Es vergeht in der modernen Formel 1 kein Wochenende mehr, an dem nicht irgendwelche Strafen ausgesprochen werden. Auch in Barcelona schlugen die Sportkommissare wieder zu und versetzten Felipe Massa und Esteban Gutierrez um jeweils drei Plätze. Es mag ja in Ordnung sein, jemanden zu bestrafen, wenn er einen anderen Fahrer behindert. Aber hier kommt der Knaller: Esteban Gutierrez behinderte Kimi Räikkönen, den späteren Viertplatzierten, in Q1, Felipe Massa stand Mark Webber, dem späteren Achtschnellsten und nach der Strafe Siebtplatzierten, in Q2 im Weg!

Mit anderen Worten: Die Behinderungen blieben völlig ohne Folgen. Beide Fahrer müssen nun für Taten bluten, die absolut keinen Einfluss auf das Ergebnis haben. Natürlich sollte man keinem Fahrer im Weg herumstehen, aber eine Bestrafung für ein Vergehen ohne jegliche Konsequenzen für den weiteren Verlauf des Qualifyings ist einfach nur lächerlich. Der Kontrollwahn der FIA scheint keine Grenzen mehr zu kennen. Das Herz des Racingfans fragt sich: Was soll das? Werden die Fahrer demnächst für jede kleine Berührung genauso bestraft als hätten sie einen anderen Fahrer in den Tod getrieben?

Orwellscher Kontrollwahn bei den Stewards

Esteban Gutierrez behinderte Kimi Räikkönen - als es um nichts ging, Foto: Sutton
Esteban Gutierrez behinderte Kimi Räikkönen - als es um nichts ging, Foto: Sutton

Die Verhältnismäßigkeit ist aus dem Gleichgewicht geraten. Der Zwang, jedes noch so kleine Manöver zu bestrafen, ist nicht nur in Sachen Spannung kontraproduktiv, sondern widerspricht auch dem Grundgedanken des Racings. Wo kommen wir hin, wenn ein Fahrer künftig vor jeder Attacke zweimal nachdenken muss, ob er es jetzt wagen soll anzugreifen und eine Strafe zu riskieren? Die Formel-1-Piloten sind mittlerweile in einer Orwellschen Welt angekommen, in der jeder noch so kleine Fehltritt vom Großen Bruder bestraft wird. Die Gefahr, den Blick der Sportkommissare auf sich zu ziehen, ist mittlerweile größer als diejenige, einen Fahrfehler zu begehen.

Und jetzt kommt noch die Krönung seitens eines neuen Strafpunktesystems. Natürlich wird kein Fahrer offen gegen ein solches System sprechen, schließlich will sich ja keiner angreifbar machen. Aber, liebe FIA: Hier fahren die besten Autofahrer der Welt und nicht irgendwelche Kindergartenkinder, die man mit einer Strichliste erziehen muss! Die Formel 1 kam über ein halbes Jahrhundert ohne ein solches System aus, warum braucht man es ausgerechnet jetzt? Jetzt, wo die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Boliden geringer denn je sind - vor einem Vierteljahrhundert lagen schonmal zehn Sekunden zwischen dem Ersten und Letzten, und irgendwie hat es doch auch geklappt.

Künftig nur noch einzeln fahren

Wozu also das ganze? Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass das Drehbuch für die Rennen den Fahrern mehr und mehr aus den Händen gerissen wird. Politische Korrektheit in ihrer übertriebensten Form gepaart mit einem krankhaften Zwang, die Kontrolle über das Geschehen zu behalten. Was kommt als nächstes? Wir haben uns Gedanken gemacht: Die Fahrzeuge fahren das Rennen künftig einzeln, der Schnellste gewinnt. Auf der Strecke müssen zehn Sekunden zum Hintermann bestehen, ansonsten wird man für die Luftverwirbelungen, in die dieser gerät, bestraft. Und sollte es doch einmal zum Aufeinandertreffen kommen, müssen die Fahrer einen Mindestabstand zum anderen Auto beim Überholen einhalten.

Wie lange werden wir noch Rad-an-Rad-Duelle sehen?, Foto: Sutton
Wie lange werden wir noch Rad-an-Rad-Duelle sehen?, Foto: Sutton

Fährt man so langsam, dass der Konkurrent die eigenen Luftverwirbelungen zu spüren bekommt, gibt es einen Strafpunkt. Nun muss sich der Hinterherfahrende sich entscheiden: Angreifen oder nicht? Kommt er beim Überholen dem anderen Auto näher als eine Fahrzeugbreite, gibt es zwei Strafpunkte, kommt man ihm näher als einen Meter, deren drei, kommt es zur Berührung, wird die Lizenz auf Lebenszeit entzogen. Ist das die Formel 1 der Zukunft? Im Moment bewegen wir uns genau dahin. Strafen bei Vergehen müssen sein, aber die gegenwärtige Kleinkariertheit steht im klaren Widerspruch zu den Grundsätzen gesunden Racings. Reduziert es wieder auf ein erträgliches Maß, das hält doch mittlerweile kein Rennfan mehr aus!