Schon vor dem Rennen in Barcelona habe ich geahnt, dass Paul di Resta mein wohl stärkster Gegner im Titelkampf werden könnte. Wir sind in Brands Hatch 88 Runden Stoßstange an Stoßstange gefahren, und auch in Barcelona haben wir wieder einige Zeit miteinander gekämpft, ohne dass es einen Moment gegeben hätte, an dem ich eine unüberlegte Aktion von seiner Seite hätte befürchten müssen. Paul ist ein cleverer Rennfahrer. Er riskiert nie zu viel, weiß genau, wann er seine Möglichkeiten nutzen kann und wann nicht.

Pauls Fairness hinter dem Steuer kann gerade im Endspurt der Meisterschaft nur von Vorteil sein. Wir können uns auf einander verlassen - das weiß Paul di Resta sicher auch von mir. Rein persönlich gesehen ist Paul ein sehr ruhiger Typ, der im Fahrerlager zunächst nicht weiter auffällt. Er ist ein hochkonzentrierter Fahrer, der sein großes Ziel, die Formel 1, noch sehr deutlich vor Augen hat. Er muss im aktuellen Titelkampf alles geben, wenn er dieses Ziel erreichen möchte. Dass ihm dies bewusst ist, zeigt er auch mit seiner Konstanz und seiner Leistung.

Dem Handling ausgeliefert

Am Ende verloren ging der Kampf mit Paul um die Führung in Barcelona dadurch, dass die Performance meines Fahrzeugs diesesmal nicht ganz optimal war. Während des Fahrens habe ich nicht viele Optionen, das Handling des Fahrzeugs zu korrigieren und so den Speed zu verbessern. Vielmehr muss ich zunächst meine Fahrweise dem jeweiligen Problem anpassen. Wenn ich merke, dass der Reifen zu stark abbaut, kann ich meine Fahrweise in ihrer Aggressivität ein wenig einschränken, um die Reifen weniger zu belasten.

Auf der Fahrt selbst bleibt nur noch eine Änderung der Bremsbalance, die man vom Cockpit aus von vorne nach hinten oder umgekehrt verstellen kann. Darüber hinaus kann ich meinem Team die Information geben, was genau mein Problem ist. Anders als in der Formel 1 gibt es bei uns keine direkte Datenübertragung vom Fahrzeug in die Box. Die Daten können erst nach dem Rennen auf der Speicherkarte ausgelesen werden. Die genauen Ursachen eines Problems werden somit oft erst dann sichtbar, wenn die Daten des Rennens oder der sonstigen Session nachbereitet werden.

In Barcelona musste sich Timo Scheider seinem Hauptkonkurrenten geschlagen geben, Foto: DTM
In Barcelona musste sich Timo Scheider seinem Hauptkonkurrenten geschlagen geben, Foto: DTM

Das wichtigste Tool, mit dessen Hilfe während des Boxenstopps ein problematisches Handling korrigiert werden kann, ist der Reifendruck. Der Reifen braucht immer den optimalen Druck, um seine optimale Performance zu entfalten. Für eine Runde im Qualifying ist der Reifendruck etwas höher, um den richtigen Reifendruck von Beginn an auch in der ersten fliegenden Runde zu haben. Wenn man mit weniger Luftdruck fährt, soll der Reifen möglichst lange halten, damit er den Zieldruck etwas später erreicht. So versucht man, den Druck entsprechend der Länge des folgenden Stints zu wählen.

Härtester Kampf seit 1997

Für Setup-Änderungen abseits des Reifendrucks bleibt während unserer Boxenstopps in der Regel keine Gelegenheit - schließlich dauern diese nur halb so lang wie in der Formel 1. So lässt es die Zeit während des Boxenstopps nicht zu, an den Flügeln etwas zu verstellen und so die aerodynamische Balance zu korrigieren. Dies würde bei einer Dauer von drei bis vier Sekunden eines normalen Boxenstopps zu viel zusätzliche Zeit beanspruchen.

Lediglich notdürftige Korrekturen sind möglich: Ist es zum Beispiel zu einer Berührung gekommen, bei der Teile im hinteren Bereich des Autos verloren gegangen sind, bekommt man ein Auto, das - wie wir sagen - sehr an der Vorderachse 'hängt'. Dies bedeutet, dass das Auto zu direkt auf der Vorderachse reagiert, weil die Hinterachse nicht mehr den gewünschten Anpressdruck hat. Als Option kann man sich dafür entscheiden, den Frontflap einfach beim Boxenstopp wegzutreten, um dem Auto etwas Abtrieb auf der Vorderachse zu nehmen.

Mit aktuell sieben Meisterschaftspunkten Vorsprung würden mir in den letzten beiden Rennen ein dritter und ein zweiter Platz reichen, um am Ende Meister zu werden - doch auch das ist in der DTM leichter gesagt als getan. Ich muss volle Attacke fahren, werde versuchen, die nächsten Rennen zu gewinnen und das Beste zu geben. So hart, wie es nun in der DTM ist, war es für mich zuletzt 1997 in der Formel 3 im Kampf gegen Nick Heidfeld...