Was muss ein Nachwuchsfahrer mitbringen, um eine Karriere im Motorsport zu beginnen?
Peter Mücke: Das kann man leicht auf einen Nenner bringen: Jeder Fahrer muss über ein gewisses Grundtalent verfügen, der Rest ergibt sich über die Motorsport-Ausbildung. Darauf müssen die Jungs den Fokus legen, dazu gehören etwa Engineering, Datenanalyse und eine bestimmte Anzahl an Kilometern auf der Strecke. Das ist ganz ohne Glanz und Glamour, aber so läuft es eben und darüber führt der Weg nach oben. Es gibt durchaus talentierte Fahrer, die mit der richtigen Ausbildung nach vorn kommen können. Das war bei uns beispielsweise mit Sebastian Vettel, Robert Kubica und Sebastien Buemi der Fall - den Superhelden, der sofort alles kann, gibt es jedoch nicht.

Als Teamchef muss man auch in gewisser Weise Psychologe sein, oder?
Peter Mücke: Ja, auf jeden Fall. Wir haben ganz unterschiedliche Charaktere bei uns im Team. Da wären die ruhigeren Jungs, wie Pascal Wehrlein, auf der anderen Seite gibt es aber auch die aufbrausenden Talente. Die Fahrer kommen im Alter von 13 bis 14 Jahren zu uns, drehen ihre ersten Testrunden im Formelauto und haben schon einige tausend Kilometer auf dem Buckel, bevor es richtig losgeht. Mit einem 14-Jährigen muss ich ganz anders umgehen als mit einem 18-Jährigen, ihn langsam an den Druck gewöhnen. Wenn es dann vom ADAC Formel Masters in die Formel 3 geht, herrscht ein ganz anderer Wettbewerb und es läuft in diesem absoluten Profibereich nicht mehr wie zuvor. Da gibt es nicht mehr so viele Streicheleinheiten, das ist reinrassiger Profisport und dementsprechend sieht unsere Herangehensweise aus. Wenn es weitergeht in die Formel 1 oder DTM, wird dort erwartet, dass man mit den Jungs sofort ohne großes Hin und Her weiterarbeiten kann.

Wie werden Sie auf neue Talente für Mücke Motorsport aufmerksam?
Peter Mücke: Ich beobachte die aktuelle Motorsportszene ab dem Kartsport, um ständig auf dem Laufenden zu sein. Da bekommt man schon einen ersten Eindruck, mit welchem Fahrer es Sinn macht, zu arbeiten. Es bringt nichts, einem Nachwuchspiloten etwas vorzumachen, obwohl man sicher ist, dass das nicht funktionieren wird. Dafür geht es um zu viel Geld.

Mückes bekanntester Fahrer: Sebastian Vettel 2004, Foto: Sutton
Mückes bekanntester Fahrer: Sebastian Vettel 2004, Foto: Sutton

Macht Ihnen die Arbeit mit den verschiedenen Fahrern immer gleich viel Spaß?
Peter Mücke: Mir macht die Arbeit immer Spaß, egal mit welchem Fahrer; ob das der 13-Jährige ist, der zum ersten Mal im Formelauto sitzt oder der erfahrene F3-Pilot. Das macht den Reiz für mich aus: Wir haben so viele unterschiedliche Charaktere. Es gibt Fahrer, die teilweise mehr auf ihre Außendarstellung bedacht sind als auf ihre Leistungen im Auto. Dann gibt es auch andere, die einfach nur fahren wollen. Denen muss ich sagen, dass das allein nicht reicht: Sie brauchen Sponsorengelder und müssen wissen, wie sie den Medien begegnen.

Mücke gilt als erfolgreichster privater Rennstall in Deutschland. Wie konnte dieser Schritt gelingen?
Peter Mücke: Ich bin seit vielen Jahren selbst im Motorsport unterwegs und wegen dieser Basis weiß ich genau, was in unseren Jungs vorgeht. Ich kann den Druck nachvollziehen, wenn die Ampel auf Grün schaltet. Deshalb kann ich den Jungs gut helfen und ihnen erklären, was richtig und was falsch ist.

Ist Ihr Engagement in der DTM vielleicht auch ein Anreiz für junge Piloten, bei Mücke fahren zu wollen?
Peter Mücke: Das glaube ich weniger. Der Anreiz besteht vielmehr darin, dass sie bei uns einen geradlinigen Weg einschlagen können. Am besten ist ein Testjahr, anschließend können die Piloten im ADAC Formel Masters schon vorn mitfahren. Dann erfolgt der Weg in die Formel 3 und von dort aus bestehen viele Möglichkeiten in Richtung Formel 1 oder DTM. Mücke Motorsport kann den Talenten diese Basis bieten. Die Jungs sehen, dass wir Erfolge vorweisen und eine Perspektive bieten können.

Pascal Wehrlein: Mückes nächster F1-Star? , Foto: Mücke Motorsport
Pascal Wehrlein: Mückes nächster F1-Star? , Foto: Mücke Motorsport

Pascal Wehrlein gilt schon als der kommende Star im Motorsport - was trauen Sie ihm zu?
Peter Mücke: Ich halte es für sehr wichtig, zunächst einmal mit den Fahrern über den Karriereweg zu sprechen; nur im Kreis fahren und schnell sein reicht nicht aus. Man muss schauen, welcher Weg Sinn ergibt, um nicht unnötig Geld und Talent zu verbrennen. Nach einem schwierigen Jahr kann es immer mal wieder passieren, dass Sponsoren wegfallen, und das sollte natürlich nicht passieren. Pascal kann es nach ganz oben schaffen. Dazu gehört natürlich das passende Umfeld und auch die finanziellen Mittel müssen stimmen, damit er diesen Weg gehen kann.

