Ich war immer im Stress, immer unter Hochspannung und habe nicht geschlafen, aber das war es wert! 24 Stunden lang stand ich am Nürburgring unter 1.000 Volt. Ich bin gar nicht müde geworden und weiß auch gar nicht mehr, wie lange ich tatsächlich am Stück wach war - aber ich habe mindestens das gesamte Rennen über keine Minute geschlafen. Erst als die Zielflagge fiel, wich die Anspannung. Vorher haben mich meine Leistung und das Ergebnis gepusht und weiter angetrieben. Das war unheimlich geil.

Hin ein Auto, dort ein Auto, zwischendrin Interviews: Pierre war pausenlos im Einsatz., Foto: Pierre Kaffer
Hin ein Auto, dort ein Auto, zwischendrin Interviews: Pierre war pausenlos im Einsatz., Foto: Pierre Kaffer

Im Prinzip habe ich die ganze Zeit nur meine Fahreroveralls gewechselt und ab und zu eine Dusche genommen oder eine kurze Pause mit meiner Freundin genossen. Dann ging es schon weiter. Trotzdem war ich zu jedem Zeitpunkt topfit. Schon vor dem Rennen hatte ich alles bereitgelegt: Getränke, Riegel - alles, um genügend Vitamine, Kohlenhydrate und Ballaststoffe aufzunehmen. So ein Doppelstart ist eine geile Herausforderung. Geholfen haben mir meine Erfahrungen aus dem Vorjahr und die Tatsache, dass ich in den letzten Wochen so viele Langstreckenrennen in der LMS und Grand Am gefahren bin. Es gilt eben doch die alte Weisheit: die beste Vorbereitung ist das Fahren. Zusätzlich habe ich versucht, mich in den Wochen vor dem 24 h Rennen bewusst zu entspannen, um mich mental vorzubereiten und ich habe schon vorher immer gesagt: beide Autos haben das Potential um zu gewinnen.

Mein Lieblingsstück auf der Nordschleife beginnt ab Karussell bis zur Döttinger Höhe - das ist der Hammer. Diesen Abschnitt mag ich unheimlich gern. Auch in anderen Streckenbereichen wie Flugplatz, Schwedenkreuz oder Fuchsröhre muss man sich voll konzentrieren, so hat jede Runde ihren Reiz. Aber das Kurvengeschlägel da oben ist der Knaller. Besonders viel Spaß macht es, in der Nacht zu fahren. Dann sitzen die Fans draußen, überall funkeln die Lichter, der Qualm der Lagerfeuer steigt auf - es strömen so viele Eindrücke auf dich ein, davor kannst du dich gar nicht wehren. Manchmal sind die Lichter so grell, dass du automatisch darauf fokussierst. Die bauen dort ja auch die tollsten Discoanlagen am Streckenrand auf, das ist echt der Wahnsinn und immer wieder ein großartiges Erlebnis.

Manchmal ist es aber auch nicht ganz ohne, wenn plötzlich ein Auto vor dir Öl verliert und weiterfährt, bis sich kein Rad mehr dreht. Dann kommst du um die Ecke geschossen, siehst keine Flaggen und auf einmal schmiert dir das Auto weg. Das ist mir zum Glück nur ein Mal passiert; danach suchte ich eines der wenigen Kiesbetten auf, die es auf der Nordschleife gibt. Das sind solche Momente, in denen dein Puls auf 300 schnellt. So etwas kann leicht in die Hose gehen.

Ansonsten ist alles super gelaufen. Ich war auf beiden Autos sauschnell. Im Team Paragon bin ich den Start gefahren. Unsere Strategie war es, uns aus allem herauszuhalten und nicht zu viel Risiko einzugehen. Das hat bestens funktioniert. Am Anfang habe ich einige Fahrer vorbeigelassen, die gedrückt haben, aber die habe ich gegen Ende meines Turns alle wieder einkassiert. Alles war perfekt, bis Jörg Hardt im Bereich vom Schwalbenschwanz abgeflogen ist. Der Schaden konnte zwar repariert werden, aber leider hat sich später herausgestellt, dass auch die Servolenkung betroffen war. Das ließ sich auf die Schnelle nicht beheben und wir mussten aufgeben. Zu diesem Zeitpunkt lag ich mit beiden Autos auf den Plätzen 2 und 3. Für Paragon tut es mir sehr leid, es wäre ein Topergebnis drin gewesen.

Pierre und die Nordschleife: so macht es ihm Spaß., Foto: Pierre Kaffer
Pierre und die Nordschleife: so macht es ihm Spaß., Foto: Pierre Kaffer

Umso schöner war es, mit dem Manthey Porsche den zweiten Platz zu belegen. Das war gigantisch. Beide Autos waren topvorbereitet und liefen wie ein Uhrwerk. Das Beste: es war überhaupt keine Umstellung nötig. Der einzige Unterschied war, dass das eine Auto einen Power-Booster am Pedal hatte und das andere nicht. Selbst die verschiedenen Reifen machten keinen Unterschied, alle haben sich unheimlich ins Zeug gelegt. Leider gab es beim Team Paragon einen Zwischenfall, bei dem ein Mechaniker verletzt wurde. Die Hebeanlage ist beim Boxenstopp explodiert und er wurde schwer an der Hand verletzt. Ich habe ihn am Montag direkt im Krankenhaus in Koblenz besucht, soweit geht es ihm den Umständen entsprechend gut. Das sind die wirklich traurigen und tragischen Momente des Rennsports. Man kann seinem Schicksal eben nicht davonlaufen. Eigentlich war er derjenige, der den ungefährlichsten Job beim Stopp hatte und dann passiert so ein dummer Unfall.

Rein sportlich habe ich es sehr genossen zu fahren, besonders in der Nacht. Als der Regen einsetzte und die Strecke später wieder auftrocknete, herrschten meine Bedingungen. Nass, aber eine leicht trocknende Spur, dann bin ich richtig schnell und ich habe mal wieder gemerkt: hier bin ich zu Hause, ich kann die Nordschleife wirklich mit verbundenen Augen fahren. Speziell nachts ist mir das bewusst geworden. Ein echt geiles Gefühl. Ich liebe die Nordschleife. Auch das Drumherum war wie immer fantastisch. Für so ein 24 h Rennen nimmt man viele Dinge in Kauf, etwa weite Wege durch Unmengen an Menschen, das Herumlaufen wie ein Packesel, den fehlenden Schlaf. Aber das gehört dazu und einmal im Jahr lohnt es sich, 24 Stunden unter 1.000 Volt zu stehen. Und um ehrlich zu sein, ich freue mich schon jetzt auf das nächste Jahr. Doch jetzt geht's erst mal nach Le Mans. Auch das wird sicher etwas ganz, ganz Besonderes.