte mehrmals bei der Landesregierung vorsprechen und seine Bedenken deponieren und sei jedes Mal abgewiesen worden. Dass der Einspruch der Initiative dann derart katastrophale Konsequenzen für das Projekt haben würde, hat auch deren Betreiber überrascht – denn man habe nur gewisse Mängel beseitigen, nicht jedoch das Projekt töten wollen.

Drohbriefe für Arbesser: "Hi Volksschädling…"

Das wiederum sehen aufgebrachte Bürger wiederum ganz anders. Sie machen Arbesser für das Ende des Projekts verantwortlich. Der Mann erhielt mehrere Drohbriefe – die Kleine Zeitung veröffentlichte deren Inhalt, darin heißt es unter anderem: "Hi, Vernichter tausender Arbeitsplätze, Volksschädling.." Und: "Wir wissen wo eure Kinder in die Schule gehen, welche Gaststätten ihr besucht.." Schon vor dem endgültigen Aus warnte man Arbesser, keine weiteren Einsprüche zu tätigen, denn sonst würde man ihm und seiner Familie "die Hölle auf Erden" versprechen. Und: "Ihr und eure Angehörigen und Kinder habt keine ruhige Minute mehr…" Die Gendarmerie überwacht nun Tag und Nacht die Anwesen der Betroffenen.

Verbitterte Politiker-Reaktionen

Der Bürgermeister von Spielberg, Kurt Binderbauer, mahnt zur Besonnenheit: "Die Volksseele kocht, wir müssen schauen, dass die Lage nicht eskaliert." Binderbauer spricht von einem "Todesstoß für die Region". Und: "Ich habe bis zum Schluss gehofft. Die Fehler sind im Vorfeld passiert. Die Verantwortung muss das Land von der Landeshauptfrau bis zu den zuständigen Landesräten tragen."

Der steirische SPÖ-Chef sprach von einer "vertanen Jahrhundertchance". Die steirische Chefin der Grünen, Ingrid Lechner-Sonnek erklärte: "Bedauerlich für eine Region, dass die ÖVP nicht in der Lage ist, ein Großprojekt ordnungsgemäß abzuwickeln."

Laut Lechner-Sonnek hätten örtliche Rechtskundige bereits vor der Schleifung des A1-Rings darauf verwiesen, dass mit dem Abbruch der Rennstrecke auch alle damit in Verbindung stehenden Genehmigungen erlöschen würden. In einem Vertrag zwischen der Ö-Ring GesmbH und Red Bull soll stehen, dass das Land das Gelände um fünf Millionen Euro zurückkaufen muss, wenn aus dem Projekt nichts werden sollte. Jetzt sieht man dort Schutt und Asche. Ob man dort wenigstens wieder so etwas wie den A1-Ring errichten kann, ist demnach also mehr als fraglich. Früher hatte man dort wenigstens eine den internationalen Standards entsprechende Rennstrecke…

Wie geht es weiter?

Landeshauptfrau Waltraud Klasnic hat bis zuletzt versucht, das Projekt irgendwie zu retten. Jetzt tagt ein Lenkungsausschuss, es sollen Alternativprojekte besprochen werden, für diese versprach Klassnic auch Förderungen von Land und Bund…

Die Landeshauptfrau erklärte: "Ich bin der Landeshauptmann der Steiermark und der Katastrophenschutzreferent. In einer Katastrophe hat man zu handeln. Es sind alle eingeladen mitzuhelfen, aber ich darf Ihnen versichern, dass es uns gelingt, eine Offensive in der westlichen Obersteiermark zu haben, dass diese Region Zukunft hat."

Wer ist schuld?

"Wer ist schuld?", fragt der ORF seine Website-Leser. Die Einträge reflektieren die Stimmung im aufgebrachten Lande. Da gibt es den Zorn auf die Bürgerinitiativen. Da gibt es den Zorn auf jene Grundstücksbesitzer, welche Kapital schlagen, ihre Ländereien teuer an Red Bull verkaufen wollten und nach deren Zurückweisung Rache geübt haben sollen. Da gibt es jene Spekulationen, wonach Dietrich Mateschitz über den negativen Umweltbescheid gar nicht traurig gewesen sein soll, da er nach dem Kauf des Jaguar-Rennstalls sein Geld lieber in diesen stecken möchte. Und da gibt es letztlich eine Flut an Einträgen, welche der Landesregierung – "von den Hofräten bis zur Landeshauptfrau" - Inkompetenz vorwerfen – da wird sogar gefordert, dass die Landeshauptfrau "ihren Hut nehmen" soll. Einer der Leser attestiert ein "typisch österreichisches Phänomen" - und hat damit wahrscheinlich gar nicht so Unrecht…

Die Leidtragenden sind wieder einmal die sogenannten "kleinen Leute", jene Bewohner, die ihre Hoffnungen in das ehrgeizige Projekt legten und nun ohne Job und Zukunft dastehen. Auf der Homepage der "Initiative Projekt Spielberg" wird man mit einem Bildchen von Neandertalern begrüßt. Diese sitzen in einer Höhle und beklagen sich, dass "die in Graz, Wien, oder weiß der Kuckuck wo noch, einen Haufen Mist gebaut" haben. Im Gästebuch schreibt einer der Besucher: "Ich bin schockiert über das Fehlverhalten der österreichischen Politik. Haben wir die wirklich gewählt?" Die Antwort kann nur lauten: Ja, die wurden tatsächlich gewählt…