Der Schritt vom ADAC Formel Masters in die Formel 3 ist groß. Wissen die Fahrer immer, was da genau auf sie zukommt?
Peter Mücke: Ich würde nicht sagen, dass sie immer wissen, was auf sie zukommt. Das liegt in der Natur der Sache: Die Fahrer sind jung und entwickeln sich noch. Der Schritt in die Formel 3 ist riesengroß, aber nach zwei Jahren im ADAC Formel Masters fahren die Jungs auf einem solch hohen Level, dass sie F3-fähig sind. Sie stehen dort zwar am Anfang ihrer Entwicklung, sind aber schon bald in der Lage, schnell zu fahren. Das haben wir mit Pascals Vize-Meisterschaft in der Formel 3 Euro Serie ja gerade beweisen können. Es muss unser Plan sein, dass ein Fahrer nach maximal drei Jahren in der F3 auf einem Level ist, in jeder hochklassigen Serie auf Anhieb vorn mitfahren zu können.

Stichwort Management: Heute steht hinter fast jedem talentierten Kartfahrer ein Manager. Ist das wirklich notwendig?
Peter Mücke: Eigentlich nicht. Das sind immer noch Kinder und mit denen muss man anders entgegentreten als einem 18-Jährigen. Ich sage es den Jungs immer wieder: Es geht nur über die Leistung. Wir müssen die Fahrer auf ein Level bringen, damit die Manager, Teams, Hersteller und Werke wegen der Leistung auf sie zugehen. Sich einfach nur darzustellen und am besten noch drei Physiotherapeuten und Psychologen mitzubringen, das allein macht dich nicht schnell.

Thema Geld: Ist schon einmal ein junger, talentierter Nachwuchsfahrer auf der Strecke geblieben, weil er nicht die nötigen Sponsoren auftreiben konnte?
Peter Mücke: Das gibt es immer mal wieder. Leider blieb der eine oder andere auf der Strecke, weil er das nötige Geld einfach nicht auftreiben konnte. Andere sind mit viel Geld zwar ein Stück weit gekommen, doch am Ende entscheidet nur die Leistung. Ganz oben kommen nur die an, die konstant ihre Leistung bringen und über eine gewisse finanzielle Unterstützung verfügen. Talent allein reicht leider nicht, sonst wären wir im Märchenland.

Beobachten Sie auch die Leistungen Ihrer ehemaligen Piloten?
Peter Mücke: Auf jeden Fall. Daran kommt man gar nicht vorbei, wenn man so sehr in den Motorsport involviert ist und diesen lebt. Der Sport ist für mich nicht nur Business, sondern eine Passion. Ich schaue mir an jedem Rennwochenende die Ergebnisse an, denn ich möchte ja wissen, ob das gut war, was wir in der Vergangenheit geleistet haben. Selbst Sebastian Vettel reagiert immer noch auf jede SMS und jeden Anruf und das ist ein Zeichen dafür, dass das alles ganz gut war. Nach seinem ersten Formel-1-Sieg in Monza hat er sich sogar im Fernsehen bei uns für die Arbeit mit ihm bedankt - das macht mich schon stolz. Oder nehmen Sie Robert Wickens, der bei uns vor einigen Jahren mal im Formel BMW gefahren ist. Zuletzt saß er für uns im DTM-Auto und lieferte eine tolle Arbeit ab - das ist schon etwas Besonderes.

Vettel, Kubica, Di Grassi 2004 in Macau, Foto: Sutton
Vettel, Kubica, Di Grassi 2004 in Macau, Foto: Sutton

2013 wird die Formel 3 Europameisterschaft eingeführt. War das die richtige Entscheidung?
Peter Mücke: Absolut, das war ein notwendiger Schritt. Dadurch erhält die Formel 3 eine ganz andere Wertigkeit. Traditionell war die F3 immer die Serie, aus der alle großen Fahrer hervorgegangen sind. Leider entwickelte es sich dahin, dass viele Leute eigene Serien entwickelten, um Geld damit zu verdienen. Dadurch wurde alles zersplittet und irgendwann waren die Serien nicht mehr miteinander vergleichbar.

Wovon hängt es eigentlich ab, in welchen Serien Mücke Motorsport an den Start geht?
Peter Mücke: Unsere Aufgabe lautet, Nachwuchsfahrer zu Profis auszubilden. Also schaue ich, mit welchen Serien wir ihnen das ohne Umwege bieten können. Da führt der Weg für mich klar über das ADAC Formel Masters und die Formel 3. 2010 und 2011 starteten wir auch in der GP3, das war jedoch nur als Alternative gedacht, da es zu dieser Zeit nicht allzu gut um die Formel 3 bestellt war.

Besteht die Möglichkeit, dass Mücke Motorsport noch einmal in die GP3 zurückkehrt?
Peter Mücke: Nein. Ich muss leider sagen, dass die GP3 für mich nicht mehr als eine Warteschleife ist. Wenn ein Fahrer zwei bis drei Jahre Erfahrungen in der Formel 3 sammelt, kann er sofort in jeder anderen Kategorie antreten. Wenn ich sehe, dass es in der GP2 Fahrer gibt, die dort vier, fünf Jahre unterwegs sind, frage ich mich, was das soll. Die haben zwar den finanziellen Hintergrund, dort jedes Jahr eineinhalb bis zwei Millionen Euro verbraten zu können - aber das macht doch keinen Sinn. Ganz realistisch betrachtet, geht es dort hauptsächlich um Geld. Ein Fahrer, der aus einer hochwertigen Formel-3-Serie kommt, kann in der GP3 nicht mehr viel dazulernen. Die Autos sind vergleichbar und die meisten Fahrer sagen sogar, dass man im Formel-3-Boliden mehr lernen kann.