Ralf Schumacher überrascht die meisten Beobachter positiv. Glaubst du, dass er mittelfristig zumindest das Niveau von Mika Häkkinen erreicht?
Bernd Schneider: Mika Häkkinen hat einen sehr guten Job gemacht; 2007 hat ihm das Quäntchen Glück gefehlt. Was den reinen Speed angeht, war dieser Mann unglaublich gut - und nicht umsonst zweifacher Formel-1-Weltmeister. Dass er es auch in der DTM hätte nach ganz oben schaffen können, steht für mich außer Frage. Ralf Schumacher ist viel besser, als viele erwartet haben. Er ist ein sympathischer Teamkollege, der der DTM gut tut.

Wenn du noch einmal in der Lage wärest, in die DTM einsteigen zu können - wäre dir das lieber im Jahreswagen oder im Neuwagen?
Bernd Schneider: Natürlich mit dem Auto, mit dem ich sofort gewinnen kann (lacht). Aber da die Frage auf Ralf anspielt: Von außen besteht manchmal eine höhere Erwartungshaltung, als man sie selbst hat. Insofern hat er nun im Jahreswagen ein ruhiges Eingewöhnungsjahr, in dem er mehr an Hochachtung gewinnt, als es im Neuwagen möglich gewesen wäre. Aus meiner Sicht war es die richtige Entscheidung, auch wenn er mit diesem Material nicht siegfähig sein wird. Aber wer weiß, vielleicht gibt es noch ein Regenrennen - dann könnte Ralf für eine Überraschung sorgen.

Zu Beginn der Saison war die neue C-Klasse weniger konkurrenzfähig als erwartet. Dennoch konnten keine speziellen Probleme ausgemacht werden. Wie arrangiert man sich als Fahrer damit, dass der Speed nicht reicht, aber es keine konkreten Anhaltspunkte für Veränderungen gibt?
Bernd Schneider: Ich fahre seit 17 Jahren für Mercedes-Benz, und es gab kein einziges Jahr, in dem wir nicht siegfähig waren. Wir als Fahrer haben immer fest an das Team und die Ingenieure geglaubt - und das hat sich ausgezahlt. Wir waren zu Beginn der Saison 2008 nicht dort, wo wir mit unserem Speed sein wollten, aber die Lage war zu keinem Zeitpunkt aussichtslos.

Du hast dich also nie an die Lage von 1993 erinnert gefühlt, als man im betagten Mercedes 190 zu Beginn eher schlechte Karten gegen Alfa Romeo hatte?
Bernd Schneider: 1993 sind wir mit völlig unterlegenem Material gegen die Alfas angetreten, haben von 20 Rennen noch sieben gewonnen und sind mit Roland Asch noch Vizemeister geworden. Wenn wir es damals geschafft haben, mit einem so unterlegenen Auto Vizemeister zu werden, dann gab es für mich in dieser Saison nie einen Grund zum Zweifel.

1993 mobilisierten die Stuttgarter im Kampf gegen überlegene Alfas alle Kräfte, Foto: Sutton
1993 mobilisierten die Stuttgarter im Kampf gegen überlegene Alfas alle Kräfte, Foto: Sutton

Abgesehen von Konstanten wie Noris- und Hockenheimring hat sich der Rennkalender verglichen mit der alten DTM stark gewandelt. Würdest du gerne noch einmal Klassiker wie "Helsinki Thunder" bestreiten?
Bernd Schneider: In Suzuka war es immer richtig schön, der Stadtkurs von Helsinki hat mir hingegen nicht ganz so gefallen. Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr wieder auf dem Circuit Bugatti in Le Mans fahren - dort hat das Fahren vor zwei Jahren sehr viel Spaß gemacht. Auch Spa-Francorchamps ist immer wieder eine schöne Herausforderung; es wäre schön, wenn diese Strecke wieder in den Rennkalender aufgenommen würde.

Bevorzugst du eher die zitierten älteren Kurse oder doch die modernen so genannten "Tilke-Strecken", die sich aus Sicht der Kritiker sehr ähneln?
Bernd Schneider: Auch die neuen Strecken können reizvoll sein; 2005 in der Türkei hat es auf der neuen Rennstrecke in Istanbul richtig viel Spaß gemacht. Da hat sich Hermann Tilke so entfalten können, dass auch ein Rennfahrer Freude daran hat. Auf dem umgebauten Nürburgring fahren wir die Kurzanbindung - das ist leider nicht die große Herausforderung. Aber als Fahrer kann man sich die Strecken nicht aussuchen, sondern muss überall schnell sein.

