Die Safety-Car-Diskussionen von Valencia haben Folgen: In Silverstone wollen sich die Teamchefs noch einmal mit dem ganzen Komplex beschäftigen, auch die FIA hat speziell Mercedes versprochen, sich mit dem Thema noch einmal zu beschäftigen. Hauptfrage überall: Kann man es mit Änderungen im Regelwerk bzw. im Ablauf des Safety-Car-Prozederes erreichen, Safety-Car-Phasen für alle gerechter zu machen und vermeiden, dass Rennverläufe dadurch auf den Kopf gestellt werden?

Die Forderungen und Vorschläge nach Valencia kamen aus den verschiedensten Ecken und gingen von "Boxengasse während der Sammelphase grundsätzlich schließen" über "während der ganzen Safety-Car-Phase schließen" bis zu dem von Marc Surer ins Spiel gebrachten "überhaupt kein Safety-Car mehr, sondern nur noch vorgegebenes Tempo aufs Display der Fahrer - oder wenigstens Safety-Car immer vor den Führenden..."

Das neue Safety Car kam schon oft zum Einsatz, Foto: Sutton
Das neue Safety Car kam schon oft zum Einsatz, Foto: Sutton

Wobei sich schnell zeigt, dass das alles in der Praxis nicht ganz so einfach ist - zumindest nicht, ohne neue Probleme zu schaffen. Macht man in der Sammelphase die Boxengasse komplett zu, ist das zwar heute angesichts des Tankverbots unter diesem Aspekt kein Problem mehr. Aber dann würden alle sofort in der Runde nach Öffnung gleichzeitig hereinkommen müssen, wenn das Feld dicht zusammen liegt - und dann ist der jeweils zweite Fahrer eines Teams, der sich hinten anstellen muss, grundsätzlich der Dumme. Vom Chaos in engen Boxengassen ganz zu schweigen...

Lösungsansätze

Grundsätzlich keine Boxenstopps während Safety-Car-Phasen? Gerade, wenn dann eine solche länger dauert, wenn sich vielleicht zwischendurch auch noch das Wetter ändert, auch nicht unproblematisch - und dass sich prinzipiell dann auch wieder irgendwer finden würde, der schreit, genau in dieser Phase hätte er aber seinen Stopp gebraucht, damit seine Strategie aufgegangen wäre, ist beinahe so sicher wie das Amen im Gebet...

Kein Safety-Car und nur Display-Anzeigen? Dass das gerade auf unübersichtlichen Strecken die Fahrer vor ziemliche Probleme stellt, sich daran zu halten und dass dann nachher erst Recht die Debatten losbrechen, haben die Strafen gegen die neun "Sünder" in Valencia gezeigt. Safety-Car immer vor den Führenden? Klar, gute Idee - nur passieren halt Unfälle wie der von Mark Webber auch mal in einem Moment, wo die Rennleitung es gar nicht mehr schaffen kann, das Safety-Car am Ende der laufenden Runde noch vor den Führenden zu bringen. Und dann kann man ja wohl schlecht verlangen, das Rennen trotzt eines Unfalls noch eine komplette Runde weiterlaufen zu lassen, nur um diese Bedingung zu erfüllen - Sicherheit geht schließlich auf jeden Fall vor...

Lewis Hamilton überholte das Safety Car und brachte Ferrari zum Kochen, Foto: Sutton
Lewis Hamilton überholte das Safety Car und brachte Ferrari zum Kochen, Foto: Sutton

Quintessenz: Man kann wahrscheinlich so viel diskutieren, wie man will - die ideale Lösung, mit der alle zufrieden sind, wird es nie geben. Teams und Fahrer werden sich wohl darauf einstellen müssen, dass es eben so etwas wie Glück und Pech gibt. Und dass man, wenn man wie im Falle von Mercedes bei Michael Schumacher, mit einer zumindest extrem gewagten Interpretation des Geschehens auf der Strecke und der Regeln zu pokern versucht, aus dem "Alles oder Nichts" eben auch ganz schnell ein Nichts werden kann.

Der Fall Ferrari

Und dass man, wie Ferrari, auch mal unverschuldet Pech haben kann. Wobei anzumerken ist, dass Teamchef Stefano Domenicali schon am Sonntagabend in Valencia versuchte, die Feuer wieder auszutreten, die andere gelegt hatten, Fernando Alonso mit seinem in der Hitze des Gefechts geäußerten Manipulationsvorwurf, Pressechef Luca Colajanni mit dem gleich nach Rennende offensichtlich in Eigenregie auf die Website gestellten Text mit ähnlichem Tenor.

Tatsache ist: Die beiden Ferrari-Piloten hatten in Valencia schlichtweg das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Der Vorwurf, die FIA hätte ihr Rennen kaputt gemacht, war von Anfang an Unsinn. Fernando Alonso und Felipe Massa selbst hätten auch kein besseres Ergebnis erzielt, wenn sich Lewis Hamilton entweder an die Regeln gehalten hätte oder früher oder härter bestraft worden wäre. Nur der Abstand in der WM auf Hamilton hätte sich dann halt nicht so deutlich vergrößert.

Schon in Monaco sorgte das Safety Car für Ärger, Foto: Sutton
Schon in Monaco sorgte das Safety Car für Ärger, Foto: Sutton

Letztlich bleibt das die einzige Frage: Kann man dafür sorgen, dass Regelverstöße, die einem Fahrer in so einer Situation einen klaren Vorteil bringen, in Zukunft so bestraft werden, dass die Strafe auch eine Strafe ist? Und dass nicht die Einschätzung einreißt, der Brave sei der Dumme, also sei es in Zukunft schlauer, sich nicht an die Regeln zu halten...

Die FIA hatte auf Nachfragen schon einige nachvollziehbare Gründe dafür, warum es mit der Hamilton-Strafe so lange dauerte, von der Schwere und Dramatik des Webber-Unfalls bis zur Schwierigkeit, sich Beweismaterial zu verschaffen, schließlich konnte auch Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer nicht genau sagen, wo und wann ihn Hamilton genau überholt hatte - es ging da schließlich um Hundertstel-Sekunden.

Und dass man die Situation erst einmal genau überprüft, bevor man eventuell zu Unrecht eine Strafe ausspricht, ist absolut in Ordnung. Nur müsste sich dann eben im vorgegebenen Katalog der möglichen Strafen eine finden lassen, die für den Betroffenen in der gegebenen Situation auch wirklich eine ist. 10 Sekunden Stop-and-Go statt nur Boxendurchfahrtsstrafe hätte im Fall Hamilton schon einen deutlichen Unterschied gemacht...