Inwieweit unterscheiden sich aus Cockpitsicht neue von älteren Strecken?
Bernd Schneider: Auf richtig alten Kursen fahren wir ja gar nicht mehr - auch die traditionsreichen Strecken haben sich moderneren Standards angepasst. Als ich 1986 zum ersten Mal in Mugello war, war das Layout zwar noch das gleiche, aber Auslaufzonen waren praktisch nicht vorhanden. Wenn man dort früher einen Abflug hatte, war ein Totalschaden schon mal drin. Heute hingegen ist auch Mugello auf dem neuesten Stand. Selbst wenn ältere Strecken noch im Rennkalender sind, sind sie, zumindest was die Sicherheit angeht, mittlerweile komplett entschärft.

Auch in diesem Jahr tust du dich im Qualifying nicht ganz leicht. Gibt es Strecken, auf denen das Zeitfahren schwerer fällt als anderswo?
Bernd Schneider: Das Qualifying ist immer schwer. Man muss alles auf den Punkt genau treffen, denn für jedes Outing stehen maximal zwei Reifensätze zur Verfügung. Wenn ich dann wie in Oschersleben in den Verkehr gerate und in der letzten Kurve selbst einen kleinen Fehler mache, reicht das schon, um ins Mittelfeld zurückzufallen. Das Qualifying ist für mich nicht streckenabhängig - es gibt eben in der DTM zehn bis zwölf potenzielle Pole-Gewinner.

Ist das Qualifying trotz deiner langjährigen Erfahrung für dich noch die größte Herausforderung in der DTM?
Bernd Schneider: Ja, denn im Qualifying wird viel entschieden. Wer im Qualifying nicht in den Top Ten ist, gewinnt kein Rennen mehr - selbst wenn man auf einer Strecke fährt, auf der das Überholen noch relativ einfach möglich ist. Abseits der ersten beiden Startreihen sind die Siegchancen ziemlich gering.

Warst du überrascht, wie viele Überholmanöver es trotz der bekannten Streckencharakteristik in Oschersleben gab?
Bernd Schneider: Es waren einige Überholmanöver dabei, auch von meiner Seite. Aber wenn man mit einem siegfähigen Auto das Feld von hinten aufrollen muss, fallen die ersten vier bis fünf Überholmanöver immer recht leicht. Schwieriger wird es erst anschließend. An der Spitze hat sich das Feld momentan nach dem Start immer recht schnell sortiert - da halten sich die Überholmanöver in Grenzen. Oschersleben hat gezeigt, dass Überholen in der DTM möglich ist. Aber es wird bei der immer enger zusammenrückenden Performance der Autos und der Klasse der Fahrer von Jahr zu Jahr schwieriger.

Im Qualifying tut sich Bernd Schneider auch in dieser Saison schwer, Foto: Sutton
Im Qualifying tut sich Bernd Schneider auch in dieser Saison schwer, Foto: Sutton

Liegt das aus deiner Sicht auch an dem seit Jahren konstanten Technischen Reglement der DTM?
Bernd Schneider: Es war schon immer schwer zu überholen, aber natürlich gab es früher größere Unterschiede zwischen den Autos. In den ersten Jahren der neuen DTM gab es alte und neue Autos, aber es gab keine Gewichtsunterschiede. Es waren nicht so viele Fahrzeuge so konkurrenzfähig wie heute, es gab vier bis fünf konstant siegfähige Autos, die eine halbe Sekunde schneller fuhren als der Rest. Wenn sich wie heute 15 Autos innerhalb von sechs Zehntelsekunden bewegen, ist es logisch, dass das Überholen immer schwieriger wird.

Bemerkst du, dass sich nach der turbulenten Saison 2007 die Stimmung auch unter den Fahrern wieder konstant beruhigt hat?
Bernd Schneider: 2007 ging es in der ersten Saisonhälfte im Zweikampf auch noch relativ ruhig zu - warten wir ab, was die Saison bringt (lacht). Generell fahren hier professionelle, sportlich-faire Piloten. Aber wenn es hinterher um die Meisterschaft geht, werden die Bandagen zwangsläufig härter werden. Was wiederum nicht mit fehlender Fairness verbunden sein muss.

Vom Barcelona-Eklat ist also auch zwischen den Herstellern nichts mehr zu spüren?
Bernd Schneider: Ich hatte auch nach Barcelona keine Konflikte mit irgendjemanden - eigentlich hatte ich in Barcelona gar kein Problem (lacht). Ich war einer der wenigen, die nicht in irgendetwas involviert waren. Wir Piloten verstehen uns untereinander, auch wenn wir nach Außen nicht den großen Kontakt zur Konkurrenz haben. Beide Seiten haben sehr zeitintensive Programme, so dass erst gar nicht die Zeit bleibt, teamübergreifend viel miteinander zu unternehmen. Dafür haben wir innerhalb der Mercedes-Mannschaft einen regen Austausch. Bruno und ich unternehmen zum Beispiel viel gemeinsam, und wenn wir am Rennwochenende ein paar freie Minuten haben, verbringen wir die oft auch zusammen.